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Ein alternativer Weg zum „großen M“
Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Stellen Sie sich mal folgende Situation vor: Jemand ist in der Fußgängerzone zusammengebrochen, die Person ist schnell von einer – ratlosen – Menschenmenge umringt. Dann ertönt der (erlösende) Ruf „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt“. ­Vermutlich wird sich in der Menge Erleichterung breit machen, weil jetzt kompetente Hilfe vor Ort ist.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was dieses Beispiel soll, ein anderes Beispiel zur Erklärung: In der Ausgabe 8/2020 der „zm“ schildert eine angestellte Zahnärztin (und ausgebildete Rettungssanitäterin), wie sie dem Gesundheitsamt ihre wegen ­Corona-Kurzarbeit „freie“ Zeit zur Verfügung stellen wollte, sie aber mit dem (sinngemäßen) Satz „Was sollen wir denn mit einer ZAHNärztin anfangen?“ abgewiesen wurde.

Vorurteile gegenüber Zahnärzten, die als Ärzte offenbar nicht ernstgenommen wurden, beherrschten in der Anfangszeit der Krise wochenlang die (berufs-)politische Diskussion. Prof. Dr. Roland Frankenberger befasste sich bereits Anfang April in einem Interview mit dem „Großen ‚M‘ in Zeiten der Corona-Krise“ und stellte wenig später in einem DGZMK-Statement zu Recht die Frage nach der „Systemrelevanz der Zahnmedizin“. Trotzdem konnte sich die „große“ Bundespolitik nicht dazu durchringen, der Zahnärzteschaft einen Platz unter dem Rettungsschirm zuzugestehen, der allen anderen Ärztegruppen selbstverständlich angeboten wurde.

Das „große M“ in der ZahnMedizin und ihre öffentliche Wahrnehmung ist nach wie vor Thema in zahlreichen Diskussionen. Vor dem Hintergrund, dass die neue Approbationsordnung Corona-bedingt um möglicherweise ein Jahr verschoben werden muss, bleibt aber jetzt aber vielleicht noch etwas mehr Zeit, um die Bedeutung der Zahnmedizin als medizinisches Fach schon von der universitären Ausbildung her noch einmal ganz neu zu betrachten und das Projekt ZApprO noch einmal zu überdenken.

Genau das tut Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski, Professor und Direktor der Abteilung Struktur- und Entwicklungsbiologie an der Charité in Berlin, in seinem Beitrag „Brauchen wir noch eine Approbationsordnung für Zahnmedizin?“ . Er geht sogar so weit, den Sinn der traditionell separaten Approbationsordnung in Gänze zu hinterfragen. Er schlägt stattdessen vor, das Fach Zahnmedizin in eine Facharztrichtung umzuwandeln.

Was sich zunächst radikal anhört, entpuppt sich aufgrund nachvollziehbarer Argumente bei fortschreitender Lektüre als durchaus sinnvoll – und umsetzbar. Selbstverständlich würde ein derart radikaler Schritt Auswirkungen auf breiter Front nach sich ziehen. Der unsäglichen Diskussion um die medizinische Relevanz und der daraus abgeleiteten Systemrelevanz der ZahnMedizin jedenfalls wäre ein für alle Mal jeglicher Boden entzogen.

Aber nicht nur aus diesem Grund wäre eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Idee wünschenswert. Mit einem „Facharzt für Zahnmedizin“ oder „Facharzt für Oralmedizin“ auf der Basis eines humanmedizinischen Studiums könnte vielleicht angemessener der großen Bedeutung oraler Fitness – nicht nur in Zeiten der Corona-Krise – für den Gesamtorganismus Rechnung getragen werden. Der stetige Verständniszuwachs um das komplexe biologische System Mensch – angefangen bei der Mundhöhle – erlaubt aus diesem Blickwinkel eigentlich keine Alternative zum großen „M“, aber alternative Wege dorthin.