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Wanted: „Helferin“! – Kann doch nicht so schwer sein

In der iNPUT!-Kolumne "frisch sondiert von ihm" beschreibt ein junger Zahnarzt – mit einem Augenzwinkern – seine Sorgen und Nöte, wenn eine neue Mitarbeiterin für die Praxis gesucht und gefunden werden will. Erfahren Sie mehr über realistische Anforderungen, überraschende Eingeständnisse und erste Eindrücke.

„Entfernen Sie bitte noch den Zahnstein!“ – „Woah, nee echt nicht! Das ist mir wirklich zu eklig!“ Schön, wenn man sofort merkt, dass man eine neue Mitarbeiterin gefunden hat, mit der man gemeinsam in eine glorreiche Zukunft starten kann.

Nichts stellte ich mir einfacher vor, weniges war bisher schwieriger. Die Anforderungen waren klar und in meinen Augen nicht unrealistisch hoch gesteckt: dynamisch, kommunikativ, teamfähig, gepflegt, humorvoll, hübsch anzusehen, geschickt, leise, 90-60-90 (IQ – Wochenstunden – Fingerlänge in Zentimetern), flink, kinderwunschlos, nickend und nach einem Hauch von Rose duftend, den Praxismief neutralisierend.

Kind beim Zahnarzt

ZFA-Ausbildung: Wenn die Qualität und das Gehalt stimmen, kann der Fachkräftemangel bei Zahnmedizinischen Fachangestellten überwunden werden.

Heimliche Leidenschaft für Titanschräubchen

Ihre ersten Sätze im Bewerbungsgespräch lauten logischerweise: „Darf ich denn auch mal samstags reinkommen und Ihnen beim Implantieren assistieren? Titanschräubchen sind meine heimliche Leidenschaft, müssen Sie wissen. Oder am Wochenende mal auf eine Fortbildung, das fänd’ ich total spannend! Ich habe neulich übrigens diesen Fachartikel über ‚Selective Etch‘ gelesen, könnten Sie mir dazu bei Gelegenheit noch ein paar Fragen beantworten?“

Mal nix zu tun zwischendurch? Sie schnappt sich „Ziff“ und poliert das Labor auf Hochglanz. Patient zahlungsunwillig? Sie argumentiert gekonnt und überzeugt jeden mit ihrem Perlweiß-Lächeln, wie unmännlich Ratenzahlung in Wahrheit doch sei. Ehekrise? Sie … kleiner Scherz.

Bloß nicht aufgeben

Kann doch nicht so schwer sein, so eine Dame zu finden. Denkste. Einige Ohnmachtsanfälle, fallen gelassene Sauger, scheppernde Trays, eingesaugte Zungen, meterweit daneben polymerisierte Füllungen und Stunden des Arbeitens in völliger Dunkelheit später bin ich kurz davor aufzugeben.

Was zur Hölle ist so schwer daran, einen Lichtkegel auf die distale Fläche eines 8ers zu werfen? Check ich nicht. Wie kann man ständig einen Kugelstopfer anreichen, wenn ich im nächsten Schritt doch offensichtlich mit einem Heidemann eine Fissur zaubern möchte? Mir unverständlich. Einen (!) Tropfen Bonding auf einem Wattepüschelchen platzieren? Nix da, da wird auf das Fläschchen gedrückt, dass die Flüssigkeit nur so durch den Raum spritzt. Aber ist nicht weiter schlimm, kostet ja kaum was, das Zeug – nur 15.600 Euro der Liter. Und wo es dann wirklich aufhört: Nach einem halben Tag Probearbeiten wegen „Kopfschmerzen“ das Weite suchen! Entschuldigung?! Hier ist ein Aspirin, Job or no Job?

Zahnmedizin? Anscheinend nur einen Tag spannend …

Man erlebt natürlich auch Positives bei der Personalsuche. „So spannend hätte ich mir Zahnmedizin gar nicht vorgestellt“, erklärte eine Bewerberin voller Begeisterung. Na schau, sie hat den Reiz des Berufs erkannt, dachte ich mir und wollte ihr am nächsten Tag direkt zusagen. Absaugen fand sie aber wohl doch nur für einen Tag aufregend. Sie ging nie wieder an ihr Handy, wenn unsere Praxisnummer in ihrem Display erschien. Und so etwas habe ich nicht nur einmal erlebt.

Liegt es an mir?

Liegt es also an mir, am Beruf oder an den Bewerberinnen? Ersteres ist selbstverständlich auszuschließen, Zahnärzte im Allgemeinen neigen ja nicht unbedingt zu ausgeprägter Selbstreflexion. Ich auch nicht.

Liegt es also an den Berufsanforderungen? Sicherlich muss man eine gewisse Affinität für Handwerkliches und Medizinisches haben und sollte gerne mit Menschen umgehen. Das vorausgesetzt, ist unser Arbeitsgebiet aber doch deutlich spannender, als stumpf Regale einzuräumen, Polyester-Pullover zusammenzulegen oder Fingernägel anzumalen. Und der Traumberuf „Modebloggerin“ ist im Netz mittlerweile wohl auch schon etwas überbesetzt …

„Halo Herr Dockter …“

Mangelnde Motivation der Generation Y? Möglicherweise, vielleicht aber auch einfach der fehlende Wille, sich bewusst für etwas im Leben zu entscheiden. Es könnte ja noch was Besseres kommen. Auch wenn es in den seltensten Fällen eine klare Vorstellung davon geben dürfte, was genau das eigentlich sein soll.

Ich werde jedenfalls nicht aufgeben. Und wenn ich die nächste Bewerbungsmappe aufschlage und mir ein „Halo Herr Dockter, …“ ins Gesicht springt, schaue ich gelassen auf das Schild an meiner Wand – „Du hast ein Problem? Gut, du lebst!“ steht darauf geschrieben.