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Mehr Geld für die Erforschung des Coronavirus

Meldungen in den vergangen Tagen lassen aufhorchen, mehrfach wurde von (Teil-) Erfolgen bei der Suchen nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus berichtet. Die renommierte britische Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichte einen Beitrag über die Ergebnisse einer kombinierten Phase-I/II-Studie, die vielversprechend seien. Auch in Deutschland sucht man nach Wegen aus der Pandemie. So stärkt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Erforschung wirksamer Strategien und Therapien gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und die von ihm ausgelöste Erkrankung Covid-19. Die ersten Forschungsprojekte zu einem besseren Verständnis des Virus sind bereits gestartet.

“Die Biologie des Virus und seine Verbreitungswege noch besser zu verstehen, ist der Schlüssel für wirksame Therapien und weitere mögliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Gleichzeitig wollen wir untersuchen, wie sich die politischen Entscheidungen und sozialen Empfehlungen im Zusammenhang mit der Pandemie auf jeden einzelnen und unsere Gesellschaft als Ganzes auswirken. Dabei zählen wir auf Wissenschaft und Forschung. Mit ihrem Wissen und ihrem Engagement tun die Forscherinnen und Forscher ihr Bestes, um uns Schritt für Schritt zurück in die Normalität zu führen. Wir als Bundesforschungsministerium wollen ihnen daher die Rahmenbedingungen bieten, die sie für ihre Arbeit brauche", erklärt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek.
"Deshalb haben wir die ursprünglich vorgesehenen Mittel für unseren Förderaufruf zur Erforschung des Coronavirus jetzt verdreifacht. Wir wollen 45 Millionen Euro in knapp 90 herausragende Projekte investieren. Die geförderten Vorhaben decken ein breites wissenschaftliches Spektrum ab: Sie reichen von Grundlagenforschung über klinische Studien bis hin zur Analyse ethischer, rechtlicher und sozialer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Pandemie. Damit können wir uns mit aller Kraft den vielen offenen Fragen stellen, um die Eindämmung der Pandemie dauerhaft erfolgreich bewältigen zu können. Damit die Projekte in dieser Ausnahmesituation so schnell wie möglich starten können, galten für den Förderaufruf vom 3. März besondere Bedingungen. In einem besonders schnellen Verfahren wurden weit über 500 Projektideen von unabhängigen Expertinnen und Experten begutachtet.”

Hintergrund

Der am 3. März ergangene Förderaufruf basiert auf dem unbefristeten “Rapid Response Modul” der im Bundesanzeiger vom 15.02.2016 veröffentlichten Förderbekanntmachung des BMBF “Richtlinie zur Förderung eines “Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten”.
Dieses Modul sieht bei akut auftretenden Epidemien oder Pandemien gesonderte Fördermaßnahmen mit einem beschleunigten Förderverfahren vor. So sollen Forschende schneller als üblich Projektmittel erhalten können. Die Förderung ergänzt die bereits laufende Unterstützung des Ministeriums zur Impfstoffentwicklung und zur Stärkung der Universitätsmedizin. Beispielhaft sind die folgenden vier Projekte aus dem Förderaufruf:

CoronaCare (ELSA-Forschung)

Das Projekt untersucht, wie der soziale Austausch zum Beispiel in Gemeinschaften und Familien von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beeinflusst wird. Daraus werden Strategien und Empfehlungen zum Umgang mit Unsicherheit und Sorgen abgeleitet. CoronaCare wird als ethnographische Studie durchgeführt. Die Projektleitung hat Prof. Dr. Christine Holmberg vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg in Neuruppin.

OrganSars (Grundlagenforschung)

Um die Details einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-Cov-2 unter möglichst natürlichen Bedingungen erforschen zu können, lässt ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum menschliche Lungen-Organoide - also Organ-ähnliche Mikrostrukturen, die das Lungengewebe dreidimensional nachbilden - aus Stammzellen wachsen. Diese bieten ein verlässliches 3D Modell, mit dem sich komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen des Lungengewebes untersuchen lassen. Diese Technik ermöglicht es auch, Tests mit verschiedenen antiviralen Wirkstoffen im Hochdurchsatzverfahren durchzuführen. Die Projektleitung haben Privatdozent Dr. Thorsten Müller und Jun.Prof. Dr. Stephanie Pfänder von der Ruhr Universität Bochum. 

RECOVER (Klinische Studie)

Ziel dieser klinischen Studie ist es, die Wirksamkeit der Behandlung von COVID-19-Patienten mit Plasma von Menschen zu untersuchen, die eine COVID-19-Infektion überstanden haben und Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet haben. In die Studie sollen an COVID-19 erkrankte Patientinnen und Patienten mit einem schweren Verlauf eingeschlossen werden, die aber keine maschinelle Beatmung benötigen. Der Effekt einer Behandlung mit Plasma wird mit der standardisierten Behandlung verglichen. Es bestehen bereits Hinweise, dass Plasma von genesenen Personen die Sterblichkeit bei Patientinnen und Patienten mit SARS-, Ebola- oder Influenza-Infektionen verringern kann. Auch bei einzelnen schwerkranken Patienten mit COVID-19 wurde dieser Ansatz bereits getestet, systematische Ergebnisse aus klinischen Studien gibt es bislang aber nicht. Falls der beschriebene Ansatz erfolgreich ist, kann er als Blaupause dienen, um auch bei zukünftigen viralen Pandemien die Lücke zwischen dem Auftreten eines neuen Virus und dem Vorhandensein eines effektiven Impfschutzes zu überbrücken. Das Forschungsprojekt wird geleitet von Prof. Dr. Carsten Müller-Tidow und Dr. Claudia Denkinger von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 

COVID19HOSTaGE (retrospektive, epidemiologische Studie)

Die Krankheitsverläufe von COVID-19-Erkrankungen reichen von symptomfreien Verläufen bis hin zu schweren Lungenerkrankungen. Es ist bislang nicht bekannt, welche Faktoren den Schweregrad der Krankheit bestimmen. Das vorliegende Vorhaben untersucht den Einfluss genetischer Signaturen auf den Krankheitsverlauf, beispielsweise ob Blutgruppen für den Infektionsprozess oder die Schwere der Erkrankung relevant sind. Weiterhin wird untersucht, ob bestimmte genetische Signaturen eine Vorhersage der biologischen Mechanismen und damit auch von wirksamen therapeutischen Ansätzen erlauben. Grundlage für die geplanten Analysen bilden 5.000 Blutproben aus einigen der am stärksten betroffenen Regionen Europas. Die geplanten Arbeiten werden retrospektiv durchgeführt, sodass erste Ergebnisse bereits Ende August 2020 zu erwarten sind. Prof. Dr. André Franke von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist hierbei der verantwortliche Projektleiter.