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Frontzahnbrücke auf Basis des präoperativen Scans

Computergestützte Workflows können implantatgetragene Versorgungen wesentlich erleichtern. Basis ist häufig ein Scan, der die intraoralen Oberflächen dimensionsgetreu wiedergibt. Im folgenden Bericht dient er zur Herstellung der temporären Klammerprothese und später zur Planung von Implantatpositionen, Abutment-Achsen und definitiver Frontzahnbrücke.

Dr. Frank Spiegelberg ist als Implantologie in Frankfurt a. M. tätig.

Digitale Implantologie sorgt nach aktueller Datenlage primär für schlankere Prozesse im Labor und dadurch potenziell für kostengünstigere Versorgungen [1]. Klinisch relevante Vorteile entstehen aber ebenfalls, zum Beispiel durch präzisere Implantatpositionen oder reduzierten Augmentationsbedarf [2, 3]. Der erste Punkt ist besonders in der Oberkieferfront relevant, wo ungünstige Implantatachsen zu Problemen führen können [4]. Diese gefährden das ästhetische Ergebnis und damit die unmittelbare Patientenzufriedenheit, aber auch den längerfristigen biologischen und technischen Behandlungserfolg.
Auch hier haben digitale Protokolle klare Vorteile. So können sowohl dreidimensionale Implantatpositionen als auch die Abwinkelung, Form und Größe der Restaurationen im Verhältnis zu den periimplantären Geweben geplant werden [5]. Während bei Sofortprotokollen in der Oberkieferfront ein erhöhtes Risiko für Gewebeverluste und ästhetische Einbußen besteht [6], ist dieses bei geschlossener Implantateinheilung und nach weitgehender Abheilung der Weichgewebe vor definitiver Versorgung besser kalkulierbar [7].

Temporäre Versorgung – fest oder abnehmbar

Unabhängig davon ist nach Zahnverlusten durch Unfälle oder Extraktionen vor allem im Frontzahnbereich eine sofortige temporäre Versorgung notwendig. Bei Sofortimplantation, ausreichender Primärstabilität und transgingivaler Einheilung kann diese unmittelbar im Anschluss festsitzend erfolgen. Wird später implantiert oder eine geschlossene Einheilung gewählt, ist ein anderer Ersatz erforderlich. Optionen sind situationsabhängig zum Beispiel zahngetragene Brücken, Tiefziehschienen mit Kompositauffüllung der zu ersetzenden Zähne oder Klammerprothesen.
Im nachfolgenden Patientenbeispiel nutzt das implantologische Team für die temporäre Versorgung einen intraoralen Scan. Aus dem resultierenden Datensatz wird zunächst eine Klammerprothese aus flexiblem Polymermaterial hergestellt. Im weiteren Verlauf dienen die Scandaten – in Verbindung mit dem Dicom-Datensatz des DVT – zusätzlich zur softwaregestützten Planung von Implantatpositionen und definitiver Brücke.

Fallbericht

Abb. 1:

Abb. 1: Ausgangsbefund: Bei einem 53-jährigen männlichen Patienten muss die metallkeramische Brücke von 11 auf 22 wegen tiefer Karies an den extraktionsreifen Pfeilerzähnen entfernt werden. An den Positionen 23 und 24 sind bereits Implantate vorhanden (vgl. Abb. 15). Der für die Behandlung aus dem Ausland angereiste Patient wünscht als Neuversorgung eine implantatgetragene Brücke, die der zahngetragenen exakt entspricht.

Abb. 2

Abb. 2: In der Praxis wird zunächst ein präoperativer Scan durchgeführt (3Shape). Das Bild zeigt die aus der Software-Darstellung isolierte intraorale Oberfläche. Der Datensatz wird im weiteren Verlauf zusammen mit einem DVT für das Design der temporären und definitiven Versorgung dienen. Weiterhin sollen beide Datensätze zur Planung von Implantatachsen und Einschubrichtung für die verschraubte Brücke dienen.

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 3 und 4: Der Zahntechniker designt in der CAD-Software (3Shape) eine temporäre Klammerprothese. Für die Herstellung wird zunächst ein Modell 3-D-gedruckt (Stratasys/dent-e-con) und einartikuliert. Das Prothesengerüst wird dann aus einem Hochleistungs-Polymermaterial (DentalPlus) CAM-gefräst und mit einem ebenfalls CAM-gefrästen Brückenanteil aus Komposit (Zähne 11 bis 22) verklebt. Am Tag der Extraktion wird die temporäre Prothese in die Praxis geliefert (Zahntechnik: Markus Dohrn, DCD, Frankfurt am Main).

Abb. 5

Abb. 5: Um die weitgehende Übereinstimmung deutlich zu machen, wird die Design-Darstellung der Klammerprothese aus der CAD-Software über das Foto der Ausgangssituation gelegt. Leichte Abweichungen sind projektionsbedingt.

Abb. 6:

Abb. 6: Das Bild zeigt die temporäre Brücke im Mund zirka zwei Monate nach Extraktion der Brückenpfeiler und Abheilung des Implantationsbereichs mit entsprechendem Geweberückgang. Am selben Tag wird ein digitales Volumentomogramm für die 3-D-Planung erstellt.

Abb. 7

Abb. 7: Auf der Basis des vorhandenen intraoralen Scans und der DVT-Aufnahme werden die Implantate in der Software geplant (3Shape). Das Bild zeigt die Planung des Implantats an Position 11 (grüne Linie) und die zugehörige Implantatachse (gelbe Linie). Die blaue Linie entspricht der Weichgewebsoberfläche und der lateralen Kontur der ursprünglichen Krone.

Abb. 8

Abb. 8: Die Darstellung der temporären Prothese (auf dem Modell) wird in der Software mit der Implantatplanung überlagert. Das Bild macht deutlich, dass die Oberfläche der temporären Brückenglieder auch für die Ausrichtung der Implantatachsen und damit für die definitive Brücke maßgeblich ist. Dargestellt sind die ausgewählten C1-Implantate (MIS), die aus der Software-Bibliothek in die Planung projiziert wurden. Die Implantatabmessungen betragen jeweils 3,75 mm (Durchmesser) und 8 mm (Länge).

Abb. 9

Abb. 9: In der Ansicht von inzisal/okklusal sind die unterschiedlichen Oberflächenanteile dargestellt: Rosa entspricht der Scan-Oberfläche der Weichgewebe, mittelgrau der Oberfläche der temporären Klammerprothese und hellgrau der Oberfläche der natürlichen Zähne und des Weichgewebes unter der temporären Brücke im Implantationsbereich. Auf der Basis der Planung wird eine Bohrschablone erstellt und die Implantate werden inseriert.

Abb. 10

Abb. 11

Abb. 10 und 11: Drei Monate später werden die Implantate mit einem offenen individuellen Löffel plastisch abgeformt. Auf Basis des eingescannten Modells wird im Labor das Emergenzprofil um die beiden Implantate in der CAD-Software definiert. Die rote Linie um Implantat 11 zeigt das Austrittsprofil auf Höhe des Weichgewebsrands, die grüne Linie die Projektion der Implantatachse auf Höhe der Inzisalkante der zu verschraubenden definitiven Brückenpfeiler (Ansicht des zu versorgenden Bereichs von kaudal).

Abb. 12

Abb. 12: In dieser segmentierten Darstellung ist die Form der Brücke im Verhältnis zu Kieferkamm und Nachbarzähnen erkennbar (inzisale Ansicht). Die Gradzahl zeigt die Abwinkelung der beiden Abutment-Schraubenkanäle für die geplanten implantatgetragenen Brückenpfeiler im Verhältnis zum Titan-Interface an.

Abb. 13

Abb. 13: Vorkonstruktion der definitiven Brücke im Verhältnis zur oralen Oberfläche und den Implantaten (C1, MIS), hier noch in der Darstellung als Einzelkronen.

Abb. 14

Abb. 15

Abb. 14 und 15: Die fertiggestellte monolithische Implantatbrücke in der Ansicht von bukkal und palatinal: Verwendet wurden nicht-rotationsgeschützte Titanklebebasen (Ti-Base Conical Connection, MIS). Die Gingivahöhe beträgt 1,5 mm für das Implantat 11 und 3,0 mm für das Implantat 22. Die Restauration besteht aus bemaltem, hoch transluzentem Zirkonoxid (Dentona) (Zahntechnik: Markus Dohrn).

Abb. 16 und 17

Abb. 16 und 17: Die Röntgen-Kontrollbilder zeigen die an den Positionen 11 und 22 neu eingebrachten Implantate sowie die bereits an den Positionen 23 und 24 vorhandenen.

Abb. 18

Abb. 18: Endbefund: Die implantatgetragene Brücke von 11 auf 22 entspricht ästhetisch und funktionell sehr weitgehend der früheren zahngetragenen Metallkeramik-Brücke. Der Patient ist zufrieden.

Diskussion

Digitale Methoden stehen in der Implantologie für effiziente, präzise und wirtschaftlich interessante Workflows [8]. In der Regel werden heute hybride Prozesse durchgeführt, mit unterschiedlichen Anteilen analoger und digitaler Schritte und variabler Nutzung virtueller, also softwaregestützter Methoden für die Planung und Konstruktion von Modellen, Abutments und Restaurationen [5]. Im Fallbeispiel erfolgte das Design von temporärer und definitiver Versorgung ebenso wie die Planung der Implantatpositionen und der Abwinkelung der Schraubenkanäle auf der Basis eines präoperativen Scans.
Damit die digital-basierte definitive Versorgung gelingt, müssen die Implantatpositionen sehr präzise ins Labor übertragen werden. Dies ist ebenfalls digital mit Scanbodies und intraoralem Scan möglich, wurde im Patientenbeispiel aber mit einer konventionellen Abformung durchgeführt.
Grund war unter anderem eine Blutung, die nach Exzision des Lippenbändchens nicht unmittelbar gestoppt werden konnte. Blutungen und bewegliche Weichgewebe im Scanbereich sind für die Scanner-Software schwierig einzuschätzen und erschweren damit digitale Abformungen [9].

Präzise Übertragung der Implantatpositionen

Als sehr günstig für die Gestaltung der Implantatbrücke erwies sich die Geometrie der Aufbauverbindung beim gewählten Implantatsystem (C1, MIS) [10]. Die konische Innenverbindung mit Innen-Sechskant und vor Kopf flacher Gestaltung führt zu einer fixen vertikalen Endposition. Zugleich lässt sich bei Bedarf eine klar definierte rotatorische Position erreichen. Dies gilt auch für ein weiteres Implantatsystem des Anbieters, das für marginalen Knochenerhalt ein im Schulterbereich reduziertes trigonales Design aufweist (V3, MIS) [11]. Im Patientenbeispiel wurden zum Erreichen einer gemeinsamen Einschubrichtung Titanklebebasen ohne Rotationssicherung verwendet.
Die Abwinkelung der Schraubenkanäle ließ sich in korrekter Beziehung zur Form der Brückenpfeiler in der Software festlegen (Abb. 10). Entsprechend konnte die monolithische Abutment-Brücke aus bemaltem Zirkonoxid ohne Probleme mit exakt geplantem Abstand zur Schneidekante verschraubt werden. Das Endergebnis erfüllt aufgrund der ungleichmäßigen Kieferkammkontur keine erhöhten Ansprüche an die weichgewebige Symmetrie [12]. Der Patient wünschte aber keine Augmentation, hat zudem eine tiefe Lachlinie und ist daher mit der erreichten, der Ausgangssituation entsprechenden Brückengestaltung sehr zufrieden.
Dr. Frank Spiegelberg, Frankfurt am Main

Literatur

[1] Joda, T., et al.; Clin Oral Implants Res 2016. 27 (11): 1401-1406.
[2] Fortes, J. H., et al.; Clinical Oral Investigations 2019. 23 (2): 929-936.
[3] Vermeulen, J.; Int J Oral Maxillofac Implants 2017. 32 (3): 617-624.
[4] Tetsch, J., et al.; Implantologie 2008. 16 (4): 371-382.
[5] Spiegelberg, F., et al.; ZZI 2019. 35 (4): 310-319.
[6] Kinaia, B. M., et al.; J Periodontol 2017. 88 (9): 876-886.
[7] Sanz-Sanchez, I., et al.; Clin Oral Implants Res 2015. 26 (8): 964-982.
[8] Joda, T., et al.; Int J Oral Maxillofac Implants 2015. 30 (5): 1047-1053.
[9] Vietor, K.; Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie 2018. 34 (3): 212-219.
[10] Delize, V., et al.; Clin Oral Implants Res 2019. 30 (9): 892-902.
[11] Linkevicius, T., et al.; Clinical Oral Implants Research 2018. 29 (7): 716-724.
[12] Furhauser, R., et al.; Clin Oral Implants Res 2005. 16 (6): 639-644.