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Ganz gekauft ist halb angeschlossen
Telematik

Nach 15 Jahren der Untätigkeit liegt Deutschland nun laut EU-Kommission bei der „Digitalisierung öffentlicher Dienste“ auf Platz 21.

Lautes Klappern gehört zum Handwerk, so eine alte Binsenweisheit. Also wird allenthalben laut geklappert, wenn es um die Telematikinfrastruktur geht. Die einen wollen den Druck im Kessel möglichst hoch halten, damit nach 15 Jahren Stillstand zumindest ein TI-Minimalstandard in Deutschland etabliert wird. Andere betätigen sich weiterhin als Bremsschuh und rufen regelmäßig nach Fristverlängerung.

Die Zahl der Briefe an Herrn Spahn, er möge hier doch einschreiten, ist mutmaßlich 5-stellig. Am lautesten klappert die KBV. Ihr Vorstand Dr. Thomas Kriedel wird nicht müde zu betonen, dass viele Ärzte noch keine Konnektoren bei ihrem PVS-Anbieter bestellen können, weil diese noch keine hätten. Damit bleibe das Risiko, dass nicht alle Ärzte bis zum Jahresende „allein aus logistischen Gründen“ ihre TI installieren könnten. Er fordert, die Frist „mindestens bis ins nächste Jahr hinein zu verlängern“. Er wäre auch kein guter Standesvertreter, wenn er das nicht sagte. Tatsächlich sind erst zwei Konnektoren zugelassen und nicht alle PVS-Anbieter mit einem eigen TI-Paket auf dem Markt.

Was nun? Was tun?

Nun gelingt dem noch CDU-Abgeordneten und Gesundheitspolitiker Tino Sorge eine Volte, die die verfahrene Situation mit einem Schlage in geordnete Bahnen überführen könnte. Sorge hatte jüngst mit einem CDU/CSU-Positionspapier zur Digitalisierung des Gesundheitswesen, den politischen Führungsanspruch in Sachen Digitalisierung deutlich formuliert. Das war ein klarer Warnschuss an die Selbstverwaltung und die Gematik. Kein Wunder. Nach 15 Jahren der Untätigkeit liegt Deutschland nun laut EU-Kommission bei der „Digitalisierung öffentlicher Dienste“ auf Platz 21. Das ist ziemlich weit hinten.

Sorge sagt, was längst alle wissen: „Im Markt für Konnektoren sehen wir noch immer kaum Bewegung. Gerade einmal eine Handvoll Hersteller bietet Komponenten für die TI-Erstausstattung von Arztpraxen an. Die groß angekündigten Preissenkungen bleiben aus. Stattdessen droht uns ein oligopolähnlicher Markt: knappes Angebot ohne echten Wettbewerb.“ Dann schlägt Sorge zwei zündende Direktmaßnahmen vor: „Ab sofort sollte bereits der Zeitpunkt der verbindlichen Bestellung des Konnektors ausschlaggebend sein für die Erstattung – und nicht erst der Moment der Inbetriebnahme. Sonst werden Ärzte für Verzögerungen auf Herstellerseite bestraft, die sie nicht zu verantworten haben. Parallel braucht es ein neues Expressverfahren der Gematik für die Zulassung neuer Konnektoren. Wir müssen schnellstmöglich die Anbietervielfalt erhöhen, um gesunden Preiswettbewerb zu ermöglichen.“ Ein pragmatischer wie kluger Vorschlag.

Ab Sommer werden voraussichtlich alle vier Konnektoren von der Gematik zugelassen sein. Bis Ende des Jahre sollten dann alle Praxen die Bestellung eines passenden TI-Pakets aufgeben können. Nachverhandelt werden müsste dann nur noch die Erstattungspauschle für das vierte Quartal. Derzeit liegt die Standartpauschale in diesem Zeitraum bei 2.882 Euro. Das wird nicht reichen, um kostendeckend zu sein. Hier muss nachgebessert werden, denn dann wäre die flächendeckende TI-Einführung bis Ende 2018 realistisch durchführbar.

Warum Sorge dann selbst weichspülerhaft und etwas populistisch nachschiebt: „Zu einer ehrlichen Debatte zählt zudem die unbequeme Wahrheit, dass wir die gesetzte Frist für den Rollout bis Jahresende kaum werden einhalten können. Es ist an der Zeit, mit Augenmaß über eine Verlängerung nachzudenken“, erschließt sich nicht wirklich. Vielleicht hat bei ihm auch jemand laut geklappert?