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Berufsausübung in Zeiten von COVID-19

Zahnärztinnen

Rechtstipp: Was ist aktuell erlaubt?

Seit Beginn der Corona Krise steht die Frage im Raum, welche Behandlungen Zahnärzte noch durchführen dürfen und welche Einschränkungen faktisch gelten. Der nachfolgende Beitrag soll sich mit der Relevanz der Dentalbranche für den Gesundheitssektor befassen und einen Blick auf einzelne bundeslandspezifische Corona Verordnungen werfen.

Corona-Verordnungen der Bundesländer: Föderalismus lässt grüßen

Die Bundesländer sind vollkommen unterschiedlich mit der Einordnung von Zahnärzten unter die jeweiligen Corona Verordnungen umgegangen. Beispielhaft soll hier die Verordnung von NRW und die Verordnung von Niedersachsen miteinander verglichen werden. NRW hat Zahnärzte mit keinem Wort in seiner Coronaschutzverordnung (insbesondere in Paragraf 7) erwähnt und folglich deren Berufsausübung in keiner Weise limitiert.
Diametral anders wird dieselbe Berufsgruppe nur ein paar Kilometer weiter nördlich im Land Niedersachsen eingestuft: Paragraf 3 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus normiert, dass die Inanspruchnahme von zahnmedizinischen Versorgungsleistungen, sei es Arztberufe oder medizinische Behandlungen, nur zulässig sind, soweit dies medizinisch dringend erforderlich ist. Bemerkenswert ist, wie zwei Bundesländer die aneinandergrenzen, ein und dieselbe Berufsgruppe konträr bewerten: Der deutsche Föderalismus lässt grüßen und führt zu Ungleichbehandlungen sondergleichen.

Unbekannte Begrifflichkeiten

Die erste Frage ist zunächst: Welche zahnärztliche Behandlung ist denn nicht medizinisch dringend erforderlich? Gelinde gesagt handelt es sich beim Zahnarztbesuch nicht um eine Wellness Behandlung, dem man ähnlich einer Entspannungsmassage nachkommen möchte. Nein, der Zahnarztbesuch erfolgt stets unter der Prämisse, etwas für seine Zahngesundheit zu tun.
Die zweite sich aufdrängende Frage für einen Juristen ist: Woher kommt der Terminus „dringende medizinische Notwendigkeit“? Der Begriff ist für Medizinrechtlicher unbekannt, so dass nicht mit bekannten Auslegungsmethoden oder vergleichbaren Sachverhalten argumentiert werden kann. Juristisch wird mit der Formulierung daher absolutes Neuland betreten. Baden-Württemberg wählte beispielsweise den Terminus „akute Erkrankungen oder Schmerzzustände (Notfälle)“ im Paragraf 6a der dortigen CoronaVO, der rund drei Wochen nach seinem Inkrafttreten mit Wirkung zum 4. Mai 2020 aufgehoben wurde. Daran erkennt der sachkundige Leser schnell, dass hier am Reißbrett eine Verordnung gezimmert wurde, ohne Kenntnisse der Fachrichtung. Denn die Fachrichtung bleibt hinter solchen Formulierungen ratlos besorgt: Was konkret folgt denn nun daraus?

Die Relevanz der Zahnheilkunde

Sicherlich mag man die Zahnheilkunde nicht mit einer Intensivstation vergleichen können, wo es unstreitig täglich im allgemein Sprachgebrauch zu akuten Behandlungsfällen kommt. Gleichwohl führt der Zahnarzt Behandlungen durch, welche die GKV als erstattungsfähig ansieht. So muss die Regelversorgung laut Sozialgesetzbuch ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Daraus folgt weiter, dass die GKVen davon ausgehen, dass es sich bei den erstattungsfähigen Behandlungen im Rahmen der Regelversorgung stets um eine Lösung für ein zahnmedizinisches Problem handelt. Sprich: Alles was der Zahnarzt mit einer BEMA Ziffer abrechnen kann spiegelt ein zahnmedizinisches Problem wider. Wo ein zahnmedizinisches Problem vorhanden ist besteht folglich eine Behandlungsbedürftigkeit, welche die GKV als so relevant ansieht, dass sie im Umlageverfahren erstattet wird. Sprich: Der Zahnheilkunde wird also eine extrem hohe Relevanz für unsere Gesundheit im Allgemeinen zugesprochen.
Den weit überwiegenden zahnmedizinischen Behandlungen, die den ausschließlich kosmetischen Bereich (wie beispielsweise Bleaching) nicht tangieren, folgt demnach ein Erkrankungsbefund. Hier gilt es jetzt für den Zahnarzt abzuwägen, in wie weit eine Verzögerung der Behandlung zu einer Verschlimmerung der Gesamtsituation führt. Dies kann vom Behandler nur nach Risiken abgewogen und prognostiziert werden. Und muss wohl zugunsten der Behandlung ausfallen, unabhängig ob eine weltweite Pandemie herrscht und eine Veränderung der Lage kaum abzuschätzen ist. Denn: Das Wohl des Patienten muss im Vordergrund stehen und der Behandler kann zwar aus seinem Erfahrungsschatz greifen, aber kann wohl nur in den seltensten Fällen den ärztlichen Rat geben, ein behandlungsbedürftiges zahnmedizinisches Problem zu verschleppen. Zu groß sind die Risiken, dass sich das Krankheitsbild verschlimmert und der Behandlungsaufwand sich vergrößert und verteuert.

Die Auslegungshilfen aus BW durchaus sachgerecht

Die ministeriellen Auslegungshilfen aus Baden-Württemberg waren daher durchaus sachgerecht, weil sie pointieren, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes in jedem Falle vermieden werden sollte.
„Behandlungen, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwingend durchgeführt werden müssen, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes abzuwenden (etwa kosmetische Behandlungen), sind ausgeschlossen. Medizinisch notwendige zahnärztliche Behandlungen, insbesondere solche zur Vermeidung einer Verschlechterung des Gesundheitszustands im Falle chronischer Zahnerkrankungen, können durchgeführt werden.“
Zahnärzte sollten sich hierbei auch ihrer Zuordnung als Freier Beruf bewusst sein: Sie erbringen ihre Leistung eigenverantwortlich und fachlich unabhängig. Sofern die Anamnese (wie sonst auch) lückenlos geführt wurde und der Zahnarzt für sich die medizinische Notwendigkeit begründen kann, erscheint uns ein hypothetischer Rechtsstreit für mehr als offen. Ob es überhaupt zu Beschwerden oder Praxiskontrollen kommt steht nämlich in den Sternen. Zahnärzte sollten jetzt erst recht auf ihre besondere Stellung im Rahmen der Freien Berufe hinweisen und danach handeln.

Zahnärzte sollten sich dieser Relevanz bewusst sein

Wie oben dargelegt wird den Zahnärzten in unserem Gesundheitssystem eine sehr hohe Relevanz beigemessen. Diese Relevanz sollten Zahnärzte jetzt für sich nutzen und auf die Notwendigkeit ihres Leistungsspektrums hinweisen. Denn bei Zitierung von Prof. Frankenberger „sind zahnärztliche Maßnahmen nicht beliebig verschiebbar. Der bekannte Zusammenhang von Kardiovaskuläre Erkrankungen und Parodontitis ist ein Beispiel dafür, dass man studienbasiert der Zahnmedizin eine besondere Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung zuweisen kann.“
Hinzutritt die Schutzwirkung, die eine gesunde Mundhygiene auf unser Immunsystem ausstrahlt. Diese Schutzwirkung gilt es nun mehr denn je zu kommunizieren, weil ein starkes Immunsystem nicht nur vor dem Virus mit C schützt.
Dazu kommt, dass für Zahnärzte aktuell die Veränderungen in ihrer Arbeitsweise weniger tief greifend sind wie in anderen Branchen. In Zahnarztpraxen gelten schon immer umfangreiche Hygienevorschriften, die lange Zeit mit Praxisbegehungen kontrolliert worden sind. Der teilweisen medialen Meinung, dass der Zahnarztbesuch in Zeiten von Corona ein Risiko darstellt ist, muss vehement durch die Zahnärzteschaft widersprochen werden.

Fazit: Aus diffuser Unsicherheit wurde „neue Normalität“

Das Praxen ihren Betrieb Mitte März abrupt runtergefahren haben, um sich mit Schutzkleidung zu versorgen (von ausreichend möchten wir gar nicht sprechen) war nach der medialen Ausschlachtung mehr als verständlich, da die Gefahrenlage unklar war. Doch Jens Spahn hat es bereits formuliert: Wir haben uns recht zügig als Gesellschaft an die Vorgaben gewöhnt und werden noch auf unbestimmte Zeit mit dieser neuen Normalität leben müssen.
Jetzt die Praxis wieder auf Normalbetrieb zu bringen kann daher sehr gut kommuniziert werden: Denn aus den letzten Wochen konnte gelernt werden, wie sich das Virus überträgt; welche Personengruppen einem deutlich erhöhten Risiko unterliegen; welche gesonderten Schutzvorkehrungen getroffen werden sollten. Mit diesen Learnings kann nunmehr an die Patienten herangetreten werden und die Veränderungen im Betriebsablauf sachlich und nachvollziehbar begründet werden, so dass die Relevanz der Zahnärzteschaft weiterhin groß bleibt und das Vertrauensverhältnis zu Patienten weiter bestehen bleibt.