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Abrechnung: ILA indiziert, durchgeführt – und vergütet

Intraligamentäre Anästhesie
Die intraligamentäre Anästhesie bietet viele Vorteile gegenüber den herkömmlichen Anästhesie-verfahren, die in der zahnärztlichen Behandlung von Patienten mit Zahnarztphobie von großer Bedeutung sein können.

Die Abrechnung der „intraligamentären Anästhesie“ ist sperrig, bereits lange bevor es zu Rechnungslegung oder Abrechnung kommt: Was bedeutet „intraligamentär“? Ganz einfach? Dass in das Ligament eines Zahns ein sehr kleines Depot eines Anästhetikums mit gewissem Druck – vorsichtig und langsam – eingespritzt wird. Ins Ligament? Ist das „Ligamentum circulare“ in der supraalveolären Gingiva gemeint? Abgesehen davon, dass es sich bei diesem eingelagerten, zirkulären Bindegewebe-Fasergeflecht eigentlich nicht um ein Ligament handelt, wird selten gezielt nur in den Gingivasaum „intraligamentär“ injiziert.

Das „periodontale“ Geflecht der Sharpey'schen Fasern zwischen Wurzelzement und Knochen der Alveole ist gemeint. Das wäre dann eher als „intra-desmodontale Anästhesierung“ mittels einer „periodontalen Injektion“ zu bezeichnen. Die dadurch erzeugte Anästhesie breitet sich durch Druckinfiltration und Diffusion über den desmodontalen Spalt hinaus in die Zahnumgebung aus, was zum Beispiel bei der Zahnextraktion oder parodontal-chirurgischen Therapie erwünscht und notwendig ist.

Der Begriff hat sich eingebürgert, also bleiben wir bei an sich unzutreffender „intraligamentärer Anästhesie – ILA“, wohl wissend, wohin in der Regel dabei das Anästhetikum injiziert wird. Das ist berechnungstechnisch nicht ganz ohne Belang, wie sich zeigen wird.

Gemäß Paragraf 1 Absatz 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) hat der Zahnarzt immer wieder die ärztliche Entscheidung zu treffen, ob die von ihm durchgeführte Behandlung unter die Überschrift „Leistung nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich“ (notwendige Anästhesie) einzuordnen ist. Gehört die „intraligamentäre Anästhesie – ILA“ zu „Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgehen“ und „auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht“ werden (nicht notwendige Verlangensleistung)?

In dem Artikel von Prothmann M. Taubenheim L. Benz C.: „Die intraligamentäre Anästhesie in der zahnärztlichen Praxis – Metaanalyse der klinischen Erfahrungen von 1976 bis 2014“, Dtsch Zahnärztl Z 2016;71(2):136-45, wird das Fazit gezogen: „Die konventionellen Lokalanästhesie-Methoden – Infiltrationsanästhesie und Leitungsanästhesie des Nervus alveolaris inferior – sollten als ‚Goldstandard‘ für zahnärztliche Standardbehandlung in Frage gestellt werden.“

Es wird stattdessen dafür plädiert, wo immer durchführbar, den Patienten über die „intraligamentäre Anästhesie“ und ihre Vor- und Nachteile im konkreten Fall aufzuklären. Natürlich stößt die ILA auch an ihre Grenzen, zum Beispiel bezüglich ihrer Wirkungsdauer (ca. 30 Minuten) gegenüber (ca. zwei bis drei) Stunden bei Infiltrations- oder Leitungsanästhesie.

Bekannte und weniger bekannte Indikationen sind Phobiker- oder Kinderbehandlung (zum Beispiel unter Lachgassedierung), Lokalisierung von Schmerzirradiation, Patient mit Blutungsneigung, Nervschädigungsgefahr und/oder intravasale Injektionsgefahr, insbesondere bei kardiovaskulär kompromittierten Patienten (mehr zur Phobikerbehandlung am Schluss dieses Beitrags). Anzuführen ist unter anderem auch, dass die lokale Begrenzung und kurze Wirkung der „ILA“ die Selbstverletzungsgefahren unter Anästhesie bei behinderten Patienten senken.

Berechnung im Bema
Es wurde eine Anfrage zur Berechnung der intraligamentären Anästhesie vorgetragen. Zur Beantwortung der Frage für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung wurde auf die einschlägigen Abrechnungsbestimmungen des Bema verwiesen: Der sieht dafür die einmalige Abrechnung der Nummer 40 (I) vor und für den Ausnahmefall der Anästhesierung von zwei nebeneinander stehenden Zähnen die Berechnung der Nummer 40 je Zahn. Diese Abrechnungsbestimmung erwähnt den Fall mehrerer intraligamentär anästhesierter Zähne nicht.

Die Schlussfolgerungen, die daraus von Prüfungsausschüssen unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit bei der Indikationsstellung der nötigen Anästhesieform gezogen werden, sind unterschiedlich. Sie reichen von völliger Ablehnung der weiteren Berechnung von einzelnen intraligamentären Injektionen bis zur gegebenenfalls unabweisbaren Notwendigkeit von mehreren intraligamentären Anästhesien nach Nummer 40 (I) Bema in besonderen, darzulegenden Einzelfallgestaltungen. Wer Sozialrichter erlebt hat und wie sie am Wortlaut der Gesetze und Bestimmungen kleben und so auch urteilen, der wird ein Urteil erwarten, das verkürzt lautet: Ausnahmsweise zweimal, dreimal nebeneinander nie.

Berechnung im privaten Behandlungsvertrag
Bekanntlich hat der gesetzlich versicherte Patient jedoch die Wahl, sich alternativ auf seine Kosten privat behandeln zu lassen, wenn zuvor eine (schriftliche) Vereinbarung nach Paragraf 7 (7) Ersatzkassenvertrag Zahnärzte (EKV-Z) beziehungsweise Paragraf 4 (5) Bundesmantelvertrag Zahnärzte (BMV-Z) getroffen wird. Im privaten Behandlungsvertrag ist die „intraligamentäre Anästhesie – ILA“ eine Leistung nach Nummer 0090 GOZ „intraorale Infiltrationsanästhesie“. Diese Leistungsbeschreibung besagt, dass die extraorale Anästhesie nicht der Nummer 0090 unterfällt, aber jegliche Infiltrationsart und -weise zwecks Anästhesie innerhalb des Mundraums – auch die intraligamentäre Spezialversion der Anästhesie – vom Leistungsumfang der Nummer 0090 GOZ erfasst ist (MKG: Ä490 intraoral eher nicht).

Ansatzhäufigkeit
Die Berechnung einer intraligamentären Anästhesie nach Nummer 0090 GOZ erfolgt nicht je Einstich, sondern je selbstständige intraligamentäre Anästhesie, also je („Ligament“) Parodont beziehungsweise Zahn prinzipiell einmal: Eine intraligamentäre Anästhesie betäubt alle perossal, parodontal beziehungsweise periradikulär einstrahlenden Endverzweigungen auch von getrennten Nervästen und ist somit allenfalls nach Abklingen ortsgleich ein zweites Mal erforderlich und berechnungsfähig, mit entsprechender Rechnungsbegründung. Es heißt dazu in der GOZ, aufgeführt im Anschluss an Nummer 0100 (Leitungsanästhesie): „Wird die Leistung nach der Nummer 0090 je Zahn mehr als einmal berechnet, ist dies in der Rechnung zu begründen.“

Das bedeutet, dass eine erneute nötige „intraligamentäre Anästhesie“ begründet auch erneut nach 0090 berechnet werden kann. Oder begründet im Ausnahmefall die 0090 GOZ vielleicht auch dreimal. Ein Begründungsbeispiel: Hochschmerzhafte Pulpitis mit verkürzter Anästhesiewirkung der vestibulären Infiltrationsanästhesie, mit nötiger Ergänzung durch ein intraligamentäre Anästhesie und mit final nötiger intrapulpärer Injektion.

Nebeneinanderberechnung
Eine zusätzliche ILA bei hochschmerzhafter Pulpitis oder „Periodontitis“ als Ergänzung zur Infiltrations- oder sogar Leitungsanästhesie ist zahnmedizinisch vorstellbar.

Die intrapulpäre Injektion ist keine intraligamentäre, sie ist aber als eine selbstständige Injektion neben der intraligamentären Anästhesie durchführbar und berechnungsfähig, wie erwähnt mit entsprechender schriftlicher Indikationsbegründung auf der Rechnung.

Die intra-desmodontale Anästhesie erfolgt je Zahn als langsame Applikation/Injektion von ca. 0,2 ml Anästhetikum. Es wird zur intraligamentären Anästhesie häufig eine vierprozentige Articainlösung mit Adrenalin 1:200.000 verwendet. Das Anästhetikum selbst ist auf jeden Fall berechnungsfähig: „Bei den Leistungen nach […] 0090 […] sind die Kosten der verwendeten Anästhetika gesondert berechnungsfähig.“ Und diese Berechnung bitte immer nur für ganze Karpulen, da Reste nicht anderweitig verwendet werden dürfen. 

Auch vor der intraligamentären Anästhesie ist zur Unterdrückung des Initialschmerzes eine Oberflächenanästhesie zum Beispiel mit parodontal instilliertem Oraqix möglich, berechnet nach 0080 GOZ zuzüglich Oraqix-Verbrauch gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs/Beschluss Nummer 11 des Beratungsforums BZÄK/PKV/Beihilfe.

Zahnarztphobie als Sonderindikation der ILA
In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag von Adubae et al. heißt es: „Zahnarztphobie ist eine pathologische und unbegründete extreme Angst vor einer Situation, die in keinem Verhältnis zu den Anforderungen der Situation steht und zu einer Vermeidung der notwendigen zahnärztlichen Behandlung führt. […] Dies ist nicht nur bei Kindern, sondern auch ein bei einer nicht unerheblichen Zahl von Erwachsenen beider Geschlechter vorkommendes Phänomen. Etwa 5 bis 15 Prozent der Erwachsenen in den Industrieländern leiden unter Zahnarztphobie.“

„Die Zahnarztphobie stellt ein bedeutsames Hindernis für die zahnärztliche Betreuung dar und kann schwerwiegende Folgen für die Mundgesundheit und die sozioökonomische Lebensqualität der Betroffenen haben.“ (Extraktion unter ILA bei einer Phobie-Patientin, Adubae A, Buttchereit I, Kämmerer P. ZM 106, Nr. 5 B, 1.3.201:274-7)

Weiter heißt es dort: „Als Anästhesieform wurde die intraligamentäre Anästhesie gewählt, die sich im Rahmen einer in unserer Abteilung zurzeit stattfindenden klinisch-prospektiven Studie als eine gute und verlässliche Alternative zur Leitungs- und Infiltrationstherapie bei der Zahnextraktion bewährt hat.“

„Die intraligamentäre Anästhesie, bei der das Anästhetikum im parodontalen Spalt entlang der Zahnwurzel bis zum Foramen apikale diffundiert und bei der es gleichzeitig zu einer medullären Verteilung des injizierten Anästhetikums im Knochen des Alveolarkamms kommt, bietet viele Vorteile gegenüber den herkömmlichen Anästhesieverfahren, die in der zahnärztlichen Behandlung von Patienten mit Zahnarztphobie von großer Bedeutung sein können:

  • Der Injektionsschmerz ist bei der intraligamentären Anästhesie deutlich geringer als bei konventionellen Methoden der lokalen Anästhesie.
  • Die intraligamentäre Anästhesie hat praktisch keine Latenzzeit, sodass die Behandlung sofort nach der Injektion des Anästhetikums gestartet werden kann.
  • Mit der intraligamentären Anästhesie ist es möglich, die Betäubung auf den zu behandelnden Zahn und die angrenzende vestibuläre Gingiva zu begrenzen, ohne gleichzeitig die Lippe und/oder die Zunge zu betäuben.
  • Die Anästhesiedauer der intraligamentären Anästhesie ist im Vergleich zur Leitungsanästhesie deutlich geringer.
  • Sie ist geeignet bei besonderer Injektionsangst und Taubheitsangst (Erstickungspanik).“

Soweit aus dem Beitrag von Adubae et al. zum Einsatz der ILA bei Phobikern als Sonderindikation.