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Praxistrennung (5): Abfindung und Wettbewerbsverbot bei Kündigung

Bei fehlender Regelung erfolgt die Realteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Freiberuflerpraxis bei einer Auseinandersetzung vorrangig durch eine Realteilung in Form der Mitnahme von Patienten auseinanderzusetzen. Dieses Vorgehen wird auch als sachgerecht angesehen. Realteilung bedeutet die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, die bisherigen Patienten mitzunehmen. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden.

Gesellschafter können abweichende Regeln der Auseinandersetzung vereinbaren

Davon abweichend im Rahmen des Zulässigen können Vereinbarungen getroffen werden, die abweichende Regeln für die Auseinandersetzung festlegen. Möglich ist unter anderem, dass ein Wertausgleich in Form einer Abfindung gezahlt werden soll. In einem solchen Fall ist dann zu klären, wie die Mitnahme der Patienten durch den ausscheidenden Gesellschafter bei dem vorzunehmenden Wertausgleich zu berücksichtigen ist und eine mögliche Wettbewerbsklausel.

Regelung im Gesellschaftsvertrag über Berechnung der Abfindung

Soll der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung erhalten ist es wichtig, dass im Gesellschaftsvertrag genau festgelegt ist, wie sich der Abfindungsanspruch berechnet. Die Abfindung wird für den Anteil des Gesellschafters am materiellen und ideellen Wert, der sich maßgeblich durch den Patientenstamm bestimmt, der Gesellschaft gezahlt. Zu beachten ist, dass es gerade bei der Berechnung des ideellen Praxiswertes zahlreiche verschiedene Berechnungsmethoden gibt, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Deswegen ist es von großer Bedeutung, die Berechnungsmethode bereits zu Beginn der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag zu regeln.

Frau mit vor dem Körper verschränkten Armen im Vordergrund einer Praxis

Gesellschaftsverträgen sollten die unterschiedlichen Auseinandersetzungsszenarien im Vorfeld berücksichtigen.

Modifizierte Ertragswertmethode

Basis für die Berechnung des ideellen Praxiswertes ist die Erwartung des Nachfolgers beziehungsweise des fortführenden Gesellschafters, die Umsätze und Erträge der Praxis künftig fortführen zu können. Die modifizierte Ertragswertmethode stellt die aktuellste betriebswirtschaftliche Bewertungsform zur Ermittlung des Wertes von Arzt-/Zahnarztpraxen dar und ist auch von der Rechtsprechung anerkannt. Sie ist im Gegensatz zu den anderen gängigen Bewertungsmethoden ohne Logikbrüche und berücksichtigt den entscheidenden Faktor, der die (Zahn-)Arztpraxis von anderen Unternehmen unterscheidet, die Personengebundenheit.

Zwei Seiten der Medaille: Abfindung und Wettbewerbsverbot

Wer gesellschaftsvertraglich die Zahlung einer Abfindung vereinbart, sollte umgekehrt auch an die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes denken. Mit dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot soll sichergestellt werden, dass der ausscheidende Gesellschafter seine Patienten nicht in seine neue Praxis mitnehmen kann. Denn genau für diese erhält er ja die Abfindung. Die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes ist auch durch die Rechtsprechung anerkannt. Jedoch darf die Vereinbarung inhaltlich nicht dazu führen, dass die Regelung einem Berufsverbot gleichsteht. Die Wettbewerbsklausel ist daher zeitlich, sachlich und räumlich einzuschränken.

Räumliche Grenze

In räumlicher Hinsicht wird die Regelung in städtischen Gebieten allenfalls einige Kilometer betragen können, während sie in ländlichen Gebieten weiträumiger ausgelegt sein kann. Die räumliche Grenze exakt zu bemessen und diese innerhalb des von der Rechtsprechung akzeptierten Rahmens zu halten, ist auch deshalb von immenser Bedeutung, weil dieser örtliche Umfang der Verbotsklausel nicht im Nachhinein korrigiert werden kann. Ist die räumliche Grenze zu weit gewählt worden, führt dies zur Gesamtnichtigkeit eines Wettbewerbsverbotes. Der Umkreis sollte sich daher stets am tatsächlichen Einzugsbereich der Praxis orientieren.

Zeitliche Grenze

In zeitlicher Hinsicht ist ein zulässiges Maximum von zwei Jahren zu beachten. Ist im Gesellschaftsvertrag eine längere Dauer des Wettbewerbsverbotes vereinbart worden und ist dies der einzige Mangel der Vereinbarung, kann eine geltungserhaltende Reduktion auf zwei Jahre erfolgen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2003, Az.: II ZR 29/02).

Sachliche Grenze

Überdies muss die Wettbewerbsklausel sachlich gerechtfertigt sein. Zwar ist in der Rechtsprechung der Schutz des Besitzstands des zurückbleibenden (Zahn)Arztes anerkannt. Gleichzeitig darf das Wettbewerbsverbot aber nicht einem Berufsverbot des ausscheidenden Gesellschafters gleichkommen. Es muss ein schutzwürdiges Interesse bestehen, das durch das Wettbewerbsverbot geschützt werden soll, andernfalls überwiegt das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters, seinen Beruf auszuüben und das Wettbewerbsverbot ist insgesamt nichtig.

Mitnahme von Patienten und Abfindung schließen sich regelmäßig aus

Je einschneidender das Wettbewerbsverbot ist, desto mehr muss als Kombination an eine Abfindungsregelung im Vertrag gedacht werden. Umgekehrt gilt jedoch, dass bereits die Möglichkeit der Mitnahme von Patienten die Zahlung einer Abfindung für den ideellen Wert regelmäßig ausschließt. Für den Fall, dass sich der ausscheidende Gesellschafter aus einer Berufsausübungsgemeinschaft im Einzugsbereich der bisherigen Praxis neu niederlässt oder eine Praxis übernimmt, erhält dieser keine Goodwill-Zahlung. Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur reicht insoweit bereits die rechtlich nicht beschränkte Möglichkeit der Mitnahme von Patienten aus, um den Abfindungsanspruch als erfüllt anzusehen. Es kommt danach also nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sich diese Möglichkeit tatsächlich verwirklicht hat.

Praxistipp

Die gesamte Thematik ist überaus komplex und zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, beim Abschluss von Gesellschaftsverträgen die unterschiedlichen Auseinandersetzungsszenarien und ihre Folgen zu durchdenken und eine möglichst detaillierte Regelung zu treffen. Daher sollte Sie ihren Gesellschaftsvertrag stets an die aktuelle Rechtsprechung anpassen lassen, um nicht im Nachhinein vor vollendete Tatsachen gestellt.

 

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Anna Stenger, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, Bad Homburg

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