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Zahl der Sitzungen stark reduziert, material- und prozesstechnische Vorteile
Abb. 1: Bei totalen Prothesen lassen sich heute sowohl die Basis als auch die Zahnkränze mit CAD/CAM-Methoden produzieren.

Abb. 1: Bei totalen Prothesen lassen sich heute sowohl die Basis als auch die Zahnkränze mit CAD/CAM-Methoden produzieren.

Für schnelle Leser

  • Mit CAD/CAM-Totalprothesen lässt sich die Sitzungszahl von zirka ünf auf bis zu zwei reduzieren.
  • Separate Funktionsabformungen entfallen bei einigen Systemen, dennoch scheint eine sehr gute Passung erreichbar.
  • Zähne und Gingiva lassen sich produktspezifisch unterschiedlich individualisieren.
  • Arbeitsprozesse verändern sich stark gegeüber konventioneller Technik, vor allem im Labor
  • Klinische Daten sind nur begrenzt verügbar, die Methodik wird aber von verschiedenen Seiten positiv beurteilt.
  • Fundiertes zahnärztliches und zahntechnisches Wissen und ausreichende Erfahrung sind weiterhin notwendig. 


In einer Reihe von Artikeln aus der „Quintessenz“ hat die Innsbrucker Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ingrid Grunert aktuelle CAD/CAM-Systeme für schleimhautgetragene Totalprothesen vorgestellt [1–3]. Mit diesen können die bisher fünf notwendigen Sitzungen auf zwei bis maximal vier reduziert werden. Der Zeitaufwand in Praxis und Labor lässt sich um ein Drittel oder sogar die Hälfte verringern. Bei einigen Systemen erfolgt keine separate Funktionsabformung. Kieferrelation und weitere anatomische Merkmale werden bereits in der ersten Sitzung ermittelt. Analoge und digitale Schritte greifen in sehr unterschiedlicher Weise ineinander.

Revolution und Evolution

Am nächsten an konventionellen Methoden ist die Digital Denture (Abb. 1). Hier wird in der ersten Sitzung mit konfektionierten Abformlöffeln anatomisch abgeformt. Die Löffel werden – wie beim analogen Totalprothesensystem von Ivoclar Vivadent – in derselben Sitzung mit einem Registriersystem verbunden und die Kieferrelation provisorisch bestimmt. Im zweiten Schritt wird mit gefrästen individuellen Löffeln funktionell abgeformt und die zentrische Relation mit einem Pfeilwinkelregistrat ermittelt. Hergestellt werden die Prothesen mit CAD/CAM-Methoden ohne Gipsmodelle und Artikulator im Labor.

 

Abb. 2: Je nach System können auch einzelne Zähne in der Software individualisiert werden.

Abb. 2: Je nach System können auch einzelne Zähne in der Software individualisiert werden.   

Auch bei Vionic erfolgen anatomische und funktionelle Abformung separat [3]. Die analogen Unterlagen einschließlich Registraten werden, wie bereits in festsitzender oder Teilprothetik üblich, für die Produktion der Prothesen digitalisiert. Anbieter Vita verwendet spezielle Konfektionszähne, die nach einem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ einzeln verklebt werden. Vor der Eingliederung ist eine Einprobe mit CAM-gefrästen Wachsprothesen möglich.

Verarbeitung und Material verbessert

Bei den Systemen Baltic Denture (Merz Dental) und AvaDent Digital Dentures (Global Dental Science Europe, in „strategischer Kooperation“ mit Dentsply Sirona) entfällt die Funktionsabformung. Alle klinischen Schritte vor der Eingliederung können in einer Sitzung erfolgen. Bei Merz Dental wird mit konfektionierten Standard-Aufstellungen gearbeitet, Einproben sind nicht vorgesehen. Bei beiden Systemen müssen die Übergänge zwischen Prothesenbasis und Zähnen nicht mehr bearbeitet werden, was viel Zeit spart.

Basen und Zahnkränze werden je nach System monolithisch aus PMMA-Scheiben CAM-gefräst und verklebt oder in einem Produktionsprozess hergestellt und die Zahnreihen bereits in Okklusion produziert. Die Kunststoffscheiben werden für optimale Materialeigenschaften unter Hitze und Druck hergestellt, so dass Porenbildung, Polymerisationsschrumpfung und Monomerabgabe entfallen. Daraus sollen eine exakte Passung mit weniger Druckstellen und eine gute Gewebeverträglichkeit resultieren [1]. Die Mukosaseite wird CAM-finalisiert, die Außenseite abschließend vom Zahntechniker bearbeitet.

Das Prothesendesign wird bei allen Systemen weitgehend am Bildschirm entworfen, die Zähne kommen zum Teil aus Bibliotheken. Zahnform und -stellung sind mit variablen digital-analogen Werkzeugen individualisierbar. Bei einigen Systemen kann zwischen CAD/CAM- und Konfektionszähnen gewählt werden. Auch die Weichgewebe lassen sich anpassen, sodass wie bei konventioneller Technik unterschiedliche ästhetische Ansprüche erfüllbar sind.

Abb. 3: Auch gelenk- und okklusionsbezogene Details sind in den Designprozess integrierbar.

Abb. 3: Auch gelenk- und okklusionsbezogene Details sind in den Designprozess integrierbar.

Fazit und Ausblick

Nach einer Studie zu Zweischritt-CAD/CAM-Vollprothesen sind Patienten und Zahnärzte zufrieden, Zahnärzte etwas weniger [4]. Interessant ist, dass die Passung offenbar auch ohne zweistufige Abformung, also ohne separate Funktionsabformung, zu stimmen scheint. Vielleicht gilt das aber nicht für alle anatomischen Voraussetzungen. Neben den material- und prozessbedingten Vorteilen könnten sich die in allen Systemen standardisierten Funktionsaufzeichnungen bewähren, die zum Beispiel mit den bisher seltener genutzten Pfeilwinkelregistraten erfolgen. Zahnmedizinisches und zahntechnisches Know-how bleiben also wichtig.

Als Hemmnis kann noch der relativ hohe Investitionsbedarf angesehen werden, der die Methode vor allem für größere Labore interessant macht [1]. In der Diskussion betont die Innsbrucker Arbeitsgruppe, dass ein intraoraler Scan der Weichgewebe den Prozess abrunden könnte, aber noch nicht funktioniert. Interessant ist auch die Möglichkeit, Gesichtsscans zu integrieren [5]. Insgesamt scheint die Methode sehr vielversprechend.


Hinweis: Beiträge in der Rubrik ZahnMedizin kompakt können in keinem Fall die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sind keine Behandlungsempfehlung, sondern sollen – auf der Basis aktueller Literatur – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.