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Frühzeitige Diagnose und engmaschiges Recall können Krankheitsverlauf mildern
Versiegelung Unterkiefermolar

Versiegelung eines ersten Unterkiefermolaren mit schwerer MIH-Symptomatik bei einem 8-jährigen Patienten (Aufnahme über Spiegel, Materialien: fließfähiges Komposit, Tetric Flow, in Kombination mit Scotchbond Universal).

 

MIH gab es schon im Mittelalter. In etwa 18 Prozent der untersuchten Gebisse fanden Forscher mindestens einen bleibenden Zahn, den sie einer Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation zuordneten [1]. Dieser Befund spricht zumindest gegen eine ätiologische Rolle von Antibiotika oder Weichmacher-Chemikalien. Die meisten Autoren vermuten eine multifaktorielle Entstehung.

Laut aktueller Deutscher Mundgesundheitsstudie ist MIH bei 12-Jährigen mit 28,7 Prozent häufiger als Karies. Behandlungsbedürftige Schäden sind jedoch „nur“ bei 5,4 Prozent vorhanden [2]. Die Klinik für Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde der Universität Zürich hat ein Konzept erarbeitet, mit dem sich die oft erheblichen Probleme dieser Patientengruppe bewältigen lassen [3]. Sinnvoll ist demnach ein abgestuftes Vorgehen mit Prophylaxe und schrittweiser Restauration, gegebenenfalls Orthodontie und Chirurgie.

Restaurationen hinauszögern

MIH-Schmelz ist unreif und deshalb weich, porös und durchlässig für Bakterien. Folgen sind Karies und Dentin-Überempfindlichkeit (DHS). Mit Fluoridierung, remineralisierenden und desensibilisierenden Produkten oder partieller Versiegelung kann Zeit für die Nachreifung des Schmelzes gewonnen werden. Diese ist jedoch erst mit 18 bis 20 Jahren abgeschlossen. Frühe kariöse und mechanisch bedingte Defekte werden zunächst minimalinvasiv zum Beispiel mit Glasionomeren behandelt. Da ein adhäsiver Verbund zum unreifen Schmelz nur schwer zu erreichen ist, sollten größere restaurative Maßnahmen nach Möglichkeit verschoben werden.
Wenn notwendig, können betroffene Molaren mit Stahlkronen oder orthodontischen Molarenbändern, die mit Glasionomerzement fixiert werden, vor weiteren Schäden geschützt werden. Als Alternative sind laborgefertigte Kompositkronen oder auch Zirkonoxidkronen verwendbar [4]. Letztere erfordern aber gesunde Antagonisten. Schwer geschädigte Sechsjahrmolaren können auch extrahiert und gesunde Zwölfjahrmolaren orthodontisch eingeordnet werden. Eine Praxisempfehlung der European Academy of Paediatric Dentistry und die Literatur enthalten weitere therapeutische Details [5, 6].

Direkte Füllungstherapie

Direkte Füllungstherapie bei einem ersten Unterkiefermolaren mit schwerer MIH-Symptomatik bei einer 7-jährigen Patientin (Material: Glasionomer, Fuji Triage pink).

Fragebogen hilft bei Früherkennung

Diagnose und Therapie der MIH sollten jedem Zahnarzt und jeder Zahnärztin geläufig sein. Werden MIH-Defekte frühzeitig erkannt, können Folgeschäden durch geeignete Maßnahmen und ein engmaschiges Recall abgemildert werden. Die Zürcher Kinderzahnheilkunde-Spezialisten verwenden einen speziell entwickelten Fragebogen (Quelle: Klinik für Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde der Universität Zürich 2017), mit dem das Risiko abgeschätzt werden kann.
Bei schweren Befunden sollten in Kinderzahnheilkunde spezialisierte Kollegen konsultiert werden. Diese haben einerseits vertiefte Kenntnisse zu Störungen der Zahnhartsubstanzbildung. Andererseits können sie nicht kooperative Kinder durch Verhaltensführung oder andere geeignete Maßnahmen entsprechend ihrer psychosozialen Entwicklungsstufe behandeln.


Literatur
 

[1] Lang, J., et al.; Anthropol Anz 2016. Online 2016_09_20.

[2] Jordan, A., et al.; Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie DMS V. 2016.

[3] Steffen, R., et al.; BZB 2016. (5): 66-71.

[4] Ehlers, V.; ZMK 2016. 32 (12): 832-833.

[5] Elhennawy, K., et al.; J Dent 2016. Online 2016_10_04.

[6] Mast, P., et al.; Eur J Paediatr Dent 2013. 14 (3): 204-208.