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Droht ein „Impfstau“?

Eine vollständige Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August sei möglich, wenn die Vertragsärzteschaft rechtzeitig in die Kampagne einbezogen werde, so die KBV.

Eine vollständige Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August sei möglich, wenn die Vertragsärzteschaft rechtzeitig in die Kampagne einbezogen werde, so die KBV.

Schon im März könnte die Kapazität der Impfzentren in Deutschland nicht mehr ausreichen, um alle verfügbaren Dosen gegen das Covid-19-Virus zu verimpfen. Schon dann, spätestens aber im April, müsse mit flächendeckenden Impfungen in den Arztpraxen begonnen werden. Ansonsten würde ab Mai eine Impflücke von wöchentlich mindestens drei Millionen unverimpf­ten Dosen entstehen. Diese könnte bis Juli sogar auf etwa 7,5 Millionen pro Woche anwachsen. Das resultiert insbesondere aus der zusätzlichen Verfügbarkeit des AstraZeneca-Impfstoffs.

KBV und Zi stellen aktuelle Modellierung vor

Bis zum 21. September 2021 kann nach Angaben der Bundesregierung von einer wöchentlichen Impfstoffverfügbarkeit von bis zu 9,7 Millionen Dosen ausgegangen werden. Die Kapazität der bundesweit derzeit rund 400 Impfzentren wird aktuell auf 1,4 Millionen Impfungen pro Woche (200.000 täglich) geschätzt. Selbst wenn diese um 50 Prozent auf 2,1 Millionen Impfungen (300.000 täglich) gesteigert werden könnte, würde die Durchimpfung der Bevölkerung etwa 450 Tage in Anspruch nehmen und wäre somit nicht bis Ende September 2021 zu schaffen. Die genaue Kapazität der Impfzentren soll bis zum 17. Februar 2021 ermittelt werden. Soll der verfügbare Impfstoff schnellstmöglich verimpft werden, könnten nach bisherigem Stand bereits ab Ende März mindestens 40.000 Praxen zusätzlich benötigt werden. Das zeigt eine aktuelle Modellierung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur nationalen Impfkampagne gegen das Coronavirus. Die wissenschaftliche Projektion des zukünftigen Impfgeschehens ist am Mittwoch im Rahmen der Bund-Länder-Konferenz von der Bundeskanzlerin und den Regierungsspitzen der Länder beraten worden.

Arztpraxen in Impfkampagne einbinden

Bis zu 75.000 der bundesweit insgesamt 102.000 Arztpraxen könnten sich nach Einschätzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an der Impfkampagne beteiligen, wenn dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind. „Ohne die zügige Einbindung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wird die Impfkampagne schon bald in einem gigantischen Stau nicht verabreichter, aber dringend benötigter Impfdosen stecken bleiben. Es wäre fatal, wenn nach dem ohnehin schon schwierigen Start mit viel zu wenig Impfstoff dann bei hoffentlich zeitnah größeren Impfstoffmengen diese dann nicht so schnell wie möglich verimpft werden könnten“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen.

Durchimpfung bis Ende August möglich

Rechnerisch ergibt sich auf Basis der erwarteten Impfstoffmengen die Möglichkeit einer vollständigen Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August, wenn die Vertragsärzteschaft rechtzeitig in die Kampagne einbezogen wird. Geht man für die Modellierung zunächst von rund 50.000 vertragsärztlichen Praxen aus, die im Schnitt mindestens 20 Impfungen pro Tag durchführen, resultiert ein Kapazitätspotenzial von mehr als einer Million Impfungen pro Tag und damit fünf Millionen Impfungen pro Woche in den Praxen. Dass die Vertragsärzte schnell in großer Zahl impfen können, belegen die Versorgungsdaten aus dem vergangenen Jahr. In den ersten drei Quartalen sind 3,5 Millionen Pneumokokken- und Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. Davon waren allein im September 1,8 Millionen Influenza-Impfungen. Auch im Oktober und November haben Praxen ähnlich hohe Impfstoffmengen bei den Apotheken abgerufen, sodass die Gesamtzahl aller Influenza-Impfungen 2020 in der Größenordnung von rund 20 Millionen liegen dürfte. Hinzu kommen weitere fünf Millionen Pneumokokken-Impfungen“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Impfpriorisierung nicht in Arztpraxen verlagern

Die Praxen seien darauf eingestellt, schnell eine große Gruppe von Patientinnen und Patienten zu impfen, das von der Politik vorgegebene Zeitziel bleibe aber eine Herausforderung, so der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. „Wird das Impfgeschehen sobald wie möglich in die Praxen verlagert, gibt es bundesweit mehrere Zehntausend wohnortnahe und leicht zu erreichende Anlaufstellen für alle, die sich impfen lassen wollen. Angesichts der Zusatzbelastung muss die schnelle Durchführung der Impfkampagne gegen Sars-CoV-2 für die Praxen aber auch attraktiv sein. Zudem darf die Impfpriorisierung nicht in die Behandlungszimmer der Arztpraxen verlagert werden. Die Dokumentation muss vereinfacht und die Verteilungswege für Impfstoffe und Verbrauchsmaterial müssen so angepasst werden, dass übliche Bestellroutinen nutzbar gemacht werden“, erklärte Hofmeister.