Anzeige
„Die ganze Diskussion ist scheinheilig“
Dr. Daniel Wichels (Zahneins), Christopher Gau (Zahnarzt in Esens) und RA Jens Pätzold (Lyck+Pätzold)

Dr. Daniel Wichels (Zahneins), Christopher Gau (Zahnarzt in Esens) und RA Jens Pätzold (Lyck+Pätzold)

KZBV und die BZÄK lehnen durch Investoren finanzierte rein zahnärztliche MVZ konsequent ab. Verstärkt über den Bundesrat versuchen sie, auf das Gesetzgebungsverfahren zum TSVG Einfluss zu nehmen. DZW-Chefredakteur Marc Oliver Pick und DZW-Redakteur Dr. Helge David haben mit den in der Kritik stehenden Beteiligten gesprochen: Dr. Daniel Wichels, Gründer und Geschäftsführer der Zahneins-Gruppe,  Christopher Gau, Zahnarzt der Zahneins-Gruppe in Esens, Ostfriesland, sowie dem Rechtsanwalt Jens Pätzold, Rechtsanwalt Partner bei Lyck+Pätzold. healthcare.recht.

Interview zu investorbetriebenen Zahnarztpraxen

Stadt, Land, Zahneins: Wo steht Zahneins momentan?


Dr. Daniel Wichels: Zahneins hat derzeit 19 Standorte und gehört damit zu den größten ZMVZ-Betreibern in Deutschland. Gegründet haben wir uns 2016 – gemeinsam mit Zahnärzten. Etwa die Hälfte unserer Standorte befindet sich im ländlichen Bereich. Die Praxis von Herrn Gau in Esens in Ostfriesland ist ein wunderbares Beispiel, wie ein regionales Versorgungsmodell erfolgreich etabliert und wie auf dem Lande mit einer größeren Verbundstruktur Versorgung gewährleistet werden kann.


Herr Pätzold, was ist dran an der Kritik bezogen auf die ZMVZ-Standorte?


Jens Pätzold: Bei der Diskussion, ob ZMVZ-Praxen auf dem Land sind oder in den Ballungszentren, stellt sich mir die Frage, woher die kolportierten Zahlen eigentlich stammen. Wir haben bei uns in der Kanzlei auch eine Statistik zusammengestellt: Von den 162 ZMVZ, deren Gründung wir begleitet haben, sind 10 Prozent an ländlichen Standorten unter 5.000 Einwohnern. In Kleinstädten von 5.000 bis 20.000 Einwohnern sind es 22 Prozent und in Mittelstädten bis 100. 000 Einwohnern 37 Prozent. Nur 31 Prozent wurden in Großstädten über 100.000 Einwohnern gegründet. Das vorgebliche Argument, das immer wieder vorgebracht wird, ist, dass ZMVZ vorwiegend in den Ballungszentren entstünden und dass deshalb die Versorgung auf dem Land gefährdet sei. Kein einziges ZMVZ, das wir gegründet haben, ist neu entstanden. Das waren alles vorher bestehende Praxen, die einfach einen anderen zulassungsrechtlichen Status hatten. Insofern kann das auch auf dem Land nichts gefährden.


Herr Gau, gefährden ZMVZ die Versorgung auf dem Land?


Christopher Gau: Die Zahnärzte, die sich bei mir bewerben, haben eine ganz klare Vorstellung, ob sie in der Stadt oder auf dem Land, ob sie in größeren Strukturen oder in der Einzelpraxis arbeiten wollen. Was glauben denn die Standesvertreter, was sie ihnen vorschreiben können? Durch die Strukturen, die unser ZMVZ bietet, schaffen wir es, Zahnärzte auf das Land zu holen. Weil wir die Praxen modern gestalten und viele verschiedene Arbeitszeitmodelle anbieten.
Im Grunde ist diese ganze Diskussion scheinheilig. Wenn Sie täglich als Zahnarzt arbeiten, dann sehen Sie, wie die Einzelpraxen nebenan zumachen, weil kein Nachfolger kommt. Dann sehen Sie, was die jungen Zahnärzte wollen. Dann sehen Sie, dass die KZBV völlig am Thema vorbei redet. Das hat alles überhaupt nichts mit dem Praxisalltag zu tun. Es werden Unterschiede zwischen der Einzelpraxis und einem ZMVZ kreiert, die nicht vorhanden sind. Auch bei Gewinn und Rendite ist es genau das Gleiche – es gibt keine Unterschiede zwischen einer Einzelpraxis oder einem ZMVZ. Bei der Versorgung geht es immer um die Qualität. Wenn ich im ZMVZ eine schlechte Qualität biete, habe ich keine Patienten mehr – genauso in der Einzelpraxis.

„Investoren gleich Heuschrecken“ – stimmt das so?


Pätzold: Die viel zitierten „Heuschrecken“ investieren nicht in einen so anstrengenden und kleinteiligen Markt wie den Zahnarztmarkt. Als „Heuschrecke“ gehe ich in ganz andere Märkte. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Esens, wo sich die Praxis von Herrn  Gau befindet, ist ein gutes Beispiel. Da ist eine Praxis, die sieht in der Region immer mehr Praxen sterben. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Der Zahnarzt überlegt sich, die Praxis zu kaufen, und er finanziert sie selbst. Dann geht es zur Bank. Gesetzt den Fall, die Bank finanziert den Kauf, dann habe ich die Bank mit an Bord. Die hat übrigens auch Renditeerwartungen an die Praxis. Wenn die Rendite nicht stimmt, dann schickt die Bank Unternehmensberater, die dafür sorgen, dass sie stimmt. Wo ist denn da die Freiberuflichkeit? Bei Praxen, die in Schieflage geraten, gibt es keinen Spielraum für Freiberuflichkeit. Denen wird sehr genau vorgegeben, wie sie zu arbeiten haben, um wieder auf eine vernünftige Umsatzrendite zu kommen. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere ist, sich einen kapitalstarken Partner zu suchen, der das mit umsetzt. Dann kann sich der Zahnarzt auf die Zahnmedizin konzentrieren, ohne dieses große finanzielle Risiko einzugehen. Welcher Weg ist wohl für den Zahnarzt der bessere und entspanntere?
Wichels: Wir haben Zahneins aus einer unternehmerischen Aktivität heraus gegründet. Wir haben uns 2016 mit Herrn Gau und seinen Partnern – unseren heutigen Partnern – getroffen und festgestellt, dass es einen Bedarf gibt. Aus unternehmerischer Sicht können wir einen wichtigen Beitrag für die Versorgungssicherheit leisten und die Versorgungslandschaft mitentwickeln. Und das selbstverständlich mit einer Perspektive für die nächsten zehn Jahre. Aus unternehmerischer Sicht bewegen wir uns hier langfristig und nachhaltig. Meine Zielsetzung ist, dass wir hier in zehn Jahren wieder zusammensitzen und wieder ein Gespräch führen.

„Die künftige Generation wird bestimmen, wie die Zahnarztwelt aussehen wird“

„Die künftige Generation wird bestimmen, wie die Zahnarztwelt aussehen wird.“

Herr Gau, warum haben Sie ein ZMVZ gegründet?


Gau: Bei uns gab zwei Auslöser: Ich habe einen Partner, der ist Ende 50. Vor zwei Jahren sagte er: „In fünf Jahren höre ich auf.“ Unsere Praxis ist total erfolgreich, weil wir drei Partner sind – das ist ja in der zahnmedizinischen Landschaft eher selten. Unsere Praxis funktionierte über Jahre hinweg zu dritt. Wir haben dann sofort begonnen zu überlegen, wie wir unsere relativ große Praxis künftig weiterführen können. Wenn ich jetzt einen jungen Zahnarzt frage: „Willst du meine Praxis zum folgenden Preis kaufen?“, dann lautet die Antwort, dass er sich das nicht leisten könne und er auch gar nicht so viel arbeiten möchte. Also mussten wir nach einer anderen Lösung suchen. Eine fanden wir damals durch den Kontakt zu Herrn Pätzold und Herrn Wichels. Entstanden ist das, was jetzt als investorengetrieben dargestellt wird, in unserem Wartezimmer. Wir haben zu dritt überlegt, wohin sich unsere Praxis entwickeln kann. Der zweite Grund war: Wir sind in den letzten Jahren relativ schnell gewachsen und haben unsere Kapazitätsgrenze erreicht. Dann sahen wir, dass in Nachbarorten immer mehr Praxen schließen. Wir konnten an unserem Standort aber keine Patienten mehr annehmen, und einen Aufnahmestopp wollten wir nicht. Als Arzt will man seine Patienten behandeln – das ist unsere Berufung. Also haben wir überlegt, die Nachbarstandorte zu erhalten und die Fachmedizin an unserem Standort zu stärken. Dadurch konnten wir die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten. In so etwas muss man investieren. Eine KZV zahlt mir das nicht. Da mussten wir uns einen Partner suchen, der investieren will. Das war zu einer Zeit, als es noch keine Investoren hier auf dem Markt gab, den mussten wir dann erst suchen.


Was halten Sie vom Plusminus-Beitrag „Zahnarztpraxen als Renditeobjekt“?


Gau: Meiner Meinung nach war die Darstellung total unrealistisch. Investoren haben keine Ahnung von Zahnmedizin. Und wir als Zahnmediziner haben den Auftrag, frei mit dem Patienten über die Behandlung zu entscheiden. Wir arbeiten nach unserem Zusammenschluss eins zu eins so weiter wie vorher. Wir sind komplett frei, sowohl bei Materialien als auch der Behandlung. Noch nie hat sich irgendjemand erdreistet, uns vorzugeben, etwa mehr Implantate einzusetzen. Wir setzen Implantate, wo ein Implantat sein muss. Ein Investor hat einfach nur das Interesse, dass die Zahlen, die vorher gut waren, es auch weiterhin sind – wie jeder, der einen Betrieb führt. Wir haben ja auch mündige Patienten. Wir können nicht jedem Patienten eine 10.000-Euro-Behandlung vorschlagen. Das machen die nicht mit. Und wenn die Patienten das merken, dann suchen sie sich einen anderen Zahnarzt.
Diese ganze Diskussion macht keinen Sinn. Und dann gab es in dem Beitrag noch den Vorwurf, hier würde mit „Wohlfühlen“ geworben. Warum soll sich der Patient in der Praxis denn nicht wohlfühlen dürfen? Und dann wurde behauptet, Investoren werben mit Hochglanzvideos aus der Urlaubsregion. Das war unser Imagefilm, den haben wir vor fünf Jahren gedreht, als es noch keine ZMVZ gab. Eine solche Berichterstattung finde ich unlauter.

Pätzold: Was in dem Plusminus-Beitrag auch nicht beachtet wurde, ist, dass Zahnarzt ein Mangelberuf ist. Kein angestellter Zahnarzt muss sich diesem Druck aussetzen. Wenn es einem Zahnarzt in einer Praxis heute nicht gefällt, kann er sich morgen zwischen fünf neuen Angeboten entscheiden. Jeder in der Branche weiß, wie schwierig es ist, einen neuen Zahnarzt zur Anstellung zu finden. Also muss der Arbeitgeber sie gut behandeln und gut bezahlen, schon im eigenen Interesse.

Wie hängen Zahneins und die amerikanische Private-Equity-Firma „summit partners“ zusammen?


Wichels: Auf der Website von Summit wird das Investment in Zahneins offen kommuniziert. Wir haben uns damals gegründet, als es noch keinen Investor gab. Es gab die Idee von Herrn Gau und mir. Wir haben uns als Unternehmer zusammengeschlossen und ein regionales Versorgungsmodell entwickelt. Wir wollten eine größere, erfolgreiche Praxis als Hauptstandort nutzen und weitere Standorte anbinden – in Ostfriesland, einer der strukturschwächsten Regionen Deutschlands. Wir haben das große Potenzial für diese, aber auch ganz andere Regionen gesehen. Und das Interesse wurde uns aus anderen Regionen gespiegelt. Also wollten wir dieses Konzept weitertragen. Man kommt dann irgendwann zum Punkt der Finanzierung. Wir haben je Standort in Ostfriesland mehr als 200.000 Euro investiert. Irgendwann ist dann Wachstumskapital nötig. Da haben wir uns mit der Frage Bank versus Investor auseinandergesetzt. Am Ende haben wir uns entschieden, einen erfahrenen Investor mit an Bord zu nehmen. Damit haben wir keine Berührungsängste.


Wie entwickelt sich der Praxismarkt in den nächsten Jahren?


Pätzold: Wir haben auf dem „Zahnarztmarkt“ ein Zukunftsproblem. Durch die derzeitige Altersstruktur steht in den kommenden zwei Jahren in den alten Bundesländern jede fünfte Praxis zum Verkauf. Wir haben da einmal die Praxen, die nicht mehr verkäuflich sind. Und wir haben die sehr erfolgreichen Praxen.
Gleichzeitig haben wir die jungen Zahnärzte, die nachrücken, aber lieber als Angestellte arbeiten wollen. Die wollen gar nicht investieren. Wer soll diese Praxen denn übernehmen? Gleichzeitig gibt es die gesetzliche Aufgabe, die Versorgung nachhaltig sicherzustellen. Für die Diskrepanz von Angebot und Nachfrage braucht es also vernünftige Lösungsansätze, um der gesetzlichen Aufgabe gerecht zu werden, und die sehe ich auf Seiten der KZBV derzeit nicht. Vielleicht müsste man sich mit Menschen wie Herrn Wichels einmal ernsthaft zusammensetzen und analysieren, welche Optionen es gibt. Bei Herrn Gau war noch niemand aus der Standespolitik, um mal zu sehen, wie Versorgungssicherheit auf dem Land gewährleistet werden kann.

Gau: Wir fragen regelmäßig an den Universitäten, wer von den Absolventen eine eigene Praxis gründen möchte. Ergebnis: 80 bis 95 Prozent der jungen Zahnärzte möchten lieber als angestellte Zahnärzte arbeiten. Die wollen genau das, und diese zukünftige Generation wird bestimmen, wie die Zahnarztwelt von morgen aussehen wird.