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"Gemeinsam sind wir stark"

Die Sommer-Akademie 2019 war wie immer eine gelungene Fortbildungsveranstaltung, die auch zum Netzwerken genutzt wird.

Die Sommer-Akademie 2019 war wie immer eine gelungene Fortbildungsveranstaltung, die auch zum Netzwerken genutzt wird.

Die Sommer-Akademie 2019 des Zahnmedizinischen FortbildungsZentrums Stuttgart (ZFZ) startete mit einem Vorkongress, der auch den Rahmen für den Festakt "25 Jahre DH in Deutschland" (ZFZ für die LZÄK Baden-Württemberg) bot. In seinem Grußwort hob Dr. Torsten Tamppert (Präsidenten der LZÄK Baden-Württemberg) die Vorreiterrolle der LZÄK Baden-Württemberg beziehungsweise des ZFZ bei der Fortbildung zur DH hervor und den besonderen Einsatz von Prof. Dr. Johannes Einwag, aber auch von Referenten und Mitarbeitern des ZFZ. Und auch Dr. Peter Engel (Präsident der Bundeszahnärztekammer) ließ es sich nicht nehmen, persönlich zu gratulieren. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr Syliva Fresmann (Vorsitzende der DGDH), die in ihrer Ansprache auf die Bedeutung jedes Einzelnen im Praxisteam hinwies und erste Ergebnisse der DGDH-Umfrage vorstellte.

Prof. Dr. Christof Doerfer

Prof. Dr. Christof Doerfer

Prof. Dr. Christof Dörfer (Kiel) eröffnete den Vortragsfreitag mit dem Thema „Parodontologie – Fundament moderner (Zahn-)Medizin“. Das Wort Zahn steht in Klammern, denn für Dörfer ist die Parodontologie als Blaupause für die (moderne) Medizin im Allgemeinen anzusehen. Warum? Sie zwinge dazu, biologisch, also evidenz- und erfahrungsbasiert zu denken und sei daher dynamisch. Sie hinterfrage Konzepte, binde den Patienten ein und fordere Kontinuität und Nachhaltigkeit. „Erkenntnis ist abhängig von Technologie, aber Erkenntnis ist auch abhängig von Vordenken“, so der Referent. Dörfer ging auf die Entwicklungen der Parodontologie in den vergangenen 25 Jahren ein. Vor allem in den Bereichen, die das Tätigkeitsspektrum der Dentalhygieniker betreffen, habe es substanzielle Weiterentwicklungen gegeben. Technik und Digitalisierung hin oder her, nach Dörfers Prognose wird der Beruf des Dentalhygienikers immer wichtiger, gerade mit Blick auf die personalisierte Therapie, die ein wichtiges Element der modernen (Zahn-)Medizin sei.

Priv.-Doz. Dr. Gernot Wimmer

Priv.-Doz. Dr. Gernot Wimmer

„Gesund beginnt im Mund“ – mehr als nur ein Schlagwort für PD Dr. Gernot Wimmer (Graz). In seinem Beitrag ging er auf den Zusammenhang von Parodontitis und Allgemeinerkrankungen ein. Den Fokus legte er dabei auf Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen und untergewichtige Frühgeburten. Als Ausgangspunkt betrachtete er Parodontitiskeime als metastasierende Faktoren, die ausgehend von der oralen Infektion in den Körper gelangen. Es gibt plausible Annahmen, dass Parodontitis Auswirkungen auf einen schlecht eingestellten Diabetes haben kann. Diabetiker sollten daher über die Zusammenhänge informiert werden. Auch der Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen sei biologisch plausibel. Parodontale Keime gelangen über den Blutkreislauf in die Arterien und wurden bereits in betroffenen Geweben nachgewiesen. Zu Beginn der Erkrankung könne eine Parodontitistherapie helfen, langfristig sei aber eine Änderung des Lebensstils zu empfehlen. Untergewichtige Frühgeburten seien die Hauptursache für Säuglingssterblichkeit und Folgeproblemen. Bezüglich des Zusammenhangs mit Parodontitis sei die Datenlage allerdings schwierig. Da Schwangere generell anfällig für parodontale Erkrankungen seien, sollte aufgeklärt werden.

Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz

Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz

Vorwärts immer, rückwärts nimmer? Im Vortrag von PD Dr. Christian Graetz (Kiel) ging es um Prävention, Therapie und Nachsorge parodontaler Erkrankungen und die Herausforderungen an das ganze Team – zu dem auch der Patient gehöre!
Die Devise: „Wir wollen auf der guten Seite der Macht bleiben“ – dabei spiele die Parodontitistherapie eine herausragende Rolle und dafür brauche es Dentalhygieniker, um die „Multikulti-Gesellschaft“ des oralen Biofilms zu organisieren. Dies fange im Kindesalter an. Planlos im Mundraum? Nicht mit den richtigen Mitteln. Kinder müsse man heute richtig ansprechen, zum Beispiel mit Apps (die allerdings unter Aufsicht zu benutzen seien). Man solle den Sinn und Zweck neuer Technologien jedoch auch hinterfragen (siehe Amabrush). Ein wichtiges Stichwort des Vortrags war die Individualprophylaxe: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen es nur wieder laufen lassen.“

Markus Koch

Markus Koch

Was machen Topsportler im Kopf? Das vermittelte Markus Koch (Baar-Ebenhausen), Mentalcoach, Kriminalhauptkommissar und ehemaliger Leistungssportler in seinem praktischen Vortrag. Nicht nur im Hochleistungssport können Mentaltechniken die Leistung nachhaltig verbessern. Daher ging es gleich los mit der „Denkmütze“ – einer „Wunderübung“ zur Konzentrationssteigerung. Koch erklärte anschaulich, wie man positives Denken im Alltag leben kann. Zum Beispiel, indem man morgens nach dem Aufwachen direkt für etwas dankbar ist oder vor dem Einschlafen an etwas Positives denkt. Eine weitere Praktische Übung: sich zentrieren. Denn nur wer geerdet sei, könne sein volles Leistungsspektrum zeigen. Auch hierzu gab es eine Mitmach-Übung. Außerdem sei regelmäßiges Gehirntraining ein guter Weg zu mehr Leistungsfähigkeit: Warum also nicht mal mit links Zähne putzen und im nächsten Schritt auf einem Bein? Geerdet, zentriert, mit positiver Energie und großem Applaus entließ das begeisterte Publikum den Referenten.

Prof. Dr. Josef H. Reichholf

Prof. Dr. Josef H. Reichholf

"Wer überleben will, braucht Partner", so der Biologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf (München), aber "eine satte Gesellschaft ist nicht unbedingt symbiosefähig. Er stellte zunächst einige Symbiosen aus der Pflanzen- und Tierwelt vor: So werden Wölfe beispielsweise von Kolkraben zu Hirschkadavern "herbeigerufen", weil die Raben mit ihrem Schnabel nicht durch die Hirschhaut kommen; Akazien beherbergen Ameisen, da diese Fressfeinde der Akazie fernhalten. Und auch mit Menschen gehen Tiere Symbiosen ein: So rufen Honiganzeiger-Vögel Menschen, die gelernt haben, auf diese Rufe zu reagieren, und fliegen auf Kopfhöhe zu den Nestern von Wildbienen. Diese Menschen nehmen sich den Honig, die Vögel bekommen dafür die Bienenlarven und das Wachs. Aber durch Symbiosen haben sich auch neue Lebensformen gebildet, wie zum Beispiel die Koralle, die pflanzenähnlich wurde, aber Tiere sind.
"Das Leben ist insgesamt eine Symbiose", so Reichholf und richtete den Blick wieder auf uns Menschen: Unsere "Mitbewohner" haben mehr Zellen als wir selber in uns haben", und auch unsere Bauchgefühl werde von Mikrobionen bestimmt.

Anton Reindl

Anton Reindl

Roboter als die Assistenten im Alter? Überwiegend noch Zukunftsmusik, aber laut Anton Reindl (wissenschaftlicher Mitarbieter und Doktorand an der Munich School of Robotics and Machine Intelligence an der TU München) sind wir "jetzt gerade in der Zeit, in der sich die Welt verändert" und "in der wir Künstliche Intelligenz und Robotic miteinander verbinden". Er zeigte auf, wie Roboter künftig auch in der Patientenbehandlung als Assistenz einsetzbar sein werden.
Reindl stellte den Roboter Garmi vor, der in naher Zukunft im Alltag, in der Kommunikation und der Gesundheit seinen Dienst leisten soll. Auch wenn Robotor noch nicht ganz so weit seien – zum Teil könne man sie schon in kleineren Servicebereichen einsetzen. Auch wenn derzeit schon daran gearbeitet werde: Noch fehle den Robotern die taktile Fähigkeit – "die Hand ist noch nicht ersetzbar."
Auf eine Frage aus dem Auditorium, was am ehesten praxistauglich wird, antwortete Reinds: "Autonomes Fahren werden wir vor Garmi sehen!"

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann

Einen lockeren Abschluss des Fortbildungsfreitags bot Prof. Dr. Elisabeth Heinemann (Darmstadt). Die Informatikerin und Wissenschaftskabarettistin beschäftigte sich humoristisch mit der „digitalen Leichtigkeit des Seins“ und den Absurditäten der digitalen Welt. Dabei klärte sie wichtige Fragen des (digitalen) Lebens: Was macht ein Influencer, wenn Instagram down ist? Gibt es eigentlich sexy Zahnarzt-Influencer? Wozu braucht man Socken, die einem automatisch mitteilen, wann sie gewechselt werden möchten? Außerdem gestand „Frau Professor“ Siri mal ihre Liebe – inklusive Heiratsantrag. Siri gab ihr einen Korb: Der Endverbraucherlizenzvertrag sehe eine Ehe nicht vor. Trotz all des digitalen Unsinns war das Fazit der Kabarettistin: „Das Leben ist viel zu schön, um abgehängt zu werden!“

Dr. Steffen Rieger

Dr. Steffen Rieger

Der Akademiesamstag startete mit dem Thema „Biofilmmanagement mechanisch plus Chemie, Photodynamik & Co – sinnvoll oder überflüssig?“ Für Dr. Steffen Rieger M.Sc. (Reutlingen) war klar: Ohne Kürette und mechanische Belagentfernung geht es nicht. „Damit können wir sensationell viel erreichen.“ Die Frage sei aber: Was können wir mehr tun? Um diese zu beantworten, nahm Rieger Antibiotika, Antiseptika und die Photodynamische Therapie (PDT) unter die Lupe. In Sachen Antibiotika riet der Referent, „das Schwert mit Bedacht einzusetzen“. Bei der PDT sei die Datenlage inkonsistent. Der Goldstandard fehle noch und die PDT sei kein Ersatz für systematische Antibiotika. Bei der Gabe von Antiseptika komme es auf den Zeitpunkt an. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von PDT & Co. beantwortete Rieger mit Ja: im Rahmen einer aktiven Therapie und unterstützenden Parodontitistherapie (UPT).

 

Prof. Dr. Diana Wolff

"An Bioaktivität kommen wir heute nicht mehr vorbei", und auch in der Zahnmedizin hat sie schon Einzug gehalten, so Prof. Dr. Diana Wolff (Tübingen) in ihrem Vortrag "'Bioaktive' Restaurationen – Auch das Material 'denkt mit'!" In den vergangenen Jahren konnte zunehmend beobachtet werden, dass bioaktive Materialien auf den Dentalmarkt gekommen sind, so Wolff. "Die Palette erstreckt sich von bioaktiven Füllungs- und Bondingmaterialien bis über endodontische Zemente, die unter anderem Biofilmwachstum inhibieren und mit dem Organismus beispielsweise über Austrausch von Substanzen interagieren sollen." Sie zeigte auf, was diese Materialien derzeit schon leisten, aber auch, was sie künftig leiten könnten. Allerdings ist bislang vieles nur im Labor möglich, zum Teil auch, weil sich einige Zusätze gegenseitig behindern.

(von links:) Prof. Dr. Johannes Einwag und Prof_Dr_Christopher_J_Lux

(von links:) Prof. Dr. Johannes Einwag und Prof. Dr. Christopher J. Lux

Einem KfO-Thema widmete sich Prof. Dr. Christopher J. Lux (Heidelberg). In seinem Vortrag beschäftigte er sich mit Präventionskonzepten bei Multibracketapparaturen. Patienten mit Multibracketapparaturen seien Hochrisikopatienten, deshalb seien eine risikoanhängige Prävention und die Intensivprophylaxe wichtig – und die Aufklärung sowie Instruktion der (jungen) Patienten. Ein großes Anliegen dabei: Demineralisierung (White-Spot-Läsionen) verhindern. Der Referent riet dazu, eine erfolgreiche Behandlung mit einer Multibracketapparatur als Steilvorlage für die häusliche Prophylaxe zu nutzen. Für Lux selbstverständlich: „Die Verantwortung liegt beim Kieferorthopäden. Wir müssen den Zahnschmelz so hinterlassen, wie wir ihn vorgefunden haben.“

Dr. Yvonne Jockel-Schneider mit Prof. Dr. J. Einwag

Dr. Yvonne Jockel-Schneider mit Prof. Dr. J. Einwag

Prä- und Probiotika in der Parodontitistherapie war das Thema von Dr. Yvonne Jockel-Schneider (Würzburg), die Erfolge von Prä- (Salatsaft) und Probiotika (in Form von Lutschtabletten mit zwei Lactobacillus-reteri-Stämmen) erzielt hat. Sie berichtete ausführlich von einem Test mit 72 Marinesoldaten, die zweimal täglich eine Lutschtablette zu sich genommen haben. Die besondere Schwierigkeit: Bisher hatte man festgestellt, dass sich die Mundgesundheit während diesen Einsätzen verschlechtert hatte. Der Test habe gezeigt, dass die Lutschtabletten selbst bei Rauchern zu einer deutlichen Verbesserung geführt haben. Ein ausführlicher Bericht folgt in der FAN – FachAssistenzNews.

Der letzte Beitrag der Sommerakademie war einerseits unterhaltsam, entließ das Publikum aber auch nachdenklich. Dr. Elmar Ludwig (Ulm) berichtete über die Zustände von Menschen in deutschen Pflegeheimen. Die Zahl der multimorbiden Pflegebedürftigen steigt. Deshalb lautete Ludwigs Appell an seine zahnärztlichen Kollegen: „Machen Sie sich bereit für dieses Thema!“  Bei seinem Vortrag „Gesunde Zähne im Alter – alleine schafft‘s keiner“ ersparte der Referent seinen Zuhörern Fallbilder aus Pflegeheimen nicht. Diese zeigten, dass dringend etwas getan werden muss und dass Prophylaxe bei Pflegebedürftigen einen hohen Stellenwert einnehmen sollte. Deshalb setzt sich Ludwig für die Schulung von Pflegepersonal ein.
Damit das Publikum eine genaue Vorstellung davon bekam, ließ der Referent Prof. Dr. Johannes Einwag im Schnellverfahren altern: Mit Ohrstöpseln, einer speziellen Brille und Bandagen, die Arme, Beine und Hände versteifen, war Einwag nachher so gut wie bewegungsunfähig. Ludwig erklärte dann einer Assistentin, wie man einem Patienten in dieser Situation die Zähne putzt und dabei selbst ergonomisch arbeitet. Das Fazit: „Das Leben ist und bleibt endlich. Ich glaube aber, dass wir das beherrschen können.“

Nina Eckardt, Birgit Strunk