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Erst kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

In den vergangenen Tagen wurde die ­Geschichte des Umgangs mit der Corona-­Pandemie einmal mehr um wenig erfreuliche Kapitel ergänzt. Es begann damit, dass sich in Politikerkreisen Ärger darüber breit machte, dass die vertraglich festgelegten Liefermengen des Impfstoffs von AstraZeneca nun doch nicht oder zumindest nicht im vereinbarten Lieferfenster erfolgen können.

Für sich genommen schon schlimm genug, hängt der immer noch zu langsame Impffortschritt in Deutschland doch entscheidend von ausreichender Verfügbarkeit ab. Mit diesen schlechten Nachrichten aus dem britisch-­schwedischen Konzern sah es dann auch mit den Plänen, die niedergelassenen Ärzte (und vielleicht endlich auch Zahnärzte?) in die Kampagne einzubeziehen, erst mal gar nicht gut aus. Ein Beginn der geplanten Ausweitung der Impfungen eben auch jenseits der bestehenden Impfzentren wurde von Anfang April auf Mitte April verschoben, jetzt heißt es immerhin ab 19. April.

Schwere Impfkomplikationen

Dann kam aber auch noch Pech dazu: Bei 13 Geimpften (Stand Freitag, 18. März) kam es in Deutschland zu schweren Impfkomplikationen, teils mit tödlichem Ausgang. Anlass für das Bundesgesundheitsministerium, am Montag vergangener Woche erst mal die Notbremse zu ziehen und die Impfung mit dem AstraZeneca-­Impfstoff vorerst auszusetzen. Ein herber Schlag für all diejenigen, die laut Impfverordnung in zweiter Priorität/entsprechender Altersgruppe genau mit diesem Impfstoff geimpft werden sollten.

Vergangene Woche dann schließlich das Statement der (überwiegend pharma-­finanzierten) europäischen Arzneimittelbehörde EMA, in dem nach Schnellprüfung an der Empfehlung des Impfstoffs festgehalten wird. Hauptargument: Der Nutzen übersteigt bei weitem das Risiko.

Folgen für die Impfbereitschaft

Dieses Risiko wurde versucht verständlich zu machen, indem wieder mal ganz große Zahlen (die der bereits erfolgreich Immunisierten) zu ganz kleinen Zahlen (die derjenigen mit gravierenden Impffolgen) ins Verhältnis gesetzt wurden. Trotzdem werden wohl die wenigsten ihre Entscheidung für oder gegen eine Impfung mit diesem Wirkstoff anhand von Wahrscheinlichkeiten treffen (sofern sie denn überhaupt eine Wahl haben), sondern aus dem Bauch heraus entscheiden. Für die Impfbereitschaft in Deutschland möglicherweise mit katastrophalen Folgen. Denn uns läuft die Zeit davon, weil jeder Tag ohne große Impffortschritte Menschenleben kostet. Immerhin werden Impfungen mit „AZ“ seit Freitag wieder fortgesetzt.

Man könnte jetzt analysieren, welche richtigen Entscheidungen und welche Fehlentscheidungen zu genau dieser Situation geführt haben. Nur eins: Davon auszugehen, dass es bei der großen Zahl von Impfungen mit unterschiedlichen Impfstoffkonzepten quer durch alle Altersgruppen keine unerwünschten und zum Teil drastische Konsequenzen geben wird, war ziemlich blauäugig. Es hätte nur geholfen, noch mehr Dosen aller (verfügbaren oder demnächst verfügbaren) Impfstoffe zu ordern und notfalls auch entsprechende Preise zu ­zahlen. Aber nachher ist man immer schlauer.

Bis dahin: Ab in den nächsten Lockdown

Was aber tun, um mal vorher schlauer zu sein? Spätestens jetzt ist es an der Zeit, ganz nüchtern das Gesamtpaket mit all den Strategien, Strategieänderungen, Kapazitäten und Nichtkapazitäten bis hin zu Infrastruktur, Logistik und Bürokratie im Zusammenspiel genauestens zu analysieren. Jetzt muss an die Zukunft gedacht werden. Denn das Argument, noch nie mit einer Krise dieses Ausmaßes konfrontiert gewesen zu sein, funktioniert definitiv nur einmal. Beim nächsten Mal sollte man in jeder Hinsicht besser gerüstet sein, von den Produktionskapazitäten dringend benötigter Güter bis hin zur analogen und digitalen Infrastruktur.

Wenn dann noch vernünftige (Krisen-)Kommunikation hinzu kommt, umso besser. Bis es soweit ist, gehen wir aber erst mal wieder in den nächsten Lockdown – oder fliegen nach Malle.