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Keine erfolgreiche Therapie ohne sichere Schmerzkontrolle

ILA-Spritzensysteme

Pistolenspritze für intraligamentale Injektionen, eingeführt in den 1970er-Jahren

Lokalanästhesie – ein ­tägliches Problem

Der Patient hat ein Problem – Schmerzen – und hofft, dass sein Zahnarzt ihm helfen kann. Der behandelnde Zahnarzt setzt eine Spritze – die nicht wirkt – und hat jetzt auch ein Problem.

Diese Situation wünscht man sich nicht, sie ereignet sich aber immer wieder – je akuter die Schmerzen, desto häufiger. Wie oft passiert es, dass ein Patient mit akuten Schmerzen zu seinem Zahnarzt kommt? Im simulierten Fall ist die Diagnose eindeutig: Irreversible Pulpitis des 37. Um dem Patienten seinen Zahn zu erhalten, ist die radikale Entfernung der Pulpa indiziert. Damit die angezeigte Behandlung – die Vitalexstirpation – für den Patienten zumutbar wird, ist sie unter Lokalanästhesie durchzuführen, was der Patient auch möchte – und damit fängt das Problem an.

Zahl der Anästhesieversager kann nur geschätzt werden

In Deutschland werden pro Jahr fast 16 Millionen Leitungsanästhesien des Nervus alveolaris inferior appliziert, die über die Kassen abgerechnet werden (KZBV Jahrbuch 2019). Hinzu kommen die privat abgerechneten Leitungsanästhesien. Wie hoch die Zahl der Anästhesieversager ist, kann nur geschätzt werden – im dargestellten Fall ist die Wahrscheinlichkeit eines Versagers mehr als 50 Prozent [1, 2].  

Bei den anderen 50 Prozent ist –  nach Ende der erfolgreichen endodontischen Behandlung – die Beeinträchtigung des Patienten noch lange nicht zu Ende: Artikulation und Mastikation sind noch Stunden eingeschränkt – und damit die Dispositionsfreiheit des Patienten.  

Die Ursache ist eindeutig: Die Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior, gelehrt an allen Universitäten, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Sie wird von – fast allen – praktizierenden Zahnärzten systematisch angewandt; statistisch mindestens eine pro Zahnarzt und Tag, mehr als 260 im Jahr.

Furcht vor Einstichschmerz und Taubheitsgefühl

Dass viele Patienten aus „Angst vor der Spritze“ nicht oder erst sehr spät zum Zahnarzt gehen, hängt auch mit der Beeinträchtigung durch die Leitungsanästhesie zusammen. Hinzu kommen noch der Einstichschmerz und das für den Patienten sehr unangenehme Gefühl der Taubheit von Lippen, Wange und Zunge – noch stundenlang nach Abschluss der Behandlung. Alle anderen möglichen Komplikationen sind ihm meistens gar nicht bewusst.

Bei der angezeigten Indikation – einer Vitalexstirpation – zur Erhaltung des Zahns ist ein Anästhesieerfolg nicht auszuschließen. Was aber macht ein erfahrener Behandler, wenn er nach einer zweiten oder dritten Überprüfung der Sensibilität feststellt, dass der zu behandelnde Zahn – im aktuellen Fall der 37 – nicht betäubt ist? Eine kurze Zwischenfrage: Was wird in solchen Fällen gelehrt? Im Schwenzer und Ehrenfeld (2008) kann man nachlesen: Bei einer apikalen Parodontitis führt eine zusätzliche intraligamentale Injektion vielfach zur Schmerzfreiheit [3]. Also: Keine weitere Leitung setzen, denn das Risiko, einen Nerv bei der Insertion der Kanüle zu treffen, ist unkalkulierbar; und ihn gegebenenfalls dauerhaft zu schädigen, ist nicht auszuschließen [4].

Zur Komplettierung des Leitungsanästhesie-Versagers also eine intraligamentäre Anästhesie versuchen. Gut aufgeräumt liegt die ILA-Pistole Ligmaject oder die Citoject (Abbildungen 1 und 2) in der Schublade, extra feine ILA-Kanülen sind auch griffbereit. 

Dosierhebelspritzen für intraligamentale Injektionen – Stand der Technik 1985

Abb. 2: Dosierhebelspritzen für intraligamentale Injektionen – Stand der Technik 1985

Und nun das bewährte Articain mit Adrenalin unter hohem Druck ins Ligament injizieren. Erstaunlicherweise reagiert der Patient schon gleich nach Ende der Injektion weder beim Kältetest noch bei Beginn der Behandlung – die intraligamentale Komplettierung war wirksam, wie von Schwenzer und Ehrenfeld beschrieben [3]. Die indizierte Vitalexstirpation konnte erfolgreich durchgeführt und der Zahn dem Patienten erhalten werden. Dafür wird der Patient seinem Zahnarzt sicher dankbar sein.

Und wie ist es mit den artikulatorischen und mastikatorischen Einschränkungen des Patienten? Die sind methodenimmanent – bei der Leitungsanästhesie – und der Patient wird diese noch einige Stunden ertragen müssen. Das beschriebene Szenario entspricht der Situation Ende des letzten Jahrhunderts.

Klinische Vergleichsstudien

Im Jahre 2020 ermöglicht es der Stand von Medizintechnik und klinischer Erprobung, die seit mehr als 100 Jahren bekannte Lokalanästhesie-Methode – die intraligamentäre Anästhesie – viel umfassender anzuwenden, als es noch vor 40 Jahren gelehrt wurde. 1983 erfolgte seitens der American Dental Association (ADA) eine ausführliche Darstellung der ILA, in der auch die – damals – noch offenen Fragen zu dieser Lokalanästhesie-Methode postuliert wurden [5]. Die seither durchgeführten klinischen Vergleichsstudien beweisen, dass die ILA die Leitungs- und auch die Infiltrationsanästhesie als primäre Methode der zahnärztlichen Lokalanästhesie zu einem sehr hohen Prozentsatz uneingeschränkt ersetzen kann, wie Benz et al. aktuell 2015 zusammenfassen [6].

Der Behandler hat den Nutzen, dass er viel weniger Anästhesieversager zu besorgen hat. Er kann zudem die Injektionswirkung sofort – ohne Latenz – feststellen. Der Patient wird seinem Zahnarzt dankbar dafür sein, dass er minimal-invasiv anästhesiert wurde: Nur ein Zahn betäubt – der, der zu behandeln war – und keine stundenlange Taubheit nach Abschluss der Behandlung. Ein zusätzlicher Nutzen für den Behandler: Die ILA ist nicht aufklärungspflichtig, weder über Risiken noch über Alternativen, da bei der Insertion der Kanüle weder ein Gefäß noch ein Nervenstrang getroffen werden kann; im Desmodontalspalt sind keine.

Nutzen für Behandler und Patienten

Das alles – die in den letzten 20 Jahren durchgeführten Studien und ihre Ergebnisse, die Methode der intraligamentären Anästhesie im Detail, der Nutzen für den Behandler und auch für den Patienten, aber auch die Grenzen und Komplikationen der ILA – wurde sehr ausführlich und verständlich in dem Fachbuch „Minimalinvasive Schmerzausschaltung – intraligamentäre Anästhesie“ beschrieben [7].

Die Autoren Glockmann und Taubenheim zeigen auch, dass sich das intraligamental injizierte Anästhetikum intraossär ausbreitet und sowohl die Wurzel des zu behandelnden Zahns analgesiert, aber auch die Nachbarwurzel des approximalen Zahns.

Es empfiehlt sich sehr, die intraligamentäre Anästhesie als primäre Methode dem Repertoire der eigenen praktizierten Schmerzausschaltung beizufügen.

Lothar Taubenheim, Erkrath

 

Literatur

[1] Glockmann, E.; Weber, M.; Taubenheim L.: Schmerzausschaltung vor Vitalextirpationen. Endodontie 16 (3), 197-204 (2007).
[2] Weber, M.; Taubenheim, L.; Glockmann, E.: Schmerzausschaltung vor indizierten endodontischen Behandlungen. ZWR deutsch Zahnärztebl 115 (10), 421-433 (2006).
[3] Schwenzer, N.; Ehrenfeld, M.: Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde Band 3: Zahnärztliche Chirurgie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2000.
[4] Heizmann, R.; Gabka, J.: Nutzen und Grenzen der intraligamentären Anaesthesie. Zahnärztl Mitt  84, 46-50 (1994).
[5] Giovannitti, J.A.; Nique, T.A.: Status report: the periodontal ligament injection. J Am Dent Assoc 106, 222-224 (1983).
[6] Benz, C.; Prothmann, M.; Taubenheim, L.: Die intraligamentäre Anästhesie – Primäre Methode der dentalen Lokalanästhesie. Deutsch Zahnärzte Verlag 2016, ISBN: 978-3-7691-2319-7.
[7] Glockmann, E.; Taubenheim, L.: Minimalinvasive Schmerzausschaltung - Intraligamentäre Anästhesie. Zahnärztlicher Fach-Verlag, Herne, 2010, ISBN: 978-3-941169-19-7.