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Was hat Kommunikation mit zahnärztlicher Ergonomie zu tun?
Die zahnärztliche Ergonomie bezieht sich auf alles, was getan werden muss, dass die Behandlung in gesunder Weise für das behandelnde Team und seine Patienten erfolgt.

Die zahnärztliche Ergonomie bezieht sich auf alles, was getan werden muss, dass die Behandlung in gesunder Weise für das behandelnde Team und seine Patienten erfolgt.

Kommunikation ist alltäglich und verläuft scheinbar selbstverständlich, sodass sie nicht weiter problematisch erscheint. Für die meisten Situationen reicht dies auch aus; es wäre zu aufwendig, die eigene Kommunikation ständig zu hinterfragen. Erst bei Missverständnissen und Misserfolgen, die mit Kommunikation in Zusammenhang gebracht werden können, wird Kommunikation problematisiert“ (Wikipedia, Stand: 13. November 2018). Haben wir in unserem Berufsstand solch ein „Kommunikationsmissverständnis“?
Ich denke, ja. Wie sonst lässt sich erklären, dass wir bei der Ausübung unseres Berufs wider besseren Wissens gegen grundsätzliche Regeln der zahnärztlichen Ergonomie verstoßen und dabei uns, unser Team und möglicherweise sogar unsere Patienten gesundheitlich schädigen? Meiner jahrzehntelangen Erfahrung nach scheint unter dem Begriff „Zahnärztliche Ergonomie“ ausschließlich die „lästige“ Forderung nach Einnahme und konsequente Beibehaltung einer ergonomisch korrekten Arbeitshaltung am zahnärztlichen Behandlungsplatz verstanden zu werden. Ergonomie ist aber mehr.
Diese Aussage lässt sich aus der Definition für den Begriff „Ergonomie“ der International Ergonomics Association ableiten (IEA, 2018). Von Hokwerda (2014) ins Zahnärztliche übersetzt, bezieht sich die zahnärztliche Ergonomie auf alles, was getan werden muss, um die Behandlung von Patienten effektiv und effizient verlaufen zu lassen, und dass es in gesunder Weise für das behandelnde Team und seine Patienten erfolgt. Hierfür ist Wissen in den Bereichen

  • der physischen Ergonomie,
  • der kognitiven oder mentalen Ergonomie und
  • der sozial-organisatorischen Ergonomie

erforderlich (IEA, 2018). Kommunikation spielt dabei auf verschiedenen Arten und Weisen eine entscheidende Rolle.

Physische Ergonomie

Um im Sinne der physischen Ergonomie Patienten erfolgreich behandeln zu können, ist es erforderlich, sich eine gute Arbeitstechnik anzueignen. Diese kann nur dann, intrinsisch kommunikativ, erfolgreich angewendet werden, wenn

  • das erforderliche Wissen über Workflows beherrscht wird,
  • die Fähigkeit vorhanden ist, um diese Abläufe zu visualisieren, sodass deren Bilder im Hirn gespeichert werden und mental animiert werden können, und
  • die richtige motorische Sensibilität für die Verwendung der Instrumente während der Behandlung vorhanden ist.

Dafür sind leistungsfähige Hände, der intakte Bewegungsapparat (die kinematische Kette), insbesondere eine intakte Augen-Hand-Koordination, und eine korrekte sitzende und stehende symmetrisch aufrechte Arbeitshaltung mit dem Ziel Voraussetzung, eine komfortable Arbeitsweise einzunehmen und muskuloskelettale Beschwerden zu vermeiden. Dies verlangt zur Durchführung einer lege artes Patientenbehandlung ein ständiges Nachdenken über

  • die Anpassung von Arbeitsmethoden,
  • einzuführende neue Entwicklungen und
  • die dafür erforderliche Fortbildung sowie
  • das auf Optimierung ausgerichtete Qualitätsmanagement
  • zur überlegten Verknüpfung von Altem und Neuem.

So wird Raum für eine eigene, authentische Arbeitsweise und ein ehrliches Engagement fürs Praxisgeschehen geschaffen, ohne Stress zu erfahren (u.a. Hokwerda, 2014)

Kognitive oder mentale Ergonomie

Um unsere Patienten adäquat behandeln zu können, ist es aus Sicht der kognitiven oder mentalen Ergonomie erforderlich, „selbstkommunikativ“ über Anpassungen auch der bisher erfolgreich angewandten Arbeitsmethoden nachzudenken oder gar durch neue Methoden zu ersetzen. Vorhandene und neue Erfahrungen müssen miteinander verknüpft werden. Dazu gehören auch Fortbildungen und ein entsprechend angepasstes Qualitätsmanagement. Dies alles fordert eine durchdachte Beschlussfassung bei minimaler mentaler Belastung.
Aus dieser Haltung heraus resultieren ein Stress- und Burn-out-Konzept zur Vermeidung einer zu hohen physischen Arbeitsbelastung, ein gutes Arbeitsklima, Ruhe und Aufmerksamkeit während der Behandlung, eine nachvollziehbare Entscheidungskultur, Evaluations- und Innovationsbereitschaft, Teamgeist und Selbstvertrauen (u.a. Hokwerda, 2014).

Sozial-organisatorische Ergonomie

Die sozial-organisatorische Ergonomie ist die Domäne der Teamarbeit. Sie zeigt Wege zu einer gesunden Arbeitsweise durch Management, Organisation, Kommunikation und Beratung und zum optimalen Praxisbetrieb. Zentral stehen hier alle Aktivitäten, die zu einer erfolgreichen Patientenbehandlung beitragen sollen – mit der Behandlungseinheit als essenzielles Element. Diese ist Teil einer durchdacht organsierten Arbeitsumgebung (workspace layout), welche die gewünschte Arbeitsweise ermöglicht; aus dieser ergibt sich quasi automatisch ein optimaler Workflow. Der Einsatz eines Managementinformationssystems oder einer Personalmanagerin kann hier Wunder wirken (u.a. Hokwerda 2014).

Jerome Rotgans

Schlussfolgerung

Ich konnte zeigen, dass die moderne Zahnarztpraxis ein komplexes, kommunikationsintensives System darstellt, das für den erfolgreichen Betrieb multiple Kompetenzen voraussetzt. Das „System Zahn­arztpraxis“ verlangt ein klares, systemergonomisch authentisches Organisationsmodell zur Vermeidung von berufsgebundenen Arbeitsrisiken. Die Abbildung zeigt in einem systemorientierten Beziehungsdreieck, welche situationsbezogene Faktoren dem Charakter des Organisationsmodells bestimmen. Je nach individueller Lage ist der dominierende Faktor

  • der Wissensstand des Zahnarztes über Ergonomie oder
  • der Stand der Praxisausstattung, vor allem der Behandlungseinheit, oder
  • die Konstellation der Mensch-­Praxis-Schnittstelle.

Wichtig ist es, dabei zu realisieren, dass mit Einflussnahme auf den situationsbezogenen Faktor Z der Faktor B und der Faktor M zumindest eine neue Betrachtung erfahren (müssen). Der Einfluss von Zeit und die sich aus einer länger andauernden Aufgabe ergebenden Routine und der Einfluss von Erholungs- und Adaptionsprozessen sind dabei nicht zu unterschätzen. Hier offenbart sich, ob die Prinzipien der physischen, kognitiven und sozio-organisatorischen Ergonomie nicht nur verstanden, sondern auch zur Sicherung unserer Gesundheit, unserer Freude am Beruf, unserer Partner und unserer Familie eingesetzt wurden.

Prof. Dr. drs. drs. Jerome Rotgans, Witten

Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Ergonomie in der Zahnheilkunde“ (AGEZ) in der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)

Quellen können angefordert werden unter ­leserservice@dzw.de