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Corona-Impfung – Pflichtprogramm in Zahnarztpraxen?
Die Landesärztekammer Hessen sieht Impfungen als originär ärztliche Aufgabe an und lehnt Corona-Impfungen durch Zahnärzte ab.

Vor Kurzem machte ein Zahnarzt aus Bayern Schlagzeilen: Er teilte seinen Mitarbeitern mit, dass alle gegen Corona geimpft werden müssen. Wer die Impfung nicht möchte, werde ohne Gehalt von der Arbeit freigestellt. Einen Impf-Termin für alle hatte er bereits vereinbart.

Ärzte und Fachangestellte in Zahnklinken und Zahnarztpraxen zählen nach der Coronavirus-Impfverordnung zu den Personen mit höchster Priorität, die bereits jetzt Anspruch auf eine Schutzimpfung haben. Sie sind in einem Bereich tätig, in dem für eine Infektion mit dem Virus relevante aerosolgenerierende Tätigkeiten durchgeführt werden, und somit einem besonders hohen Infektionsrisiko am Arbeitsplatz ausgesetzt.

Die Corona-Schutzimpfung ist bislang freiwillig. Insbesondere im zahnmedizinischen Bereich werden aber viele Arbeitgeber ein großes Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeiter sich impfen lassen. Wie weit dürfen Arbeitgeber im Einzelfall gehen? Können sie ihre Angestellten zum eigenen Schutz und zum Schutz der Patienten zu einer Impfung zwingen? Welche Konsequenzen drohen Impfverweigerern und dürfen Arbeitgeber geimpfte Mitarbeiter bevorzugt behandeln?

Bislang kein Impfzwang – auch nicht im Arbeitsverhältnis

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Bundesregierung setzt auf die freiwillige Impfbereitschaft der Bürger. Eine Ausnahme gilt derzeit nur für die Masern-Impfung, die seit dem 1. März 2020 für bestimmte Berufsgruppen, etwa medizinisches Fachpersonal, verpflichtend ist.

Solange es keine gesetzlich angeordnete Impfpflicht gibt, gilt daher auch im Arbeitsverhältnis: Die Corona-Schutzimpfung ist freiwillig und kann vom Arbeitgeber nicht einfach angeordnet werden. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter aufgrund seines Direktionsrechtes zwar zu bestimmten Handlungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, anweisen. Zwangsimpfungen sind vom Direktionsrecht des Arbeitgebers allerdings nicht mehr umfasst. Eine Impfung stellt stets einen Eingriff in die körperliche Integrität des Einzelnen dar. Ein vom Arbeitgeber angeordneter Impfzwang würde das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer und ihre allgemeine Handlungsfreiheit in unzulässiger Weise verletzen und ist daher, selbst in besonders sensiblen Bereichen, wie Zahnarztpraxen, in denen Mitarbeiter einem hohem Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, nicht zulässig.

Sollten Arbeitgeber in Bezug auf die Corona-Schutzimpfung in die freie Entscheidungsfindung ihrer Mitarbeiter in unzulässiger Weise einwirken, kann dies für sie sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. Im Fall des bayerischen Zahnarztes prüft die Staatsanwaltschaft derzeit, ob etwa der Straftatbestand der Nötigung oder der Erpressung erfüllt sein könnte.

Die Frage, ob die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht gegen das Coronavirus rechtlich überhaupt möglich ist, kann derzeit noch nicht eindeutig beantwortet werden. Schließlich steht bislang nicht mit hinreichender Sicherheit fest, ob eine Impfung nur den Geimpften selbst oder auch Dritte vor einer Infektion schützt. Sollte sich herausstellen, dass die Corona-Schutzimpfung keine sterile Immunität bewirkt, sodass Geimpfte weiterhin das Virus aufnehmen und verbreiten können, dürfte die Einführung einer gesetzlichen Pflicht kaum rechtlich wirksam umsetzbar sein.

Eine Alternative: Impfbereitschaft mit Anreizen erhöhen

Aber auch ohne gesetzliche Impfpflicht haben Arbeitgeber verschiedene Möglichkeiten, die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeiter zu fördern. So können sie etwa dafür Sorge tragen, dass Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit in einem Impfzentrum impfen lassen können, ohne dass dies für sie mit Gehaltsausfällen verbunden ist.

Dem arbeitsrechtlichen Grundsatz „Ohne Arbeit, kein Lohn“ entsprechend, verlieren Arbeitnehmer für die Zeit ihrer Abwesenheit in der Regel ihren Vergütungsanspruch. Etwas anderes gilt, wenn der Termin im Impfzentrum für den Arbeitnehmer nicht frei verfügbar war, sondern von der Behörde fest zugeteilt wurde. In diesem Fall greift die Regelung in Paragraf 616 BGB. Es handelt sich dabei um eine Ausnahmevorschrift, wonach der Vergütungsanspruch ausnahmsweise bestehen bleibt, wenn der Arbeitnehmer „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“. In vielen Arbeitsverträgen wird die Anwendung dieser Regelung jedoch ausgeschlossen. 

Arbeitgeber, die die Impfbereitschaft ihrer Angestellten fördern wollen, sollten daher entsprechende Vereinbarungen im Arbeitsvertrag frühzeitig prüfen und Ausnahmen in Bezug auf die Corona-Schutzimpfung zulassen.
Darüber hinaus können Arbeitgeber die Impfquote in ihrem Betrieb mittelbar beeinflussen, indem sie geimpften Arbeitnehmern bestimmte Vorteile gewähren. Zu solchen Incentivierungen zählen zum Beispiel die Zahlung einer Impfprämie oder die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage. Um Missbrauch vorzubeugen, sollten Arbeitgeber sich vor Auszahlung einer Prämie den Impfstatus des Arbeitnehmers nachweisen lassen.

Auskunftsanspruch über Impfstatus

Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die Abfrage des Impfstatus durch den Arbeitgeber in anderem Zusammenhang nicht einschränkungslos möglich. Es handelt sich dabei um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten, die nach den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung nur unter strengen Voraussetzungen vom Arbeitgeber verarbeitet werden dürfen.

Um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden, sind im Infektionsschutzgesetz für das Gesundheitswesen jedoch bestimmte Ausnahmen vorgesehen. Paragraf 23a IfSG regelt, dass etwa Arbeitgeber in Krankenhäusern oder auch in Zahnarztpraxen die Impfbereitschaft ihrer Arbeitnehmer abfragen dürfen und diese auch zur Grundlage ihrer Entscheidung über die konkrete Art und Weise der Beschäftigung machen können.

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht grundsätzlich dafür verantwortlich sind, das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz so gering wie möglich zu halten.

Neben Maßnahmen des allgemeinen Gesundheitsschutzes, wie Hygiene- und Abstandsregelungen, sind Arbeitgeber daher auch dazu angehalten, den Betriebsablauf so zu organisieren, dass das Risiko einer Infektion so gering wie möglich bleibt. Gerade in Kliniken und Praxen, wo das Infektionsrisiko aufgrund des Patientenkontakts besonders hoch ist, kann es daher erforderlich sein, dass Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – je nach Impfstatus – jedenfalls zeitweise auf einen anderen, patientenfernen Arbeitsplatz versetzen.

Personenbedingte Kündigung als letztes Mittel

Sollte im Betrieb keine Möglichkeit bestehen, ungeimpfte Mitarbeiter vertragsgemäß zu beschäftigen, kann im Ausnahmefall eine ordentliche personenbedingte Kündigung in Betracht kommen. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung lässt eine solche Kündigung zu, wenn eine vertragsgerechte Beschäftigung aufgrund fehlender oder weggefallener persönlicher Eigenschaften nicht mehr möglich ist.

Die Zulässigkeit einer Kündigung ist aber stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und sollte daher nicht vorschnell ausgesprochen werden. Arbeitgeber sollten insbesondere prüfen, ob alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Einzelfall möglich und zumutbar sind.

Inka Müller-Seubert
Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland

Rechtsanwältin Inka Müller-Seubert

Inka Müller-Seubert ist Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie berät Unternehmen, vom internationalen Konzern bis zum mittelständischen Unternehmen, in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts.