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Odontogene ­Infektionen sind Hauptursache für Osteomyelitis des Kieferknochens

DDr. Christa Eder über mikrobiell verursachte Entzündungen des Knochenmarks (1)

Osteomyelitis ist eine mikrobiell verursachte Entzündung des Knochenmarks, die in den meisten Fällen auch die Knochensubstanz betrifft, sodass es sich im engeren Sinn eigentlich um eine Ostitis (Knochenentzündung) handelt. Die häufigste Lokalisation einer Kieferosteomyelitis ist mit mehr als 70 Prozent die Mandibula. Die Maxilla ist wegen des dünneren kortikalen Knochens und den reichlichen Kollateralen in der Blutversorgung deutlich seltener betroffen.

Multifaktorielle Ursachen

Die Ursache der Erkrankung ist multifaktoriell. Sie resultiert aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren wie pathogenen Mikroorganismen, mangelnder lokaler Durchblutung, schlechter Immunlage und vorbestehenden Systemerkrankungen wie Diabetes mellitus und chronische Erkrankungen der Leber und der Niere. Auslöser sind in den meisten Fällen Bakterien, seltener auch Pilze und Viren. Häufig findet man Mischpopulationen von aeroben und anaeroben Mikroorganismen. In 80 Prozent der Fälle bilden Staphylococcus aureus (auch MRSA) und ß-haemolysierende Streptokokken der Gruppe A den Hauptbestandteil der pathogenen Keimpopulation.

Daneben dominieren typische Erreger odontogener Infektionen, darunter gramnegative pigmentierte Anaerobier aus den Gruppen Prevotella und Porphyromonas, sowie Tannerella, Peptostreptococcus und Veilonella. Hinzu kommen Enterobakterien wie Escherichia coli und Klebsiella, Pseudomonaden und bei Kindern nicht selten Haemophilus influenzae.

In speziellen Fällen können auch Rickettsien und Mycobacterium tuberculose die Destruktion des Kieferknochens verursachen. Die Keimspektren zeigen individuelle Variabilität, was in schweren Fällen eine mikrobiologische Abklärung und eine Testung der Antibiotikasensibilität erfordert.

rote Kügelchen an halb transparenten Gebilden

Osteomyelitis: In 80 Prozent der Fälle bilden Staphylococcus aureus (auch MRSA) und ß-haemolysierende Streptokokken der Gruppe A den Hauptbestandteil der pathogenen Keimpopulation.

Odontogene Infektionen als ­häufigste Auslöser

Nach dem Ort der Entstehung unterscheidet man die odontogene, die traumatische und die haematogen verursachte Osteomyelitis. Bei Traumata wie Kieferbruch können durch Verunreinigung Keime in den eröffneten Knochen eindringen und dort Inflammationen und Eiterungen bedingen. Bei der haematogenen Form gelangen Mikroorganismen von einem peripher im Körper liegenden Infektionsherd auf dem Blutweg sekundär in den Kiefer. Als Auslöser kommen eine Otitis media, eine Tonsillitis oder eine virale Influenza infrage.

Spezielle Sonderformen sind die Osteomyelitis nach Zahnextraktionen, die auch zahnlose Kiefer betreffende sklerosierende Osteomyelitis, die Osteoradionekrose nach Bestrahlungen in Kopf-Hals-Bereich und Osteomyelitis bei Osteopetrose.

In den meisten Fällen entsteht die Kieferknochenosteomyelitis aber durch das Übergreifen von odontogenen Infektionen auf den Alveolarfortsatz. Keime dringen bei tiefer Karies durch die eröffneten Dentinkanälchen des betroffenen Zahns ein. Auch entzündete Zahnfleischtaschen eröffnen potenziell pathogenen Bakterien über laterale und akzessorische Kanäle den Weg in die Pulpa. Über eine aktive Pulpitis wird eine Nekrose des Wurzelkanals ausgelöst. Die Folgen sind akute oder chronische periapikale Parodontitis und bei fehlender Abflussmöglichkeit der entzündlichen Gewebsflüssigkeit die Entstehung eines dentoalveolären Abszesses. Immerhin entwickeln 4 bis 5 Prozent der Patienten mit dentalem Abszess eine Knocheneiterung.

Die Entzündung wird vor allem durch Störung der intraossären Mikrozirkulation des Knochens gefördert. Mangelnde Durchblutung erschwert die Immunabwehr am Ort des Geschehens. Im dem bereits durch Parodontitis geschädigten alveolären Gewebe finden pathogene Bakterien einen idealen Nährboden. Dies resultiert in einer entzündlichen Reaktion im Mark und im Gefäßbindegewebe, in den Haverschen- und Volkmann-Kanälen und in der Knochenhaut. Reaktiv steigt die Zahl der segmentkernigen Granulozyten, knochenaufbauende Osteoblasten gehen zugrunde, und die stark ansteigende Zahl der Osteoklasten fördert die lakunäre Resorption der Knochensubstanz.

In der Folge kommt es zu Abszessen, Nekrose der Spongiosabälkchen und entzündlicher Infiltration des angrenzenden Weichgewebes. Durch die eitrige Einschmelzung können Zahn und Alveole in toto sequestrieren. Die Symptome der Osteomyelitis variieren in Abhängigkeit von akuten und chronischen Verläufen sowie von der Immunlage und dem Alter der betroffenen Patienten.

Akute Osteomyelitis

Die heute durch frühzeitige Antibiose selten gewordene akute Verlaufsform geht mit Fieber bis 40 Grad und starken Schmerzen einher. Die putride Entzündung führt zu rascher Zahnlockerung und Knochennekrose mit Neigung zu Spontanfrakturen und Sequesterbildung. Das umgebende Weichgewebe ist ödematös und gerötet, das Gesicht erscheint durch die Schwellung asymmetrisch, die Lymphknoten sind vergrößert. Bei der häufigeren Unterkieferosteomyelitis strahlt der Schmerz in den Nacken und die Schulter aus, bei Befall des Oberkiefers sind Auge, Schläfen und Ohren betroffen. 

Besonders gefährlich ist eine Weiterleitung der Infektion in die Orbita. Differenzialdiagnostisch sollten immer auch andere Knochenerkrankungen wie Aktinomykose und onkologische Ursachen ausgeschlossen werden. Dazu ist neben röntgenologischer Abklärung und der Erhebung von Laborwerten eine Biopsie zur pathohistologischen und mikrobiologischen Abklärung der Läsion erforderlich.

Erstere dient vor allem dem Ausschluss eines möglichen malignen Geschehens, letztere der optimalen antibiotischen Therapieplanung. Ein Abstrich aus dem Wurzelkanal oder von affektiertem Weichgewebe ist meist irreführend, da durch die Kontamination mit der restlichen Mundflora die tatsächlichen Eitererreger nicht differenziert werden können. Auch Eiter aus einem möglichen Fistelgang führt zu keinem schlüssigen Ergebnis, da dieser meist keine vitalen im Labor anzüchtbaren Mikroorganismen enthält.

Eine akute Osteomyelitis muss meist stationär mittels intravenöser Antibiotikagaben behandelt werden. Nach sofortigem Behandlungsbeginn mit einem Breitbandantibiotikum kann nach Vorliegen des Resistenzmusters der beteiligten Keime das Therapieschema entsprechend angepasst werden. Wichtig ist eine frühzeitige Intervention, da sonst mit bleibenden Schäden zu rechnen ist. Bei entsprechender Symptomatik mit hohem Fieber sollte auch eine Blutkultur angelegt werden, um mögliche endogene Ursachen der Osteomyelitis abzuklären.

Neugeborenen-Osteomyelitis

Sonderformen der akuten Knocheneiterung sind die frühkindliche Osteomyelitis und die Osteomyelitis des Neugeborenen. Sie tritt meist vor dem zweiten Lebensjahr auf und zeigt typischerweise einen schnellen und massiven Verlauf. Im Gegensatz zu der Erkrankung beim Erwachsenen betrifft sie häufig den Oberkiefer und ist Folge von fortgeleiteten Infektionen der Nasennebenhöhlen. Beim Neugeborenen ist der Auslöser nicht selten eine Infektion beim Stillen durch Keimübertragung bei einer Mastitis der Mutter. Aber auch haematogene oder lymphogene Einbringung von Keimen und akute und chronische Rhinitis kommen als Ursachen in Betracht.

Begünstigt wird die Fortleitung von Infektionen durch die noch offenen Wachstumsfugen der Knochen, in denen die Blutgefäße verlaufen. Typische Symptome sind neben den genannten klinischen Zeichen der akuten Osteomyelitis sehr hohes Fieber, ein Verstreichen der nasolabialen Falte durch die ödematöse Schwellung und pathologische Mobilität des Oberkiefers. Die zunächst lokale Entzündung breitet sich rasch über Blut- und Lymphgefäße in den ganzen Körper aus und kann zu einer lebensbedrohlichen Sepsis führen. Rasches Eingreifen mit Veranlassung einer stationären Behandlung und gezielter Antibiose sind unbedingt erforderlich.

DDr. Christa Eder, FA für Pathologie und Mikrobiologin, Wien

Teil 2: Chronifizierung erfordert exakte ­Abklärung und individualisierte Therapie

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.

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