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Neurodegenerative Erkrankungen und Parodontitis (2)

Parkinson_Neuronen

Neuronen, die Lewy-Körper enthalten. Sie werden in den Gehirnzellen angehäuft und verursachen eine fortschreitende Degeneration.

 

Im Gegensatz zur Alzheimerkrankheit, bei der über Entzündungsmediatoren und das anaerobe Bakterium Porphyromonas gingivalis direkte Assoziationen zur Parodontitis bestehen, konnten derartig komplexe Zusammenhänge für die Parkinson-Erkrankung bisher noch nicht belegt werden.

Es gibt zwar Studien, die darauf hindeuten, für endgültige Aussagen ist die Datenlage aber noch zu unvollständig. Dennoch zeigt sich aufgrund der körperlichen Folgen des Morbus Parkinson (MP) und der Nebenwirkungen seiner Therapie eine Reihe von Auswirkungen auf die Mundgesundheit. Im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen findet man bei den Betroffenen signifikant häufiger progrediente schwere Parodontitis, vermehrtes Auftreten von Karies sowie vorzeitigen Zahnverlust.

Motorische Insuffizienz behindert die Zahnpflege

Morbus Parkinson ist gekennzeichnet durch eine progressive Degeneration der dopaminproduzierenden Zellen der Substantia nigra. Das fehlende beziehungsweise reduzierte Dopamin führt zu einer mangelnden Stimulation der Basalganglien des Großhirns und damit zu den typischen, sich im Verlauf der Krankheit intensivierenden Bewegungseinschränkungen und Mobilitätsstörungen wie Hypokinesie, Instabilität der Körperhaltung, Tremor und Rigor. Daneben tritt typischerweise auch eine Reihe vegetativer und neurologischer Symptome auf.

Morbus Parkinson beeinträchtigt wesentlich die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Komorbiditäten wie häufige aggressiv verlaufende orale Entzündungen sowie vermehrtes Auftreten kariöser Läsionen sind zunächst Folgen der motorischen und im Spätstadium auch kognitiven Einschränkungen. Diese führen zu mangelnder Mundhygiene. Besonders die Feinmotorik der Hände ist unerlässlich für korrekt ausgeführtes Zähneputzen oder die Verwendung von Zahnseide. Häufig bestehen auch psychische Probleme wie Depressionen, verminderter Antrieb und die im Spätstadium des Morbus Parkinson zunehmende Demenz. Zahnarztbesuche werden häufig von Angehörigen als nebensächlich betrachtet und nicht regelmäßig durchgeführt. Die vermehrte Plaqueakkumulation und die Zahnsteinbildung führen dann zu rezidivierenden Entzündungen.

Xerostomie fördert orale Entzündungen

Allerdings kommen noch weitere, direkt mit der Parkinsonkrankheit assoziierte Probleme hinzu. Einerseits bedingen motorische Schluckstörungen vermehrte Speichelakkumulation. Besonders in der Nacht kommt es zum Sabbern – einem unkontrollierten Speichelaustritt aus dem Mund. Andererseits wird aber insgesamt zu wenig Speichel produziert. Diese Hyposalivation tritt bei der Parkinsonkrankheit als autonome Manifestation unabhängig von einer Medikation auf.

Allerdings verstärken Medikamente wie Anticholinergika und trizyklische Antidepressiva, die häufig gegen die Komorbiditäten des MP eingesetzt werden, die Xerostomie. Der mangelnde Speichelfluss und der zusätzliche Verlust des intraoralen Speichels beim nächtlichen Sabbern führen zu einer Austrocknung der Schleimhäute. Diese werden vulnerabler und damit anfälliger für bakterielle und fungale Noxen. Zudem fehlen lokale Abwehrstoffe wie IgA gegen die überhandnehmenden potenziell pathogenen Keime. Die fehlende Pufferwirkung bedingt Veränderungen des intraoralen pH-Werts und führt zur Selektion von parodontal-pathogenen Keimfloren und Karieserregern.

Viele Parkinsonpatienten leiden unter dem Burning-Mouth-Syndrome. Einerseits wird dieses durch die Xerostomie hervorgerufen, andererseits entsteht es beim Morbus Parkinson auch als unabhängige schmerzhafte Krankheitsmanifestation. Untersuchungen konnten eine Korrelation zum erniedrigten Dopaminspiegel und zu einer Dopamindysregulation herstellen. Eine Therapie der Symptome mittels Alpha-Fettsäuren, Capsaicin oder Clonacepam hat sich in solchen Fällen als erfolgversprechend erwiesen.

Ernährungsdefizit durch mangelnde Mundgesundheit

Bei Morbus-Parkinson-Patienten ist durch die motorischen Störungen häufig auch die Kau- und Schluckfunktion beeinträchtigt. Die Muskelrigidität reduziert die Beweglichkeit der Kiefer und der Zunge. Dies führt zu einer Bevorzugung weicher Speisen wie Weißbrot und kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln. Häufig besteht ein Heißhunger auf zuckerreiche Nahrungsmittel. Gemeinsam mit der schlechten Mundhygiene fördert diese Ernährung die Selektion einer kariogenen Mikroflora. Nicht selten entwickeln Patienten im Krankheitsverlauf ausgeprägten Bruxismus. Besonders im Schlaf kommt es zu unkontrolliertem Zähneknirschen mit allen negativen Folgen für Kiefergelenke und Zähne.

Menschen mit Morbus Parkinson bedürfen in jedem Fall vermehrter Aufmerksamkeit und individueller, nach Stadium und Ausprägung der Erkrankung modifizierter zahnärztlicher Prophylaxe. Dies beginnt bereits bei einer Beratung zu mundgesunder vitaminreicher Ernährung mit Vermeidung von zuckerreicher Diät. Die oralen Begleiterscheinungen und die Einschränkungen der natürlichen Kaufunktion machen eine intensive Mundhygiene zur Erhaltung der Zähne notwendig. Patienten mit keinen oder nur moderaten kognitiven Einschränkungen sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten in angepassten Techniken der Zahnreinigung unterwiesen und geschult werden. Engere Recallintervalle für die professionelle Mundhygiene wirken einer hohen Plaqueretention entgegen. Erfahrungswerte belegen, dass eine zahnärztliche Behandlung idealerweise möglichst am Morgen oder Vormittag durchgeführt werden sollte, da die Aufnahme- und Kooperationsfähigkeit der Patienten hier deutlich besser ist als zu späteren Tageszeiten. Regelmäßiges, möglichst tägliches topisches Aufbringen von Fluoridgel verhindert das Auftreten von Karies. Die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Mundgesundheit dieser Patientengruppe ist ein wesentlicher Beitrag zu ihrer Lebensqualität.