Anzeige
Sedierung in der Zahnmedizin – ein aktueller Überblick

Jenseits der reinen Lokalanästhesie können besonders ängstliche und/oder schmerzempfindliche Patienten von modernen Sedierungsverfahren profitieren. In einem Interview für die DZW gibt der Kölner Anästhesist und Notfallmediziner Dr. med. Frank Mathers Auskunft darüber, was der aktuelle Stand zum Thema Sedierung in der Zahnmedizin ist.

DZW: Dr. Mathers, was versteht man eigentlich unter dem Begriff „Sedierung“?

Dr. med. Frank Mathers: Das Wort „Sedierung“ leitet sich vom lateinischen Begriff „sedare“ ab, was soviel wie „beruhigen“ bedeutet. In der Medizin beziehungsweise Zahnmedizin ist damit die pharmakologisch induzierte Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems gemeint, bei der ein Patient nicht zwingend das Bewusstsein verliert.

DZW: Dann ist Sedierung eine Narkose?

Mathers: Nein, genau das ist sie nicht. Mit dem Begriff „Narkose“, der eigentlich ein Synonym für Allgemeinanästhesie ist, wird gelegentlich zu sorglos umgegangen. Sedierung ist keine Narkose – sie liegt auf dem Bewusstseins-Kontinuum zwischen der Lokalanästhesie und der Narkose.

Tabelle: Sedierungsstadien nach American Society of Anesthesiologists (ASA)

DZW: Können Sie das noch etwas erläutern?

Mathers: In der Zahnmedizin reicht die medikamentöse Schmerzausschaltung von der lokalen Anästhesie über die Sedierung bis hin zur allgemeinen Anästhesie. Bei Ersterer ist der Patient bei Bewusstsein, bei Letzterer nicht, und die Übergänge zwischen den Stadien sind fließend. Innerhalb der Sedierung spricht man auch von minimaler, moderater und tiefer Sedierung.

DZW: Wann brauche ich denn einen Anästhesisten, um zu sedieren?

Mathers: Einen Anästhesisten brauchen Sie, wenn ein Patient eine Vollnarkose beziehungsweise Allgemeinanästhesie benötigt, um adäquat behandelt werden zu können. Ist eine Bewusstlosigkeit des Patienten nicht zwingend notwendig und/oder erwünscht, gibt es mehrere Sedierungsverfahren, die entsprechend qualifizierte Zahnmediziner selbstständig anwenden können.

DZW: Und welche wären das?

Mathers: Generell gibt es titrierbare und nicht-titrierbare Sedierungsverfahren. Bei titrierbaren Verfahren können Sie die Sedierungstiefe während der Behandlung nach Bedarf anpassen. Dazu gehören zum Beispiel die Lachgassedierung, die in Deutschland immer häufiger zum Einsatz kommt, oder die intravenöse Sedierung, die eher selten eingesetzt wird. Bei nicht-titrierbaren Verfahren bestimmen Sie vor einer Behandlung die Sedierungstiefe und -dauer, aber diese können Sie während der Behandlung nur noch punktuell beeinflussen beziehungsweise verändern. Die orale medikamentöse Sedierung, zum Beispiel mit Benzodiazepinen, Barbituraten oder Antihistaminika, ist das populärste nicht-titrierbare Verfahren in der Zahnmedizin.

DZW: Welches Sedierungsverfahren ist am besten?

Mathers: Das hängt jeweils von der spezifischen Behandlungssituation ab. Im zahnärztlichen Praxisalltag gängig sind vor allem die orale Sedierung und die Lachgassedierung.

DZW: Welche Vorteile bietet die orale Sedierung?

Mathers: Die orale Sedierung genießt bei Patienten eine hohe Akzeptanz, da sie schmerzfrei ist und die meisten Menschen kein Problem damit haben, eine Pille zu schlucken. Bei richtiger Anwendung sind unerwartete Nebenwirkungen äußerst selten. Außerdem ist das Verfahren kostengünstig und Zahnärzte müssen keine weiteren personellen oder materiellen Ressourcen in der Praxis vorhalten.

Wichtig ist allerdings, dass der Zahnarzt nicht nur aktives Wissen über die Pharmakologie der eingesetzten Sedativa hat, sondern auch Erfahrung im Umgang mit oralen Präparaten. Auskennen muss man sich beispielsweise mit den entsprechenden Latenzphasen zwischen Medikamenteneinnahme und Wirkungseintritt, und die korrekte Dosisfindung kann schwierig sein.

DZW: Und die Nachteile?

Mathers: Ein klarer Nachteil ist, dass die Sedierungstiefe während der Behandlung nicht bedarfsgerecht angepasst werden kann – und es besteht immer die Gefahr, dass ein Patient ungewollt bewusstlos wird. Zudem wirken die Medikamente meist über die Dauer der Behandlung hinaus, so dass eine Erholungsphase eingeplant werden muss. Patienten sind nach der Einnahme außerdem nicht verkehrstüchtig und dürfen nicht alleine entlassen werden.

DZW: Wie ist es bei der dentalen Lachgassedierung?

Mathers: Die inhalative Sedierung mit Lachgas ist ein sicheres und effektives Verfahren, das sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreut. Dabei werden über eine spezielle Maskenkonstruktion Lachgaskonzentrationen von bis zu 70 Prozent über den Mund eingeatmet. Üblich sind allerdings eher Konzentrationen zwischen 20 und 50 Prozent. Lachgas eignet sich besonders zur Anxiolyse bei ängstlichen Patienten, bei Patienten mit störendem Würge- und/oder Schluckreflex sowie bei längeren Behandlungen.

DZW: Welche Vorteile bietet die Lachgassedierung?

Mathers: Diese Sedierungsform ist dank einer modernen Generation von Applikationsgeräten sehr einfach in der Handhabung und Anwendung. Weil Sie die Sedierungstiefe durch Titration sehr genau kontrollieren können, ist ein versehentliches „Abrutschen“ in die Bewusstlosigkeit so gut wie ausgeschlossen. Eine potenzielle Übersedierung ist bei der fachgerechten Überwachung auch schnell zu erkennen: Der Patient bekommt einen strengen Blick, ist schlecht ansprechbar und nicht mehr in der Lage, den Mund offen zu halten. Dann braucht der Zahnarzt nur die Konzentration des Lachgases zu vermindern. Das Verfahren ist sehr sicher, Mortalitätsfälle in der Zahnmedizin sind nicht dokumentiert.

DZW: Und die Nachteile?

Mathers: In sehr seltenen Fällen klagen Patienten nach einer Behandlung über Übelkeit oder Schwindelgefühl, und nicht jeder Patient eignet sich für die Lachgassedierung.

Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung (COPD) beispielsweise sollten mit großer Vorsicht behandelt werden. Die Gabe hoher Sauerstoffkonzentrationen, die bei der Lachgassedierung obligat erfolgt, kann bei ihnen zum Atemstillstand führen. Seltene absolute Kontraindikationen sind Pneumothorax, Ileus und Vitrektomie.

Geistig Behinderte sowie Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen oder einer Verlegung der nasalen Atemwege eignen sich ebenfalls nicht für die Methode. Wegen der potenziell fruchtschädigenden Wirkung des Gases gilt dies auch für Schwangere, insbesondere im ersten Trimester. Allergien gegen Lachgas sind dagegen nicht bekannt.