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AWMF fordert Ergänzungen beim Medizinprodukte-Anpassungsgesetz

Die MDR bringt für nicht nur für Hersteller eine Reihe Anforderungen, auch Ärzte, Kliniken und Patienten sind von der EU-Verordnung betroffen.

Die MDR bringt für nicht nur für Hersteller eine Reihe Anforderungen, auch Ärzte, Kliniken und Patienten sind von der EU-Verordnung betroffen.
 

Im Mai 2020 endet die Übergangsfrist für die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR). Aktuell ruft das die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) auf den Plan, die den derzeit vorliegenden Entwurf für das Medizinprodukte-Anpassungsgesetz-EU des Bundesgesundheitsministeris (BMG) an verschiedenen Stellen nachbessern will. Die MDR bringt für Hersteller eine Reihe neuer Anforderungen, aber auch Ärzte, Kliniken und Patienten sind von der EU-Verordnung betroffen.

Ob Implantat, Herzschrittmacher, Dentalprodukt, Röntgengerät oder ärztliches Instrument – all diese Produkte sind „Medizinprodukte“. Ihr Marktzugang wird ab Mai 2020 durch die Medical Device Regulation (MDR) der EU geregelt. Das BMG hat auf dieser Basis einen aktuellen Gesetzentwurf – das sogenannte Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MDG) – vorgelegt, das das bisherige Medizinproduktegesetz ersetzen wird.

Die AWMF empfiehlt unter anderem dringend, die Bestimmungen für die Rezertifizierung lange am Markt befindlicher Medizinprodukte bezüglich der vorzulegenden klinischen Daten zu modifizieren, da es sonst zu Versorgungslücken kommen könne. Um die Sicherheit der Medizinprodukte überwachen zu können, sollten zudem bestehende Register von Fachgesellschaften in die neuen Register einbezogen werden.

Was ändert sich für die Hersteller?

Mit der MDR gehen für die Hersteller von Medizinprodukten umfassende Veränderungen einher: ein neues Klassifizierungssystem, höhere Anforderungen bei der Erstellung klinischer Daten, verschärfte Anforderungen bei der Zertifizierung und die Verfolgung des Implantats über den gesamten „life cycle“. Hinzu kommt die Pflicht, die Nutzung in der europäischen Datenbank für Medizinprodukte EUDAMED mit Daten zum Hersteller, zum Produkt, der klinischen Prüfung und zu Vorkommnissen zu dokumentieren, damit sie künftig ausgewertet werden können.

Jeder Hersteller muss zudem je nach Produktklasse eine „einmalige Produktnummer“ (UDI-Unique Device Identification) anbringen, damit jedes Produkt zurückverfolgt werden kann. „Das alles soll die Patientensicherheit erhöhen und zugleich das europäische Medizinprodukterecht harmonisieren“, erläutert Prof. Dr. med. Ernst Klar, Vorsitzender der Ad-hoc-Kommission „Bewertung von Medizinprodukten“ bei der AWMF und Seniorprofessor für Allgemein-, Thorax-, Gefäß- und Transplantationschirurgie, Universitätsmedizin Rostock.

Aufwand für kleine/mittelständische Unternehmen schwierig zu stemmen

Die neuen Regelungen der MDR beziehen sich auch auf Produkte, die bereits viele Jahre auf dem Markt sind und in der Versorgung eingesetzt werden: Sie müssen bis Mai 2020 nach den neuen Anforderungen rezertifiziert werden. Die AWMF empfiehlt, in den Gesetzesentwurf aufzunehmen, dass für eine Rezertifizierung nach MDR ein Rückgriff auf verfügbare klinische Daten wie beispielsweise Registerdaten möglich sein sollte.

Klar: „Ein valider Bewertungsmaßstab wäre eine lange Laufzeit des betreffenden Produkts, das in einem Register dokumentiert ist und keine Auffälligkeiten aufweist.“ Ein unabhängiges Expertengremium solle definieren, was unter „langer Laufzeit“ produktbezogen zu verstehen ist, um als „bewährtes Medizinprodukt“ eingestuft werden zu können.

Andernfalls drohten Versorgungslücken, da vor allem kleine und mittelständische Hersteller den Aufwand der Rezertifizierung nicht auf sich nehmen könnten und daher jetzt schon angekündigt haben, Produkte zwangsläufig vom Markt nehmen zu müssen.

Fristen festschreiben, um Innovationsstau zu vermeiden

Damit es durch die verschärften Anforderungen für Produktneuzulassungen nicht zu einem Innovationsstau komme, sollte der Gesetzgeber außerdem Bearbeitungsfristen im Zulassungsprozess von Medizinprodukten festschreiben. „Die Translation von innovativen Forschungsergebnissen in die Versorgung ist ohne solche Fristen gefährdet“, so Klar.

Das neue Gesetz dürfe nicht dazu führen, dass Patienten sinnvolle Innovationen unnötig lange vorenthalten werden. Als Orientierung für realisierbare Fristen könnte der Zulassungsprozess der amerikanischen Food and Drug Administration dienen („FDA 510 (k)“).

Bedeutung von Experten

Die MDR sieht vor, Herstellern bereits in der Planungsphase der Entwicklung von Medizinprodukten Experten an die Seite zu stellen. Auch bei deren klinischer Bewertung sollen Experten eine beratende Rolle für die Benannten Stellen (TÜV, DEKRA) spielen. „Im Gesetzentwurf fehlen diese Experten jedoch. Wir halten es für dringend geboten, hier nachzubessern und diese Expertise in den Entwurf aufzunehmen“, sagt Prof. Dr. med. Rolf Kreienberg, Präsident der AWMF.

Im Kontext einer Kooperation mit dem BMG im Nationalen Arbeitskreis für die Implementierung der MDR (NAKI) hatte die AWMF bereits 43 Experten aus 15 unterschiedlichen Fachgesellschaften benannt, die für fachliche Beratung im Sinne der „Expert Panels“ nach MDR zur Verfügung stehen.

Doppel- oder Mehrfacheingabe von Daten vermeiden

Das geplante Deutsche Informations- und Datenbanksystem (DMIDS) über Medizinprodukte soll den Datenaustausch mit der europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) gewährleisten. Um Doppel- oder Mehrfacheingabe von Daten zu vermeiden, ist es aus Sicht der AWMF unverzichtbar, dass Anwendungsprogrammier-Schnittstellen zwischen den Krankenhausinformationssystemen (KIS), dem DMIDS und EUDAMED festgelegt werden.

„Die AWMF fordert zudem, dass auch klinische Anwender Zugang zu den Daten erhalten. Eine Regelung hierzu steht noch aus (Paragraf 55 Abs. 8). Bislang soll das nationale Datenbanksystem grundsätzlich nur Behörden zugänglich sein“, kritisiert Klar.


Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 179 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft idw