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Die Stimmung in der Pflege wird frostiger
Pflegebedürftiger Mann

Der gesellschaftliche Stellenwert der Pflege ist geringwertiger als der anderer Berufsgruppen, meinen 38 Prozent der Befragten des CARE-Klima-Index.

„Die Stimmung in der Pflegebranche ist im Vergleich zum Vorjahr weiter abgekühlt.“ Diese Schlussfolgerung zieht Stephanie Hollaus, Projektverantwortliche des CARE-Klima-Index Deutschland beim Befragungsinstitut Psyma Health & CARE GmbH. Für 2018 beträgt der Psyma CARE-Klima-Index 95,3. Damit ist das Klima im Vergleich zum Basisjahr 2017 um minus 4,7 Punkte abgekühlt. Die Ergebnisse zeigen: Die Pflege fühlt sich weiterhin nicht ausreichend von der Politik vertreten. 74 Prozent der Befragten geben an, dass der Stellenwert des Themas Pflege in der Politik nur von niedriger Relevanz sei und beurteilen ihn damit, angesichts laufender politischer Initiativen durchaus überraschend, um 5-Prozent-Punkte schlechter als im Vorjahr. Auch das gesellschaftliche Ansehen der Berufsgruppe schätzen die Befragten niedriger ein, die Wahrnehmung sinkt um weitere 10-Prozent-Punkte: 38 Prozent der Befragten meinen, der gesellschaftliche Stellenwert der Pflege sei geringwertiger als der von anderen Berufsgruppen.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Ursache könnte das Image des Berufes durch die schwierigen Arbeitsbedingungen sein, vermutet Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats e. V.: „Die schon chronisch hohe Arbeitsbelastung prägt die Stimmung der Berufsgruppe und immer mehr Menschen erfahren die Probleme hautnah.“ So entstehe auch der damit verbundene allgemeine Eindruck von der Versorgungsqualität. Denn während die Pflegeversorgung 2017 von 24 Prozent der Befragten als qualitativ mangelhaft eingeschätzt wurde, sind es 2018 bereits 29 Prozent. Unverändert skeptisch bleibt der Blick in die Zukunft: Wie im vergangenen Jahr gehen 42 Prozent der Befragten davon aus, dass die Pflegeversorgung in Zukunft nur teilweise sichergestellt ist. Sogar 46 Prozent gehen im Jahr 2018 davon aus, dass sie nicht sichergestellt ist, im Jahr 2017 lag dieser Wert noch bei 42 Prozent.

100.000 Stellen zusätzlich gefordert

Die Patientensicherheit beurteilt, wie auch im Jahr zuvor, die Hälfte der Befragten als „teilweise gewährleistet“. „Insgesamt sind bei den Pflegefachpersonen vor Ort bisher keine positiven Veränderungen im realen Arbeitsalltag zu spüren“, schlussfolgert Franz Wagner. Denn der Anteil derer, die „schlechte“ Werte für die Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen aussprechen, steigt weiter: Während 2017 bereits 51 Prozent der Befragten die Bedingungen als „schlecht“ beurteilten, stieg dieser Wert im Jahr 2018 auf 60 Prozent. „Deshalb – und um Vertrauen zu bilden – fordert der Deutsche Pflegerat insgesamt 100.000 Stellen zusätzlich zu schaffen und diese fest zuzusagen“, insistiert Franz Wagner. Eine klare Einschätzung finden die Befragten beim Thema personelle Ausstattung: 71 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass diese der gegenwärtigen Situation nicht gerecht wird. 25 Prozent meinen, sie wird ihr teilweise gerecht, lediglich 4 Prozent gehen davon aus, dass sie der momentanen Situation genügt. Weitere 76 Prozent aller Befragten glauben zudem nicht daran, dass der Bedarf in den kommenden Jahren gedeckt werden kann.

Wie steht es um die Beratungsqualität?

Die Versorgung bei einer Patientenüberleitung, beispielsweise beim Entlassmanagement oder der nachstationären Versorgung, bewerten fast alle Zielgruppen schlechter. Der Anteil derer, die sie „problematisch“ einschätzen, sinkt im Jahresvergleich um 11-Prozent-Punkte auf 44 Prozent. Weitere interessante Ergebnisse liefert auch die Frage nach der wahrgenommenen Beratungsqualität: Während die professionelle Pflege selbst mit 40 Prozent am häufigsten die Bewertung „gut“ erhält und mit 42 Prozent bei einer nahezu identischen Selbsteinschätzung landet, neigt der Rest der befragten Gruppen tendenziell zur Selbstüberschätzung. So bewerten mehr als 50 Prozent der Apotheker und Kostenträger ihre eigene Beratung „gut“,während die Fremdwahrnehmung bei den Apothekern bei 23 Prozent liegt, bei den Kostenträgern nur bei 12 Prozent (ohne Pflegestützpunkte). Hohe Übereinstimmung bei allen Befragten findet sich bei der Frage nach Einschränkungen durch eine häusliche Pflegesituation. Sehr hohe Einschränkungen gibt es in allen Bereichen: im persönlichen (38 Prozent), wirtschaftlichen (33 Prozent), beruflichen (39 Prozent), familiären (45 Prozent) und ganz besonders im mentalen (55 Prozent).

Signal an die Politik

Trotz der angespannten und mehrheitlich negativ bewerteten Lage sendet die Pflegebranche auch ein gutes Signal an die Politik: 86 Prozent aller Befragten stimmten in der Umfrage für die Ausweitung der Leistungen zur Pflegeversicherung – und immerhin 77 Prozent wären bereit, dafür auch einen höheren Beitrag zur Pflegeversicherung zu bezahlen. Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung zeigt sich erstaunt über die mehrheitlich kritischen Ergebnisse, stehe doch die Pflege ganz oben auf der politischen Agenda. Fachkräftegewinnung und eine langfristige Berufsbindung blieben aber zentrale Themen, die im Pflegealltag spürbare Verbesserungen erreichen müssten. Zudem brauche es eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Pflege,um den gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen: „Eines meiner großen Ziele ist es deshalb, die Aufgaben zwischen den Gesundheitsberufen neu zu verteilen. Die Gesundheitsversorgung der Zukunft werden nicht spezialisierte Einzelkämpfer bewältigen können, sondern interprofessionelle Teams, die es verstehen, über Versorgungs- und Professionsgrenzen hinweg zu arbeiten. Nur so werden wir erreichen, dass die Pflege in Zukunft in der Gesellschaft als das wahrgenommen wird, was sie ist – ein verantwortungsvoller und hochprofessioneller Beruf auf Augenhöhe mit den anderen Gesundheitsberufen“, so Andreas Westerfellhaus.


Der CARE-Klima-Index

Der CARE Klima-Index wurde vom unabhängigen Befragungsinstitut Psyma in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat e.V. und der Schlüterschen Verlagsgesellschaft als Veranstalter des Deutschen Pflegetags konzipiert und realisiert. Er ermittelt einmal jährlich die Stimmung im Zukunftsmarkt Pflege. Er bildet damit ein valides Stimmungsbild mit fundierten Trendaussagen ab. Nach der Erhebung im Basisjahr 2017, der eigentlichen Nullmessung, liegen mit den Ergebnissen aus 2018 Vergleichswerte zu allen Antworten vor, woraus erstmalig Indexwerte errechnet werden konnten. Befragt wurden insgesamt 2.226 Personen – darunter vor allem Pflegefachpersonen, zu Pflegende und ihre Angehörigen, aber auch Ärzte- und Apothekerschaft, Industrie und Kostenträger sowie Verbände und Kommunen.