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Offener Brief: KZBV drängt Lauterbach zum Handeln

„Zeit für Patientinnen und Patienten läuft ab“

Angesichts der massiven Versorgungsprobleme hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) in einem offenen Brief Bundesgesundheitsminister Lauterbach dazu aufgefordert, die gegenwärtige Krise in der zahnärztlichen Versorgung endlich zu stoppen. Die Folgen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten seien ansonsten äußerst ernst.

Hierzu erklärt Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV:

„Bereits jetzt ist der Schaden durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für unsere Patientinnen und Patienten voll sichtbar. Die aktuellen Rahmenbedingungen sorgen insbesondere dafür, dass die notwendigen Mittel zur Finanzierung der erst im Juli 2021 eingeführten neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Die Auswirkungen sehen wir anhand des dramatischen Einbruchs bei den Neubehandlungen dieser Volkskrankheit, die unter anderem in direkter Wechselwirkungen mit Herzkreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus steht. Hier wird nicht nur die Zahn- und Mundgesundheit der Menschen absolut leichtfertig aufs Spiel gesetzt, sondern auch die Allgemeingesundheit. Herr Minister, stellen Sie sich jetzt Ihrer Verantwortung für die zahnmedizinische Versorgung und handeln Sie! Ihnen, aber erst recht den Patientinnen und Patienten, läuft die Zeit davon.“ 

KZBV

Vorstand der KZBV: Dr. Karl-Georg Pochhammer, Martin Hendges und Dr. Ute Maier (von links)

Offener Brief – Berlin, 26. Februar 2024

Keine Gesundheit ohne Mundgesundheit: Versorgungsprobleme nicht länger ignorieren, sondern Krise in der zahnärztlichen Versorgung stoppen

Sehr geehrter Herr Bundesminister,
mit großer Sorge um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten wenden wir uns heute an Sie. Die optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten steht für uns tagtäglich im Vordergrund. Doch die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) zum 1. Januar 2023 eingeführte strikte Budgetierung hat die zahnmedizinische Versorgungssituation massiv erschwert.
Dabei ist die zahnmedizinische Versorgung in einer schwierigen Situation und mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Die Probleme liegen auf der Hand: Aufgrund des Fachkräftemangels wird es für die Praxen immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden, sowie eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Hinzu kommt, dass die auswuchernde Bürokratie den Kolleginnen und Kollegen immer mehr ihrer kostbaren Zeit raubt, die stattdessen den Patientinnen und Patienten zu Gute kommen sollte. Obendrein stellt sich die unausgereifte Digitalisierungsgesetzgebung derzeit weniger als Unterstützung, sondern eher als ein Hemmnis im Praxisalltag dar.
Die strikte Budgetierung hat diese Situation nochmals deutlich verschärft. Denn die aktuellen Rahmenbedingungen sorgen insbesondere dafür, dass die notwendigen Mittel zur Finanzierung der erst im Juli 2021 eingeführten neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung zur Folge. Die unmittelbaren Leidtragenden dieser kurzsichtigen und fehlgeleiteten Gesundheitspolitik sind die Patientinnen und Patienten.
Denn anhand von Versorgungsdaten haben wir eindeutig belegt, dass die strikte Budgetierung einen bundesweit dramatischen Einbruch bei den Neubehandlungen der Volkskrankheit Parodontitis verursacht hat. Anders als von Ihnen öffentlich dargestellt, kommt dies de facto Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten gleich. Das war bereits das Kernergebnis des Evaluationsberichtes zu den Auswirkungen des GKV-FinStG auf die Parodontitisversorgung, den wir gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) Ende September 2023 veröffentlicht haben.
Auch aktuelle Abrechnungsdaten zeigen, dass sich der Einbruch bei den Neubehandlungsfällen nicht nur fortsetzt, sondern der Negativtrend sich sogar weiter verstärkt. Während vor Einführung der strikten Budgetierung in 2022 noch durchschnittlich etwa 120.000 Parodontitisneubehandlungen pro Monat durchgeführt wurden, waren es im Dezember 2023 nur noch rund 77.500. Wir gehen davon aus, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch in den kommenden Wochen und Monaten die monatlichen Neubehandlungsfälle weiter absinken werden.
Herr Bundesminister, über diese gefährliche Entwicklung haben wir Sie laufend informiert. Unsere Warnungen haben Sie jedoch stets ignoriert, unsere Gesprächsangebote hierzu haben Sie abgelehnt.
Wenn keine korrigierenden Maßnahmen von Ihnen, Herr Bundesminister und den Ampelfraktionen ergriffen werden, ist davon auszugehen, dass das Niveau der Neubehandlungen soweit absinken wird, dass es nur noch halb so hoch ist wie vor Einführung der Budgetierung. Damit droht das Versorgungsziel, die Parodontitis – neben Karies die zweite große Volkskrankheit in der zahnmedizinischen Versorgung – wirkungsvoll bekämpfen zu können, vollständig zu scheitern. In Anbetracht der hohen Krankheitslast ist dies für die Mund- und Allgemeingesundheit der Patientinnen und Patienten fatal. Es reicht nicht allein, sich die Stärkung der Prävention im Koalitionsvertrag als Ziel zu setzen. Entscheidend ist, dass diese Zielsetzung auch Eingang in das politische Handeln und in die Versorgungsrealität findet.
Herr Bundesminister, nehmen sie den Stellenwert der Prävention für die Gesundheit ernst, verschließen Sie nicht länger die Augen vor den Problemen in der Versorgung.
Parodontitis begrenzt sich nicht allein auf die Mundhöhle, sondern sie ist eine komplexe Entzündungserkrankung des Menschen. Jeder zweite Erwachsene leidet an dieser Volkskrankheit. Unbehandelt ist sie die häufigste Ursache für vermeidbaren Zahnverlust. Parodontitis steht in direkter Wechselwirkungen mit Herzkreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus. Insofern gilt: „Es gibt keine Gesundheit ohne Mundgesundheit“. Zu diesem Schluss kommt das im Februar 2024 im Economist Impact veröffentlichte Whitepaper „Time to put your money where your mouth is“.
Herr Bundesminister, nehmen Sie die Folgen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten ernst.
Neben diesen individuellen Negativfolgen für die Mund- und Allgemeingesundheit wäre ein Scheitern der neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie zugleich auch mittel- und langfristig für das GKV-System mit erheblich höheren Kosten verbunden. Allein im zahnärztlichen Bereich summieren sich diese Folgekosten auf rund 200 Millionen Euro jährlich.
Hinzu kommen indirekte Krankheitskosten durch Parodontitis, die eine international vergleichende Studie für Deutschland mit rund 34,79 Milliarden Euro angibt. Eine konsequente Prävention und Therapie von Parodontitis würde diese Kosten zumindest reduzieren.
Herr Bundesminister, stellen Sie sich den Problemen und Realitäten in der zahnmedizinischen Versorgung, anstatt Sie unter den Tisch fallen zu lassen.
Wir sehen unter den aktuellen Rahmenbedingungen der strikten Budgetierung derzeit keinen Weg, wie wir die Parodontitisversorgung der Patientinnen und Patienten auf einem der hohen Krankheitslast angemessenen Niveau aufrechterhalten können.
Herr Bundesminister, erkennen Sie endlich: Es gibt keine Gesundheit ohne Mundgesundheit.
Wir appellieren daher ausdrücklich an Ihre Verantwortung für die Aufrechterhaltung der zahnmedizinischen Versorgung. Stellen Sie sich den Problemen bei der Parodontitisversorgung. Verweigern Sie nicht länger den Dialog. Unsere Lösungsvorschläge liegen Ihnen vor. Wir fordern Sie auf, mögliche Lösungsansätze konstruktiv mit uns zu diskutieren und unsere Vorschläge aufzugreifen. Nur so können Sie noch verhindern, dass sich diese Versorgungskrise weiter verschärft.
Mit freundlichen Grüßen
ZA Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV
Dr. Ute Maier, stellstellvertretende Vorsitzende des Vorstandes
Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes