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Molekularbiologie eröffnet neue Möglichkeiten

Kunststoffscheiben_Diagnose

Auf Kunststoffscheiben lassen sich verschiedene Tests integrieren, zum Beispiel zur Bestimmung von Antibiotikaresistenzen und Parodontitisprognose.

Neue molekularbiologische Verfahren erweitern erheblich die diagnostischen Möglichkeiten. Für orale Erkrankungen werden unter anderem genetisch aktive Moleküle und Entzündungsmarker erforscht. Entsprechende Tests könnten bald Einzug in die Praxis nehmen.

Die Analyse von Erbinformationen, Mikrobiom und Biomarkern hat in den vergangenen Jahren die diagnostischen Möglichkeiten erheblich erweitert. So können einige Erkrankungsrisiken, bei denen Gendefekte eine Rolle spielen, mit DNA-Sequenzierung bereits bei Babys festgestellt werden [1].

Dies gelingt durch die computergestützte Analyse großer Datenmengen („Big Data“) in Kombination mit künstlicher Intelligenz [2]. So lässt sich durch Messung einer bestimmten Kombination genetisch aktiver Moleküle (Mikro-RNAs) das Rückfallrisiko von Kopf-Hals-Tumoren ermitteln [3]. Mikro-RNAs haben Einfluss darauf, wie Informationen aus krebsrelevanten Genen ausgelesen werden. Zusammen mit weiteren Befunden wird die Therapie individueller als mit bisherigen Methoden.

Dieses Prinzip gilt auch im Mund. So sind verschiedene Mikroorganismen und Entzündungsfaktoren charakteristisch für Plattenepithelkarzinome [4-6]. Fehlregulierte Mikro-RNA-Typen verstärken in entzündeter Gingiva die Immunantwort gegen Herpesviren [7]. Bestimmte Gene, Boten-RNAs und modulierte Entzündungszellen differenzieren stabile parodontale Läsionen von solchen, die zu Gewebeabbau führen [8, 9].

Bessere orale Diagnostik?

Die Beispiele stehen für eine Entwicklung in der Medizin, die als „molekularbiologische Revolution“ bezeichnet wird und zu umfangreicher Forschung geführt hat. Für die tägliche Praxis sind aber nur validierte Diagnoseverfahren von Interesse. Einerseits muss ein Test einen erkrankten Zustand mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen (Sensitivität). Andererseits muss auch die Spezifität stimmen, also ein gesunder Zustand richtig erkannt werden.

Diese Forderungen werden – trotz aller molekularbiologischer Erkenntnisse – von bisher verfügbaren Tests in der Regel nicht erfüllt. Das gilt sowohl für mikrobiologische (auf Mikroorganismen bezogene) als auch für genetische und Biomarker-Tests (wirtsbezogen). So befinden sich Tests, die die vielversprechende Mikro-RNA-Bestimmung in Bezug auf Parodontitis nutzen, zurzeit noch in der Entwicklung. Auch in der Mikrobiologie gibt es noch keine Methoden, mit denen sich die kritischen krankhaften Veränderungen im Biofilm (Dysbiose) feststellen und Ergebnisse therapeutisch nutzen lassen.

Kurz vor dem Abschluss befindet sich laut einer Pressemitteilung die Entwicklung eines „systembiologischen“ Verfahrens, das mit Speichelproben arbeitet. Auf einer Kunststoffscheibe werden verschiedene Tests kombiniert, unter anderem zur Parodontitis- und Kariesdiagnostik („Lab-on-a-disk“, EU-Projekt Diagoras). Für maximale Aussagekraft bestimmt der Test zugleich zehn Bakterienarten und drei Biomarker. Ergebnisse sollen innerhalb einer Stunde in der Praxis auslesbar sein. Bis der Test marktreif ist, werden aber noch zwei bis drei Jahre vergehen.

Zukunft Genschere?

Denkbar ist auch, dass Parodontitis zukünftig mit einem Genscheren-Verfahren verhindert werden kann [10]. Bis es möglicherweise soweit ist, wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen. Biomarker-basierte oder weiter entwickelte mikrobiologische Tests könnten aber bald Realität werden – wohl zunächst zur besseren Differenzierung des Schweregrads und für eine genauere Verlaufsprognose bei bereits Erkrankten.

Literatur

[1] Ceyhan-Birsoy O, Murry JB, Machini K, Lebo MS, Yu TW, Fayer S, et al. Interpretation of Genomic Sequencing Results in Healthy and Ill Newborns: Results from the BabySeq Project. The American Journal of Human Genetics 2019;104:76-93.
[2] Seyhan AA, Carini C. Are innovation and new technologies in precision medicine paving a new era in patients centric care? Journal of translational medicine 2019;17:114.
[3] Hess J, Unger K, Maihoefer C, Schuttrumpf L, Wintergerst L, Heider T, et al. A Five-MicroRNA Signature Predicts Survival and Disease Control of Patients with Head and Neck Cancer Negative for HPV Infection. Clinical cancer research : an official journal of the American Association for Cancer Research 2019;25:1505-1516.
[4] Troiano G, Mastrangelo F, Caponio VCA, Laino L, Cirillo N, Lo Muzio L. Predictive Prognostic Value of Tissue-Based MicroRNA Expression in Oral Squamous Cell Carcinoma: A Systematic Review and Meta-analysis. Journal of dental research 2018;97:759-766.
[5] Kaur J, Jacobs R, Huang Y, Salvo N, Politis C. Salivary biomarkers for oral cancer and pre-cancer screening: a review. Clinical Oral Investigations 2018;22:633-640.
[6] Perera M, Al-hebshi NN, Perera I, Ipe D, Ulett GC, Speicher DJ, et al. Inflammatory Bacteriome and Oral Squamous Cell Carcinoma. Journal of dental research 2018;97:725-732.
[7] Naqvi AR, Brambila MF, Martínez G, Chapa G, Nares S. Dysregulation of human miRNAs and increased prevalence of HHV miRNAs in obese periodontitis subjects. Journal of Clinical Periodontology 2019;46:51-61.
[8] Guzeldemir-Akcakanat E, Alkan B, Sunnetci-Akkoyunlu D, Gurel B, Balta VM, Kan B, et al. Molecular signatures of chronic periodontitis in gingiva: A genomic and proteomic analysis. Journal of Periodontology online 20190117;0.
[9] Thorbert-Mros S, Larsson L, Kalm J, Berglundh T. Interleukin-17 producing T cells and interleukin-17 mRNA expression in periodontitis and longstanding gingivitis lesions. Journal of Periodontology online 20181207;0.
[10] Yu N, Yang J, Mishina Y, Giannobile WV. Genome Editing: A New Horizon for Oral and Craniofacial Research. Journal of dental research 2018;98:36-45.