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Blickkontakt: die versteckte Botschaft

Ein Blick sagt mehr als 1.000 Worte …

Ein Blick sagt mehr als 1.000 Worte …

Patienten teilen sich nicht nur durch Wörter mit, sondern auch durch Mimik und Blickkontakt. Nonverbale Signale des Patienten helfen, das Verschwiegene zu verstehen. Die vielfältigen Ausdrucksformen der Mimik zeigen der Mitarbeiterin, wie der Patient sich fühlt, was er befürchtet. Kann sie das nichtsprachliche Ausdrucksverhalten des Patienten verstehen, hat sie Reaktionsmöglichkeiten. So signalisieren beispielsweise waagerechte Stirnfalten des Patienten Erstaunen, Erschrockenheit oder dass der Patient etwas nicht mit Wörtern zum Ausdruck bringen kann oder will.

Die Gefahr besteht darin, dass man in das Verhalten des Patienten etwas hineininterpretiert, was nicht der Tatsache entspricht. Bestimmte Ausdrucksmerkmale nimmt man bevorzugt wahr und gibt ihnen eine besondere Bedeutung. Völlig vermeiden lassen sich diese Verfälschungen nicht. Erschwerend ist, dass der Patient Gestik und Mimik oft produziert – er verhält sich nicht gemäß seiner Befindlichkeit, sondern gibt etwas vor, um zu beeindrucken. So können Schmerzen bei der Zahnbehandlung bewusst gleichgültig wahrgenommen werden. Mimik ist meist deutlich ehrlicher ist als Sprache.

Der Blickkontakt als Ausdrucksform

Die vielfältigen Ausdrucksformen der Augen zeigen die Befindlichkeit des Patienten und wie er die Behandlung erlebt, bewertet oder befürchtet. Nonverbale Signale zu verstehen ist vielen zu kompliziert, schließlich hat man auch wenig Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Deshalb wird das Thema gerne verdrängt oder einfach übersehen.

Die Ausdrucksformen der Augen sind sehr viel ehrlicher als der Ausdruck mit Sprache. Je kürzer der Kontakt, desto weniger kann die Sprache der Augen zuverlässige Signale senden. Während der Zahnbehandlung erkennen sowohl der Zahnarzt als auch das Team an den Augen des Patienten, wie ihm zumute ist. Die Frage ist, ob man über die Erkenntnis sprechen sollte („Ich weiß, das ist jetzt etwas schmerzhaft“) oder dem Patienten besser kein Feedback gibt – die nichtsprachlichen Ausdrucksformen des Patienten anzusprechen kann ja auch unerwünscht sein. Nicht jeder möchte sein Inneres erkennbar machen.

Mimik des Patienten

Introvertierte Patienten halten die innere Befindlichkeit – also das, was in ihnen vorgeht – eher zurück, sodass ihre Mimik auch längere Zeit unverändert bleibt und man ihnen nichts anmerkt.

Beim extrovertierten Patienten erkennt man sehr schnell sein Empfinden. Sein offener, wacher Blick spricht dafür, dass er alles mitbekommt und interessiert ist, was mit ihm geschieht. Ein wertvolles Indiz ist dabei die Dauer des Blickkontakts. Der Extrovertierte sucht den Blickkontakt. Der Augenkontakt wird länger als üblich gehalten, wenn der Patient mit den Sätzen der Mitarbeiterin übereinstimmt. Zustimmung drückt sich nicht nur durch den Blick aus, sondern auch durch ein leichtes Kopfnicken. Auch Lächeln zeigt Zustimmung und die Bereitschaft, die Zahnbehandlung zu akzeptieren. Negative Aussagen der Mitarbeiterin werden grundsätzlich mit einem leichten Blick nach unten oder einem Stirnrunzeln begleitet. Bei positiven Bemerkungen geht der Blick etwas nach oben.

Augenkontakt des Patienten heißt, dass er
• nichts zu verbergen hat,
• informiert sein möchte,
• den Gesprächspartner akzeptiert,
• Vertrauen hat.

Mimik der Mitarbeiterin

Wie ein Stummfilm „erzählt“ die Mimik der Mitarbeiterin, was in ihrem Inneren abläuft. Ein aufgesetztes Lächeln, das nicht von innen kommt, wirkt unecht – darum wird es als Grinsen und somit negativ wahrgenommen. Nur die positive Stimmung der Mitarbeiterin führt zum authentischen Lächeln.

Es kommt auch gar nicht darauf an, ständig ein freundliches Gesicht zu machen. Andererseits kostet es nichts, zu lächeln. Dadurch wird die Arbeit zwar nicht weniger, aber vielleicht ein wenig angenehmer. Lächeln beeinflusst den Blickkontakt – es kostet kein Geld, kann aber die innere Einstellung positiv beeinflussen. Dabei hat sich auch der „Perspektivenwechsel“ bewährt: Man versetzt sich in die Lage des Patienten, spürt seine Ängste, seine Schmerzen, sein Unbehagen.

Mit dieser Empathie werden die Weichen für Verständnis und die entsprechende innere Einstellung gestellt. Mimik umfasst die gesamte Ausstrahlung durch Augen, Mund und Kopfbewegungen. Dies wird als Einheit betrachtet, und so hängt die Bewegung der Augen oft mit der Stirn oder den Mundbewegungen zusammen.

Bestimmte Gefühle, die man besonders oft auf seinem Gesicht „zeigt“, graben sich als Falten ein oder werden zu einem festen Ausdrucksmerkmal in der Körpersprache: Wer viel nachdenkt, hat oft tiefere Falten auf der Stirn. Je stimmiger die Körpersprache und die verbalen Botschaften der Mitarbeiterin sind, desto geringer ist die subjektive Interpretationsvielfalt.

Wichtig ist, dass man selbst ein Gespür für die eigene Mimik entwickelt und weiß, welche unmissverständlichen Signale man an Patienten sendet. In mancher Situation ist es besser, den Blickkontakt zu meiden, vor allem, wenn sie negative Signale aus dem Blick des Patienten erkennt. Meist sendet man nonverbale Botschaften, die man selbst nicht wahrnimmt, und im Kollegenkreis zu der Frage führen: „Warum schaust Du denn so, was machst Du denn für ein Gesicht?“ (Tabelle).


Das teilen Patienten mit ihrem Blickkontakt unbewusst mit:

Ausdrucksmerkmal Befindlichkeit

weit geöffnete Augen

aufgeschlossen, interessiert, erstaunt

zugekniffene Augen

Abwehr, Unlust, Schmerz

blinzeln

Nervosität, Unruhe

Augen geschlossen

nichts wissen wollen, sich verschließen

Gesprächspartner ansehen

Offenheit, Zuwendung, Interesse

Mitarbeiterin mit den Augen
fixieren

prüfend, zweifelnd, ungläubig


Wer sich gegenseitig in die Augen sieht, kann die Wirkung der gesprochenen Wörter verstärken. Die Skala des Ausdrucksverhaltens beim Blickkontakt reicht vom Anstarren bis zum Hindurchsehen. Ein kurz andauernder, immer wieder gesuchter Blickkontakt drückt Betroffenheit aus. Der Blickkontakt bildet immer eine Brücke zum Zuhörer.

Mögliche Wahrnehmungsfehler

Patienten zu beobachten ist immer auch ein Prozess der Wahrnehmung und verlangt eine gute Urteilsfähigkeit der Mitarbeiterin.

Vom „Überstrahlungseffekt“ spricht man, wenn er von einem auffälligen Merkmal des Kunden auf sein Gesamtbild schließt. Eine einmalige Beobachtung überstrahlt dann alle anderen Wahrnehmungen.
Vom „Aktualitätseffekt“ spricht man, wenn die jüngsten Beobachtungen den Gesamteindruck übermäßig prägen und bei der Beurteilung besonders gewertet werden.
Der „Sympathieeffekt“ bedeutet, dass man bei einem sympathischen Patienten die Körpersprache grundsätzlich schönfärbt, nur Positives wahrnimmt. Auch bei einer sympathischen Mitarbeiterin sieht der Patient in der Mimik nur das Positive.

Die Gefahr besteht darin, dass man in den Ausdruck von Mimik und Gestik etwas hineininterpretiert, was nicht der Tatsache entspricht. So nimmt man bestimmte Ausdrucksmerkmale bevorzugt wahr und gibt ihnen eine besondere Bedeutung. Man sollte Patienten nicht durch die eigene Mimik täuschen, nicht bewusst ein freundliches Lächeln aufzusetzen, wenn der Sachverhalt sehr ernst ist. Schließlich bleibt es dem Zahnarzt überlassen, eine schlechte Nachricht zu überbringen und mit seiner Mimik zu wirken.

Rolf Leicher, Heidelberg