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Tollkühne Frauen in eigenen Listen

Frauen und die Landeszahnärztekammer-Wahl in Thüringen

Frauen und die Landeszahnärztekammer-Wahl in Thüringen

Zwischen Nordhausen und Suhl, von Eisenach bis Altenburg – im schönen Thüringen wird vom 6. bis zum 17. Mai 2019 gewählt und zwar die Kammerversammlung der Landeszahnärztekammer. Das ist ein üblicher demokratischer Vorgang. Es stehen zwölf Listen zur Wahl. Die Kammerversammlung besteht aus maximal 50 Mitgliedern. Es stehen 117 Kandidaten zur Wahl, 37 davon sind Frauen. Das sind 31 Prozent. In der jetzigen Kammerversammlung beträgt der Frauenanteil 18 Prozent.

Im prallen Leben von Weimar, Jena und Ilmenau sieht die Realität allerdings ganz anders aus. Von den gut 2.000 in Thüringen tätigen Zahnärzten sind 57 Prozent Zahnärztinnen. Zeit also für einen Paradigmenwechsel? Die vorhandene Altersstruktur der Zahnärzteschaft in Thüringen – und nicht nur hier – zeigt, dass in den kommenden Jahren der Frauenanteil stetig zunehmen wird. Bei den unter 35-Jährigen sind bereits 62 Prozent weiblich, während die Männer in allen Altersgruppen über 45 Jahren stärker vertreten sind.

Dass der Frauenanteil in der Berufs- und Standespolitik erhöht werden muss, haben einige erkannt. Andere haben in der Herrenrunde so viel Sitzfleisch entwickelt, dass das Stühlerücken schwer geworden ist. Unrühmliches Beispiel war die Bundesversammlung der BZÄK im vergangenen Herbst, als alle Anträge des Vorstands, die wohlfeil formuliert vorsichtig in Richtung Förderung vom „standespolitischen Nachwuchs und hier insbesondere der Zahnärztinnen“ gingen, krachend gescheitert sind. Das Wort „Frauenquote“ wird dann gerne mit „Qualifikation statt Geschlecht“ und „Wer möchte schon eine Quotenfrau sein“ vom Tisch geredet. So sind sich dann Männer einig und finden meist eine Frau, die ihnen recht gibt. Das Ganze wird dann in einer standespolitischen Publikation veröffentlicht und fertig. Nur so lassen sich Probleme nicht lösen. Außer für den Vogel Strauß vielleicht.

In diesem Jahr sind wohl einige Herren in den Kammervorständen aufgewacht. Vielleicht von den wenigen Kolleginnen geweckt. So veranstaltet die KZV Westfalen-Lippe am 11. Mai 2019 erstmals einen Zahnärztinnentag. Nur für Frauen. Ohne Männer. Hier und da breitet sich Fassungslosigkeit aus. Scheint da in Westfalen-Lippe zu oft die Sonne? Die Zahnärztekammer in Westfalen-Lippe hat zudem die Aktion „Traut Euch – Zahnärztinnen in die Berufspolitik“ gestartet. Hier treffen sich Zahnärztinnen mit Berufspolitikerinnen zum Erfahrungsaustausch. Wieder nur Frauen. Dass von heute auf morgen die Berufs- und Standespolitik jung und weiblich wird, ist nicht zu erwarten. Der Weg ist steinig, oft von älteren Herren verstellt. Und es ist auch nicht leicht, bei der jüngeren Generation die Motivation zu wecken, sich in einer Institution mit staubigem Image zu engagieren. Auch kleine Schritte gehen also in die richtige Richtung.

Zurück nach Erfurt, wo die Landeszahnärztekammer Thüringen ihren Sitz hat. Hier haben Frauen nun etwas Revolutionäres gewagt, das gerüchteweise Wellen über das gesamte dentale Bundesgebiet geschlagen hat. Da sind doch einige Unverfrorene hingegangen und haben eine eigene Liste aufgestellt: „Verband der ZahnÄrztinnen – VdZÄ“. Nur mit Frauen. 14 Zahnärztinnen in einer Liste – ohne Gender-Sternchen oder Binnenmajuskel „I“. Genderthemen sind ja nicht für jedermann eine leichte Kost. Die dzw hat sich trotzdem getraut und mit tollkühnen Frauen gesprochen. Dr. Sabine Cramer, niedergelassene Zahnärztin aus Tambach-Dietharz, über ihre Motivation, sich berufspolitisch zu engagieren: „Die derzeitige Kammerversammlung spiegelt nicht die Lebenswirklichkeit in Thüringen, wo sehr viele Frauen als niedergelassene Zahnärztinnen Familie und Beruf erfolgreich vereinbaren. Es reicht nicht aus, sich für das Erreichte zu loben. Was wir brauchen, ist eine Kammer, die sich als Dienstleister versteht, neue gesetzliche Regelungen in konkrete und in der Praxis rechtssicher umsetzbare Handlungsvorgaben überträgt. Das fehlt. Es gibt zu wenige Frauen in der Berufspolitik, und hier will ich mich gerne stärker einbringen.“

Kerstin Gretsch, niedergelassene Zahn-ärztin aus Jena, sieht viele Themen, die Frauen betreffen, unterrepräsentiert: „Aktuelle Themen sind Schwangerschaft, Kinder und wie kann ich das mit dem Beruf als selbstständige Zahnärztin verbinden. Wir brauchen als Selbstständige in schwangerschafts- und in erziehungsbedingten Ausfallzeiten die Gewährleistung von finanzieller und organisationsbedingter Unterstützung, wie etwa eine finanzielle Entlastung seitens des Versorgungswerks. Hier möchte ich mich engagieren und den Interessen der Zahnärztinnen ein Sprachrohr verschaffen. Wir wollen gemeinsam für die Frauen kämpfen.“

Dieser Beitrag enthält Risiken und Nebenwirkungen, soll aber keine Wahlempfehlung sein und stellt auch keine Bewertung der Qualifikation der 117 Kandidaten dar. Frauen stehen natürlich auch in den meisten anderen Listen zur Wahl. Den LZK-Präsidenten Dr. Christian Junge und Vorstandsmitglied Rebecca Otto hatten wir ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten, die beide verständlicherweise „im Sinne der Kollegialität und der Verpflichtung zur Neutralität bei der Wahl“ in ihrer „Position im Vorstand der Landeszahnärztekammer“ nicht für einen öffentlichen Auftritt nutzen wollten.