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Abrechnung: Dreimal lautes Wiehern des Amtsschimmels

Erster Fall
Ein junger Beamter aus Düsseldorf erhält einen Beihilfebescheid zu einer Rechnung für konservierende Behandlung. Es wurden die Kosten für das Anästhetikum beanstandet: "Gemäß den Begründungen zur Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ist das bei den Leistungen nach den Nummern 0090 und 0100 verwendete Anästhetikum gesondert berechnungsfähig. Es ist davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rund 0,5 Euro verwendet werden. Der Preis von 0,70 Euro je Karpule wurde jedoch überschritten und kann beihilferechtlich nicht berücksichtigt werden."

Anmerkung: Es werden niemals 0,7 Karpulen verwendet, da angebrochene Karpulen entsorgt werden und der volle Preis dafür anfällt. Die volle Karpule hat einen Inhalt von 1,7 Millilitern.

Erste Reaktion: Der Preis erscheint extrem niedrig. Sofort taucht die Frage auf: Netto- oder Bruttopreis? Und welcher Betrag wurde eigentlich nicht erstattet? Darüber gibt der Bescheid vordergründig keine Auskunft. Also zuerst einen Blick auf die Rechnung werfen: Dort werden tatsächlich nur zwei Karpulen des Anästhetikums berechnet. Und das zu dem unglaublichen Preis von 0,71 Euro je Karpule. Ein Tippfehler? – Nein, der Gesamtpreis von 1,42 Euro ist unzweifelhaft und nach Anzahl der Anästhesien plausibel für zwei Karpulen angesetzt. Also ergeht der Nichterstattungsbescheid zu ganzen 2 Cent! Das ist unglaublich aber wahr. Und das ist noch nicht der komplette Wahnsinn.

In den sogenannten amtlichen Begründungen von Bundesregierung/Bundesgesundheitsministerium zur GOZ-Novellierung ist folgendes zu finden: "Bei der Ausgliederung der nunmehr gesondert berechnungsfähigen Anästhetika ist nach den Angaben der BZÄK davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung nach den Nummern 0090 oder 0100 durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rund 0,5 Euro verwendet werden."

Berechnet man den simplen Dreisatz: Wenn 0,7 Karpulen 50 Cent kosten, was kostet dann eine Karpule? dann bekommt man das Ergebnis 71,43 Cent, abgerundet 71 Cent beziehungsweise 0,71 Euro. Also der Beihilfebescheid für 2 Cent Mindererstattung auch noch basierend auf einem Rechenfehler oder auf mathematischer Dreisatzschwäche.

Schaut man in den gängigen Dentalkatalogen nach, wird schnell klar: Alle weisen Nettopreise aus und bei vielen kommen zum Beispiel bei Bestellungen bis zu 100 Euro Nettowarenwert Versand-/ Zustellkosten von zirka 5 Euro hinzu. Die Preise je Karpule bewegen sich tatsächlich um 50 Cent netto, es gibt allerdings auch teurere Produkte. Legt man einmal 5 Euro Versandkosten auf die einzelnen Karpulen für netto 100 Euro um (mind. 0,04 Euro/Karpule) und berechnet 19 Prozent Umsatzsteuer, dann wären das also mindestens 0,89 Euro je Karpule (inklusive anteilige Zustellkosten und Mehrwertsteuer). Das ist ein realistischer Bruttopreis für einfache übliche Anästhetika, also nicht die behaupteten 0,70 Cent. Fazit: Falsch rechnen und dann noch „netto“ mit „brutto“ verwechseln, das ist ein starkes Stück.

So würden beispielsweise für Ultracain D sine Adrenalin-Zylinderampullen in der Zehnerpackung inklusive Versandanteil brutto dann 0,94 Euro je Karpule vom Dentaldepot in Rechnung gestellt (ohne jeden unzulässigen "kalkulatorischen Kostenanteil"). Bei Bezug von mehreren Packungen "auf Vorrat" würde zwar der Versandkostenanteil entfallen, aber auf der anderen Seite würden Praxiskosten für fachgerechte Lagerung etc. entstehen. Da solche „Lagerhaltungskosten“ nicht mehr hinzukommend kalkuliert werden dürfen, kann andererseits vom Zahnarzt auch nicht gefordert werden, in preisgünstigeren größeren Mengen einzukaufen. Für größere Mengen gegebenenfalls angebotene Rabatte sind für den Zahnarzt ohne Interesse, da sie ausnahmslos weitergegeben werden müssen.

Zweiter Fall
Ein Beamter, nun in einem etwas südlicheren Bundesland, erhält eine schon umfangreichere zahnärztliche Rechnung über 903,38 Euro. In diese Summe eingeschlossen sind zwei Laborrechnungen, die inhaltlich in keiner Weise beanstandet werden. Jedoch ergeben die zwei Eigenlaborrechnungen addiert einen Betrag, der sage und schreibe einen Cent (0,01 Euro) höher ist, als die Angabe im Rechnungsfuß. Dort steht unter der Rubrik "Auslagen nach § 9 GOZ gemäß Eigenlaborbelegen" die Summe 234,17 Euro, die Addition der Laborrechnungen beträgt jedoch 234,18 Euro. Unzweifelhaft ein Fehler, aber mit welchen Folgen!

Die Aufstellung zum Bescheid der Beihilfe weist lapidar unter Position 7 und 8 "Material- und Laborkosten" die Einzelsummen der zwei Laborrechnungen mit den darunter befindlichen Endbeträgen auf und daneben 0,00 Euro für den jeweiligen Erstattungsbetrag in Höhe von 60 Prozent. Beim Nachrechnen erweisen sich beide Laborrechnungen stimmig inklusive 7 Prozent Umsatzsteuer-Berechnungen: Ein Cent zu wenig auf der zahnärztlichen Rechnung hat als Beihilfereaktion tatsächlich völlige Nichterstattung zu Folge.

Bescheid: "Die Aufwendungen können vorerst nicht berücksichtigt werden, da die Summe der Laborkosten (234,18 Euro) nicht mit dem Gesamtbetrag auf der Rechnung (234,17 Euro) übereinstimmt." Und so ein Bescheid wird mit Ernst und belehrenden Worten tatsächlich verschickt!

Der Berechtigte ist nicht erfreut. Erst auf Nachfrage bei der Beihilfe erhält er die Auskunft, die Rechnung müsse neu geschrieben werden. Das wiederum will die Rechnung ausstellende Zahnärztin nicht, denn sie hatte schon genug Mühe mit den sieben Seiten Rechnungslegung nebst Anlagen. Sie bietet daher an, den einen Cent zu erlassen, schriftlich und mit Unterschrift. Das aber will die Beihilfe nicht, denn dann würde daraus ein komplizierter Buchhaltungsvorgang mit Storno/ Gutschrift etc. Die Beihilfe erklärte daraufhin, dass ihr Einspruch zurückgezogen wird. Die Geschichte endete (vorläufig) damit, dass nunmehr der Rechnungsaussteller darauf drängt, dass seinem Vorschlag "förmlicher Erlass des einen Cents" gefolgt wird, ansonsten solle der Versicherte auf einem offiziellen Widerspruchsbescheid mit Rechtsmittelauskunft bestehen. Möglicherweise ergäbe sich dann zusätzlich ein Anspruch auf Schadenersatz für die Kosten, die aus dem Erstbescheid entstehen.

Dritter Fall
Eine Zahnärztin versucht das, was in letzter Zeit häufiger versucht wird, nämlich eine verordnungskonforme und stimmige Rechnung mit einer glatten Endsumme hinzubekommen. Diese glatte Summe, die mündlich oder sogar schriftlich vereinbart worden war, wie zum Beispiel 65 Euro Mehrhonorar für eine Kompositrestauration, wurde bei einer einfachen Rechnung für eine professionelle Zahnreinigung (PZR) zu einem diskussions- und verwaltungsmäßigen Albtraum.

Die PZR an 27 Zähnen mit dem angegebenen Faktor 1,65-fach endete auf der Rechnung mit der Zwischensumme 70,20 Euro. Die ist falsch, denn 70,16 Euro wären richtig gewesen nach Aufrunden von 70,1563 Euro. Die falsche Summe ergibt sich, wenn bei Bildung des Gebührensatzes entweder der Punktwert in Cent nicht mit seinen fünf Nachkommastellen benutzt wird (5,62421), oder wenn danach dieses Ergebnis fälschlicherweise zwischengerundet wird, also nicht erst das Endergebnis nach Multiplikation mit dem Faktor (hier 1,65).

Tabelle PZR

Unterhalb der aufgeführten fehlerhaften „Zwischensumme“ von 70,20 Euro stand auf der Rechnung die Endsumme 70,00 Euro, die zwischen Zahnarzt und Patient (Zahlungspflichtigem) fest abgesprochen war. Über diese Rechnungslegung erregte sich eine Beihilfestelle in einem östlichen Bundesland, übertrieben aber grundsätzlich zu Recht und danach war der Patient mit den 20 Cent Mehrbetrag nicht einverstanden. Es wurde ein methodischer Vorschlag zur Rechnungsänderung unterbreitet und eine Handhabe für vergleichbare Fälle aufgezeigt (Tabelle).

Das obige Beispiel eignet sich auch für die verordnungskonforme Rechnungslegung: Dann stünde bei "Begr." die Kennziffer für die zutreffende Angabe "Faktor gemäß Vereinbarung nach § 2 (1, 2) GOZ"