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Digitalisierung: "Die virtuelle Praxis kommt"

Tablet
Christian Schuldt

Digitale Technologien verändern und prägen unseren Alltag. Längst scheint ein Leben ohne Smartphone, Tablet oder Navi kaum noch vorstellbar. Was die Gesellschaft im Privaten mit absoluter Selbstverständlichkeit nutzt, strahlt auch auf die zahnärztliche Praxis ab. Davon ist Christian Schuldt, studierter Literatur- und Gesellschaftswissenschaftler, Autor, Redakteur und Referent der Zukunftsinstitut GmbH, überzeugt.

Der Social-Media- und Smart-Business-Experte kennt die großen Trends von heute und morgen und zieht Rückschlüsse für die Beziehung zwischen Patient und Zahnarzt. Im Vorfeld der Internationalen Dental-Schau (IDS) beschreibt er den zu erwartenden Wandel für die Praxis in der Netzwerkgesellschaft. Das Interview mit ihm führte der Verband der Deutschen Dentalindustrie (VDDI).

VDDI: Herr Schuldt, Hand aufs Herz: Wird der Zahnarzt dem Patienten in Zukunft weniger in der Praxis als vielmehr beim Chatten begegnen?

Christian Schuldt: (lacht) Eine direkte Frage, die eine direkte Antwort verdient: Ja, die virtuelle Praxis kommt! Aber natürlich nicht in Reinkultur, denn selbstverständlich muss der Patient weiter persönlich erscheinen, um im Bedarfsfall behandelt zu werden. Auch noch so raffinierte digitale Medien können den physischen Zahnarztbesuch nicht komplett ersetzen, das liegt in der Natur der Sache.

VDDI: Und doch wird es eine Verschiebung hin zum virtuellen Kontakt mit dem Patienten geben.

Schuldt: Genau. Die Form der Zusammenarbeit mit dem Patienten wird sich verändern, und sie wird auch nicht zwangsläufig weniger. Denn dagegen spricht schon ein Megatrend, der neben der Digitalisierung ebenfalls fortschreiten wird: das wachsende  Gesundheitsbewusstsein, verbunden mit dem Wunsch, gut auszusehen. Dabei spielen auch gesunde und schöne Zähne eine Rolle. Die Begegnung mit dem Patienten findet eben nur nicht mehr so oft in der Praxis statt, sondern immer mehr auf einer virtuellen Ebene.

VDDI: Das klingt sehr überzeugt. Was macht Sie so sicher?

Schuldt: Sehen Sie, es ist schon im Kleinen bei Zahnarzt und Zahntechniker nicht anders, die beiden werden sich in Zukunft nicht mehr so oft sehen, wenn weniger physische Abgüsse als vielmehr digitale Daten von der Praxis ins Labor weitergegeben werden. Bezogen auf den Umgang mit dem Patienten reicht die Vernetzung, wir sprechen von Konnektivität,  aber noch viel weiter. Es entwickelt sich derzeit nicht weniger als ein neuer Gesellschaftstypus, die Netzwerkgesellschaft. Die Praxis wird ihre Patienten kontinuierlich auch auf digitaler Ebene betreuen. Das wird das gelernte Arzt-Patienten-Verhältnis verändern.

VDDI: Wie darf man sich das praktisch vorstellen?

Schuldt: Es ist wie ein organischer Prozess, der durch die neuen technologischen Möglichkeiten in Gang gesetzt wird bzw. wurde. Dass man zur Terminvereinbarung nicht mehr zum Hörer greifen muss, sondern eine SMS oder Email genügt, erscheint schon banal. Längst kommen Patienten auch durch Googlen vorinformiert in die Praxis. Ein hochauflösendes Foto zum Beispiel von einer Verletzung im Mundraum könnte ebenfalls schon heute mit einem Tastendruck in die Praxis gesendet werden. Und Zahnbürsten, die digitale Rückmeldung über die Mundhygiene geben, gibt es auch bereits. Noch weiter reichen die zahlreichen Apps mit Alert- und Tracking-Funktionen, die den persönlichen Gesundheitszustand überwachen und dokumentieren. Solche Formen der digitalen Vernetzung unterstützen ganz erheblich das Selbstmanagement des Patienten.

Apropos: Es verlangt einen Patienten, der diese Lösungen auch nutzt.

Schuldt: Stimmt, und von diesen Patienten wird es immer mehr geben. Der passive „Wellness“-Gedanke wandelt sich zu einem eigeninitiativen „Selfness“-Denken – und die „connected  healthcare“ liegt da ganz auf der Linie. Wahrscheinlich werden – vielleicht noch nicht morgen, aber übermorgen – Monitoring und Diagnose der eigenen Gesundheit absolut selbstverständlich sein. Inwieweit das speziell die Zahngesundheit betrifft, bleibt abzuwarten.

VDDI: Es lohnt sich also als Zahnarzt noch, sich etwa auf der kommenden IDS in Köln über die Ausstattung seines Wartezimmers oder Behandlungsraums nachzudenken?

Schuldt: (lacht) Ja klar, unbedingt. Ich kenne die Messe übrigens auch selbst, da zeigt sich eine Menge Innovationskraft, auch hinsichtlich interessanter Lösungen zur Vernetzung von Zahnarzt und Patient. Moderne Geräte zur Diagnose und Behandlung stehen dabei natürlich im Vordergrund – zu Recht, denn noch einmal: Für die genaue Befunderhebung und die anschließende Therapie geht wohl kein Weg am Praxisbesuch vorbei – auch in Zukunft nicht.

Weitere Informationen über Arbeit und Erkenntnisse der Zukunftsforschung gibt es unter zukunftsinstitut.de.

Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe des DZW Kompakt-Magazins, das es auch als ePaper zum kostenfreien Download gibt.