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Einsam an der Uni: Wenn Studenten Heimweh haben
Junge Frau mit Heimweh: Gerade Studenten im ersten Semester fühlen sich oft einsam und haben Heimweh.

Junge Frau mit Heimweh: Gerade Studenten im ersten Semester fühlen sich oft einsam und haben Heimweh.

Semesterstart. Der Hörsaal ist voller fremder Gesichter, die alle konzentriert auf zahlreiche Smartphones schauen. Mittags in der Mensa scheint sich die Studentenschaft aus fest etablierten Cliquen und unnahbaren Einzelgängern mit Kopfhörern und großer Konzentration auf das aufgeschlagene Lehrbuch zusammenzusetzen. Wer bislang Filmen und Fernsehen geglaubt hat und davon ausgegangen ist, kurz nach der Immatrikulation von einer Studentenparty zur nächsten durchgereicht zu werden, stellt schnell fest: Das Studentenleben kann erst einmal ganz schön einsam sein.

Anonymität statt Studentenparty

Gerade junge Erstsemester, die zum Studium frisch von zu Hause ausgezogen sind, haben nicht selten mit Heimweh zu kämpfen. Aber auch ältere Studenten, die vielleicht noch einmal die Hochschule wechseln oder gar ins Ausland gehen, sehen sich der Herausforderung gegenüber, Anschluss zu finden und in der scheinbar anonymen Kommilitonen-Masse Gleichgesinnte zu finden.

Ludger Lampen von der Zentralen Studienberatung der Ruhr-Universität Bochum berichtet: "Die Aufnahme eines Studiums weit weg von zu Hause bedeutet auch immer den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Für die alten Kontakte aus der Schulzeit bleibt oft weniger oder gar keine Zeit mehr, alte Freundschaften und Beziehungen sind schwerer aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Der Aufbau neuer Kontakte, Beziehungen und Freundschaften braucht immer Zeit und ein aktives Zugehen auf andere Menschen, Kontaktfähigkeit und die Bereitschaft, Zeit auch außerhalb von Vorlesungen und Seminaren mit neuen interessanten Menschen zu verbringen."

Brigitte Diefenbach, Diplom-Psychologin und Studienberaterin an der Bergischen Universität Wuppertal, führt weiter dazu aus: "Je nachdem, in welchem Studienabschnitt Studenten gerade stecken, gestalten sich diese Phänomene unterschiedlich: Zu Studienbeginn muss man erst mal viele neue Eindrücke und Informationen verarbeiten. Das vertraute, bekannte Umfeld, gewachsene Freundschaften aus der Schule, aber auch bisher wirksame Lernstrategien greifen vielleicht nicht mehr. Der Studienbeginn erfordert eine völlige Neuorientierung im Hinblick auf die eigene Selbstständigkeit bei der Studienorganisation, die neuen Kommilitonen, Dozenten, Räume, den Tagesablauf, das eigene Erstellen eines Stundenplans, die eigene Motivation zum Lernen. Diese Umorientierung kostet viel Energie. Noch mehr, wenn man am neuen Studienort auch die erste eigene Wohnung bezieht und die Familie oder Freunde nur medial erreichbar sind. Für ausländische Studenten kann dann noch ein ganz neuer Kulturkreis mit völlig neuen Regeln dazukommen. Aber auch zum Studienabschluss kann dieses Gefühl von ‚Verlorensein‘ oder Einsamkeit wieder auftreten, wenn etwa das Studium selbst finanziert werden musste oder aus anderen Gründen der Anschluss zu den Kommilitonen verloren gegangen ist und keine Vorlesungen oder Seminare mehr besucht werden müssen, nur noch die Abschlussarbeit bevorsteht, die man in aller Regel ja allein und selbstständig schreibt."

Fachschaften, Hochschulsport und Co.

Aber ist ein hoffentlich gut informierter Start ins Studium geschafft, bietet das Hochschulleben durchaus Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und sich zu engagieren. Fachschaften, AStA sowie der Hochschulsport sind wichtige Anlaufstellen, die auch zahlreiche Freizeitaktivitäten für Studenten organisieren. Auch bieten die meisten Hochschulen gute Angebote, um den eigenen Interessen und Hobbys nachzugehen.

"Healthy Campus" an der Uni Göttingen

Nur eine von vielen Initiativen an deutschen Unis ist das Pilotprojekt "Healthy Campus" an der Universität Göttingen. Die Initiative zur Gesundheitsförderung für Studenten gibt es seit dem Sommersemester 2017. Der Göttinger Hochschulsport konzipiert und erprobt gemeinsam mit dem Institut für Sportwissenschaften in den kommenden zwei Jahren zahlreiche Maßnahmen zu den Themen Bewegung, Ernährung, Stress und Arzneimittelkonsum. Ziel der Initiative ist es, die Göttinger Studenten bei der Bewältigung der Anforderungen im Studium zu unterstützen und auf die Anforderungen im Berufsleben vorzubereiten.

Dazu gehören Fitnesskurse, Backcheck, Ernährungsberatung und Kochkurse mit Göttinger Gastronomen, außerdem Beratungsangebote zu gesundheitlichen Fragen, Bewegungspausen in den Vorlesungen und Fortbildungen für Dozenten zur Gestaltung gesundheitsfördernder Lehrveranstaltungen. Im Laufe des Jahres sollen zusammen mit den Studenten weitere Maßnahmen entwickelt werden.

Psychologin Diefenbach empfiehlt außerdem, die Hilfs- und Beratungsangebote der Hochschulen in Anspruch zu nehmen: "Wird das Heimweh oder das Gefühl von Einsamkeit zu schlimm, empfehlen wir, auf jeden Fall die Studienberatungsstelle oder die psychologische Beratung aufzusuchen, die es an jeder Universität gibt. Hier kann man in einem vertraulichen Gespräch seine persönliche Situation besprechen und weitere Lösungen finden."