Anzeige

Stellungnahmen von DGKFO, BDK und KZBV

Der Bundesgerichtshof fordert: "Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen muss endlich erforscht werden".

Der Bundesgerichtshof fordert: "Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen muss endlich erforscht werden".

Hohe Ausgaben und ein nicht hinreichend belegter medizinischer Nutzen – für Aufregung in Presse und Zahnärzteschaft  hat in dieser Woche die Kritik des Bundesrechnungshofs an der Kieferorthopädie gesorgt. DGKFO, KZBV und BDK nehmen Stellung.

• Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e.V. (DGKFO)

Die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e.V. unterstützt die Forderung nach mehr Versorgungsforschung in der Kieferorthopädie, weist aber fehlerhafte und unverständliche Aussagen zurück
 
Die DGKFO unterstützt ausdrücklich alle Bemühungen zur Verbesserung der Studienlage zu Nutzen und Wirksamkeit kieferorthopädischer Behandlungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen – eine qualitativ hochwertige Versorgungsforschung gehört dazu. Darum begrüßt die DGKFO, dass der Bundesrechnungshof das Bundesgesundheitsministerium dazu auffordert, „eine Versorgungsforschung im Bereich Kieferorthopädie anzustoßen“.
 
Die Gesellschaft widerspricht jedoch der pauschalen Behauptung, dass der Nutzen der kieferorthopädischen Therapie nicht gesichert sei. Publikationen auf höchstem Evidenzniveau belegen beispielsweise, dass Fehlstellungen –vergrößerte sagittale Frontzahnstufen – unbehandelt derzeit weltweit für über 200 Millionen Verletzungen pro Jahr mit entsprechenden Folgekosten verantwortlich sind. Ebenso belegen Untersuchungen, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Frontzahntraumas bei dieser Form der Fehlstellung verdoppelt.
 
Eine Voraussetzung für erfolgreiche Untersuchungen im Rahmen der Versorgungsforschung ist auch die Qualität der langfristigen kieferorthopädischen Behandlungsdokumentation. Aus diesem Grund hat die DGKFO bereits vor einiger Zeit einen Leitfaden zur Qualitätssicherung in der kieferorthopädischen Behandlung auf den Weg gebracht, der sich in der finalen Abstimmungsphase befindet.
 
Darüber hinaus plant die DGKFO, kieferorthopädische Fragestellungen als Bestandteil der kommenden 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS VI) zu etablieren. Nicht zuletzt arbeiten Expertinnen und Experten der Gesellschaft bereits seit einiger Zeit daran, Stellungnahmen und Leitlinien zu verschiedenen Fragestellungen zu erstellen bzw. zu aktualisieren.

Nicht nachvollziehen kann die Gesellschaft Aussagen des Bundesrechnungshofes über eine angebliche Erhöhung der Fallkosten, da sich weder BEMA noch Punktwerte seit 2008 nennenswert erhöht haben. Die allgemeinen Preisanpassungen im Rahmen der Punktwerterhöhung erklären eine angebliche Verdoppelung der Fallkosten nicht.
 
Die ebenfalls vom Bundesrechnungshof kritisierte Situation bei Selbstzahlerleistungen wurde im Jahr 2016 durch eine Stellungnahme des Berufsverbandes der Kieferorthopäden (BDK), DGKFO und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) kommentiert. Eine Übernahme von oftmals wünschenswerten Selbstzahlerleistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung wird darin nicht empfohlen. Die ebenfalls geforderte Transparenz über Selbstzahlerleistungen wäre nach Auffassung der DGKFO unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten höchst problematisch und nur dann zu akzeptieren, wenn diese generell auf alle Selbstzahlerleistungen im Bereich der Medizin ausgedehnt würde. Aufgrund des privaten Charakters eines solchen Dienstvertrages müssten dann jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen massiv geändert werden.

 

• Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK)

Kritik des Bundesrechnungshofs: Partiell nachvollziehbar, weitgehend jedoch unverständlich

Der Bundesrechnungshof/BRH kritisiert in seiner aktuellen Veröffentlichung die „fehlende Versorgungsforschung und eine darauf beruhende Bewertung des medizinischen Nutzens kieferorthopädischer Behandlungen“.
 
Dr. Hans-Jürgen Köning, 1. Bundesvorsitzender des Berufsverbands der Deutschen Kieferorthopäden/BDK: „Wir sind schon sehr überrascht davon, mit welcher Leichtigkeit der Bundesrechnungshof einem seit langem etablierten Fachgebiet der Zahnheilkunde die Existenzberechtigung abspricht. Die geäußerte Kritik des Bundesrechnungshofes kann der BDK nur sehr partiell nachvollziehen, weite Teile sehen wir jedoch kritisch.“
 
Im Grunde nachvollziehbar ist für den BDK der Aspekt, im Bereich der Kieferorthopädie existiere zu wenig Versorgungsforschung. Aber: „Der medizinische Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen steht nach unserer Auffassung keinesfalls in Frage.“ Sehr wohl existieren ausreichend Studien, die diesen wissenschaftlich belegen.

Der BDK weiß, dass die DGKFO derzeit mit der Bewertung dieser Untersuchungen hinsichtlich des Evidenzniveaus befasst ist. Rein zahnmedizinisch bleibt es aber bei der Feststellung, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen Krankheiten darstellen, die der zahnärztlichen Behandlung bedürfen. In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt dies ebenso wie für privatversicherte und beihilfeberechtigte Patienten. Für gesetzlich Versicherte ist der Leistungsanspruch bereits eingeschränkt, da nur Zahn- bzw. Kieferfehlstellungen ab einem bestimmten Schweregrad auf Kosten der Kassen behandelt werden können.

Nicht nachvollziehbar ist für den BDK hingegen die Kritik, dass „das Bundesgesundheitsministerium/BMG und die Krankenkassen kaum Einblick hatten, mit welchen kieferorthopädischen Leistungen Patientinnen und Patienten konkret versorgt wurden.“ Die Krankenkassen genehmigen jede kieferorthopädische Behandlung auf der Grundlage eines Behandlungsplans, in dem Diagnose, Art und Umfang der Behandlung usw. aufgeführt sind.
 
Ebenfalls nicht nachzuvollziehen ist für den BDK die Aussage, die Ausgaben der GKV pro Behandlungsfall (Fallkosten) hätten sich zwischen 2008 und 2016 ungefähr verdoppelt. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, der sich im BEMA* findet, ist seit 2008 unverändert geblieben. Eine Steigerung kann also nur durch die allgemeine Preisanpassung im Rahmen der Punktwerterhöhung erklärt werden. Diese liegen jedoch nur zwischen 17% und 23%.

Die Überlegung des BRH, dass bestimmte Selbstzahlerleistungen möglicherweise in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen gehörten, haben BDK, DGKFO und KZBV bereits im Jahr 2016 bei Abschluss einer Vereinbarung erörtert. Die DGKFO hat dabei klargestellt, dass der BEMA nach wie vor standardgerecht sei und eine ausreichende, wirtschaftliche und notwendige Versorgung der Versicherten gewährleiste. Darüber hinausgehende Leistungen seien oftmals wünschenswert, könnten aber nicht zulasten der Solidargemeinschaft erbracht werden.

Kritisch – und unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten hoch problematisch – bewertet der BDK auch die Forderung des BRH nach vollständiger Transparenz von Zusatzleistungen: Es muss gewährleistet bleiben, dass Entscheidungen des Patienten über individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL- oder Zusatzleistungen) ausschließlich zwischen ihm und seinem behandelnden Arzt vereinbart werden. Daten hierüber dürfen das Behandlungsverhältnis nicht verlassen.
 

• Kassenzahnärztiche Bundesvereinigung (KZBV)

Kieferorthopädische Behandlungen sind ein wichtiger Bestandteil einer qualitativ hochwertigen und flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung. Es gibt jedoch durch den Gesetzgeber klare Vorgaben, welche Leistungen von gesetzlichen Krankenkassen - auch im Rahmen einer kieferorthopädischen Versorgung - übernommen werden müssen – und welche nicht. Die Zahnärzteschaft leistet ihre Versorgung im Rahmen dieser Vorgaben.

In den vergangenen Jahren wünschen Patienten immer häufiger Leistungen, die über die Versorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hinausgehen. Hier spiegeln sich gestiegene Ansprüche im Hinblick auf Ästhetik und Komfort wieder, die nach der Rechtslage (sogenanntes Wirtschaftlichkeitsgebot) nicht durch das GKV-System unterstützt werden dürfen. Dazu gehören Behandlungen und Geräte, die weniger Tragedisziplin erfordern (sogenannte Non-Compliance-Geräte), die Zahnpflege erleichtern (z. B. miniaturisierte Brackets) oder eine geringere optische Beeinträchtigung mit sich bringen (z. B. zahnfarbene Brackets).

Das Wirtschaftlichkeitsgebot besagt, dass medizinische Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Zahnärzte nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Gesetzlich Versicherte haben im Zuge dieses Systems einen grundsätzlichen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie kieferorthopädische Behandlung. Entscheidet sich der Patient – nach entsprechender Aufklärung im Rahmen seiner Wahlfreiheit – für Leistungen, die über den Leistungskatalog der GKV hinausgehen, gewährleisten transparente Regelungen die Planung, Kostenkalkulation und Abrechnung von Mehr- oder Zusatz- und außervertraglichen Leistungen.

Zu den von Versicherten über die GKV-Ausgaben hinausgehenden Zahlungen für Zusatzleistungen liegen der KZBV keine Angaben vor. Anhand der Abrechnungshäufigkeiten der Bema-Position 5 (Kieferorthopädischer Behandlungsplan) lässt sich lediglich die Zahl der Kfo-Neuversorgungen ableiten. Diese bewegt sich seit dem Jahr 2008 im Bereich von 400 – 420 Tausend Neuversorgungsfällen pro Jahr und ist damit annähernd stabil mit leicht steigender Tendenz. Dies spricht für die Funktionsfähigkeit des Einstufungsverfahrens der Kfo-Fälle im Rahmen des KIG-Systems.

Mit einer neuen Vereinbarung vom 18. November 2016 zur kieferorthopädischen Behandlung bei GKV-Patientinnen und Patienten haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) - in enger Abstimmung mit der Wissenschaft – hinsichtlich vertraglicher und darüberhinausgehender Leistungen und Kosten mehr Transparenz geschaffen, insbesondere über eventuell entstehende Zusatzkosten, die selbst getragen werden müssen. Ein zentraler Punkt ist die dafür notwendige Übereinkunft von Zahnarzt und Patient bei privatzahnärztlichen Leistungen sowie deren Abrechnung. Akzentuiert wird zudem der Anspruch einer qualitätsgesicherten Versorgung.

Auf dieser Grundlage haben sich darüber hinaus die Partner der Bundesmantelverträge auf die Schaffung einer Regelung verständigt, wonach die von der Krankenkasse genehmigte Behandlungsplanung auch der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu übermitteln ist. Dadurch können eingereichte Abrechnungen künftig besser plausibilisiert werden.

Alle Kieferorthopäden und alle kieferorthopädisch tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte bekennen sich nach der Vereinbarung dazu, den Patienten in der GKV eine zeitgemäße Vertragsleistung anzubieten, die den aktuellen Behandlungsrichtlinien entspricht und gute Behandlungsergebnisse ermöglicht. Erst nach erfolgter Aufklärung und auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten können dann auch solche Leistungen angeboten und erbracht werden, die über den GKV-Leistungskatalog hinausgehen.

Für eine solche Aufklärung der Patienten vor Beginn der eigentlichen Behandlung haben alle Kieferorthopäden und alle kieferorthopädisch tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte eine eindeutige und klar zuzuordnende Verantwortung. Die Behandler in den Praxen müssen dafür Sorge tragen, dass die kieferorthopädische Versorgung - so wie gesetzlich vorgesehen - nicht von privaten Zuzahlungen abhängig gemacht oder gar verweigert wird.

Die von der KZBV initiierte Vereinbarung zielt darauf ab, dass Patienten vollumfänglich einen selbstbestimmten Zugang zu kieferorthopädischen Behandlungen erhalten, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Die damit neu geschaffene Transparenz stärkt nachhaltig die Mündigkeit und Wahlfreiheit der Patienten. Zugleich verdeutlicht die Übereinkunft zwischen KZBV und BDK die Bedeutung einer umfassenden Information in den Praxen entsprechend des Patientenrechtegesetzes.