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Nachwachsende Dritte – Utopie oder bald Realität?
Dr. Ayna

Dr. Mustafa Ayna setzt Stammzellen in der Behandlung ein.

 

Wie ist der aktuelle Stand der Stammzellenbehandlung und ihrer Anwendung in der Zahnmedizin? Diesem Thema widmet sich der Duisburger Zahnarzt Dr. Mustafa Ayna in einem Kapitel des neu erschienenen Buchs „Mesenchymale Stammzellen“. Welche praktischen Erfahrungen er in seiner Praxis gemacht hat und was in Zukunft alles möglich sein könnte, erläuterte Dr. Ayna DZW-Redakteurin Evelyn Stolberg im Interview.  

Dr. Ayna, Sie widmen sich im Buch „Mesenchymale Stammzellen“ der Stammzellenbehandlung und ihrer Anwendung in der Zahnmedizin. Worum geht es genau?

Dr. Mustafa Ayna: Vereinfacht gesagt geht es darum, durch patienteneigene Stammzellen die Wundheilung oder das Knochenwachstum zu stimulieren. Wir können zum Beispiel  Knochenersatzmaterial in der Anwendung freundlicher gestalten. Forschungen haben ergeben, dass die Durchsetzungsraten mit neu gebildeten Zellen bei veganem oder tierischem Ersatzmaterial nicht sehr hoch sind. Rindermaterial wird auch nach längerer Zeit nicht abgebaut, es werden nur neue Zellen um es herum gebildet. Besser ist es aber, wenn das Ersatzmaterial mit patienteneigenen Stammzellen benetzt und dann transferiert wird. Einige Kollegen und ich praktizieren diese Methode bereits. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es bildet sich schneller und mehr eigenes Knochenmaterial, die Prozesse werden also beschleunigt und die Regeneration ist deutlich schneller. Sogar bei Patienten mit Osteoporose oder Diabetes habe ich hier sehr positive Ergebnisse erzielen können. Die Wundheilung war dabei nach einer Woche so weit fortgeschritten, wie es sonst nach drei Wochen der Fall gewesen wäre. Wie Stammzellen eingesetzt werden können und welche Materialien man dafür braucht, beschreibe ich Schritt für Schritt in dem Buchkapitel.

Können Sie bereits Zähne nachzüchten?

Ayna: Bei Tierversuchen ist es 2009 japanischen Forschern gelungen, durch Gewebe, das aus dem Zahnbereich entfernt und Mäusen reimplantiert worden ist, einen natürlichen Zahndurchbruch zu bewirken. Auch in anderen Tierversuchen ist dies schon erfolgreich umgesetzt worden. Im europäischen Ausland werden Milchzähne bereits in der Hoffnung aufbewahrt, aus daraus gewonnenen Stammzellen später Zähne nachzüchten zu können. Das ist aber alles Zukunftsmusik, momentan sind wir noch nicht so weit. Allerdings sind wir schon in der Lage, Knochen und Zahnfleisch zu züchten.

In welchen Bereichen können Stammzellen in der Zahnmedizin eingesetzt werden? Und wie nutzen Sie dieses Wissen in Ihrer Praxis?

Ayna: Momentan ist es so, dass durch die Behandlung mit Stammzellen die Oberfläche von Trägerersatzmaterialien viel freundlicher gestaltet und die Wundheilung beschleunigt werden kann. Wir sprechen hier von der Biologisierung regenerativer Techniken. Die einfachste Methode, Stammzellen zu gewinnen, ist die Entnahme von venösem Blut. Aus etwa 40 bis 50 Millilitern gewinnen wir rund 10.000 bis 20.000 Stammzellen. Einschränkend muss ich jedoch sagen: Je älter der Mensch, desto geringer ist seine mesenchymale Zellaktivität. Es ist also nicht möglich zu sagen, dass die Methode bei jedem Patienten jeden Alters immer gleichermaßen erfolgreich ist. Der Prozess selbst – von der Blutabnahme über das Zentrifugieren bis zum Benetzen des Materials – ist in einer Sitzung möglich. Um Zeit und Wege zu sparen, befindet sich bei mir in der Praxis die Zentrifuge im Behandlungsraum. Die Patienten können den Prozess also mitverfolgen. 

Können Sie ein konkretes Beispiel aus Ihrem Praxisalltag beschreiben?

Ayna: Der erste Schritt ist, dass ein Patient zum Beratungsgespräch kommt. Das kann zum Beispiel wegen eines Sinuslifts der Fall sein. Bei der Aufklärung hat er die Möglichkeit zu sagen, ob er mit der Knochenentnahme bei sich selbst einverstanden ist. Falls nicht, kommt unterschiedliches Fremdmaterial infrage. Dann erkläre ich, dass die Heilung besser und schneller ist, wenn eigene Stammzellen bei der Behandlung verwendet werden. Wir entnehmen dafür das Blut aus der Vene, und nach etwa zwölf Minuten in der Zentrifuge ist das plättchenreiche Fibrin aufbereitet und die Stammzellen können auf das Trägermaterial aufgebracht werden. Hierbei kann sogar die Titan- oder Keramikoberfläche von Implantaten durch die Aufbringung dieser Stamzellen biologisiert werden. 

Arbeiten Sie alleine oder im Team?

Ayna: Wissenschaftlich arbeite ich eng mit meinen Kooperationspartnern Prof. Dr. rer. nat. Yahya Acil und Privatdozent Dr. Aydin Gülses zusammen. Gemeinsam haben wir den weltweit längsten Nachweis für Knochenaufbau mit Bio-Oss erstellt. Ebenfalls haben wir All-on-4-Studien durchgeführt, dokumentiert und veröffentlicht.

Wie sieht die Zahnmedizin der Zukunft aus?

Ayna: Meine Prognose: Es wird möglich sein, über Vorläuferzellen des Patienten einen Prozess in Gang zu bringen, der zum natürlichen Zahndurchbruch führt. Dafür müssten die Zellen im Knochen unter der Schleimhaut eingebracht werden. Die Schritte bis zum fertigen Zahn, die wir bei Kindern beobachten können, werden bei älteren Patienten wahrscheinlich Monate dauern. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir in etwa 30 Jahren so weit sein werden. Natürlich ist hier noch viel Grundlagenforschung vonnöten. Beantwortet werden müssen  etwa noch folgende Fragen: Wie differenzieren sich die Vorläuferzellen nur bis zu einem bestimmten Punkt zu Ende? Wie erhält der Zahn eine natürliche Form und Größe? Was muss beachtet werden, damit er nicht immer weiterwächst? Auch muss noch erforscht werden, ob man ein- oder mehrwurzelige Zähne generieren kann ... Es gibt also noch viel zu tun.   


Vita

Dr. Mustafa Ayna ist Spezialist für orale Chirurgie und Implantologie in seiner Heimatstadt Duisburg. Neben seiner Praxistätigkeit ist der Zahnarzt als Universitätsdozent an der Danube Private University Krems tätig. Er veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge und ist Gastdozent an der Ruhr-Universität Bochum.


Online finden Interessenten das Buchkapitel zum kostenlosen Download hier