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Missbrauch kann Behandlungsangst auslösen
Neues aus der oralmedinischen Forschung

Oralmedizin kompakt: Frisches Wissen für Ihre Praxis

Für Ihre Patienten wollen Sie auf dem Laufenden bleiben. Welche Methoden funktionieren – und sind möglichst mit Studien abgesichert? Die Kolumne Oralmedizin kompakt liefert Antworten. Fachjournalist Dr. med. dent. Jan H. Koch sichtet für Sie laufend wissenschaftliche und praxisorientierte Publikationen oder berichtet von Veranstaltungen. Die Beiträge finden Sie online auf unserer Landingpage. Gehen Sie auf Entdeckungsreise!

Screenshot der Seite E-Learning Kinderschutz

Bei Behandlungsangst an Missbrauch im Kindesalter denken

Wer sexuell missbraucht wurde, erlebt Zahnarztbesuche häufig als beängstigend. Ein kindliches Trauma infolge sexuellen Missbrauchs (Prävalenz 10 bis 20 Prozent) kann zu irrationaler Angst (Panik), damit verbundenem starkem Stress und unkontrolliertem Fluchtverhalten im Zusammenhang mit der Behandlung führen. In ausführlichen Interviews befragten Zahnärzte, Sozialarbeiter und Psychologen betroffene Patienten in Norwegen [1].

Als auslösende Reize wurden die meist liegende, passive Behandlungsposition und sensorische Empfindungen genannt, die mit der traumatischen Erfahrung verbunden sind. Zu letzteren zählen die relativ lauten Atemgeräusche und der Geruch von Behandler oder Assistenz bei körperlicher Nähe, aber auch Flüssigkeit im Mund im Zusammenhang mit der Behandlung. Ist das Problem bekannt, sind entsprechende Empathie und stressreduzierende Behandlung von großer Bedeutung. Konkrete Empfehlungen, wie traumatisierte Patienten erkannt werden können, enthält der Artikel leider nicht.

In Bezug auf vernachlässigte, sexuell missbrauchte oder auf andere Weise misshandelte Kinder gibt Dr. Reinhard Schilke (Medizinische Hochschule Hannover) in einem Interview wichtige Hinweise [2]. Besteht ein Verdacht, sollten die kleinen Patienten an einen Kinderarzt oder eine Kinderklinik überwiesen werden. Begründen lässt sich dies im Fall von oralen Traumata mit einem Hinweis, dass weitere, extraorale Verletzungen abgeklärt werden müssten.

Zahnärzte sollten sich für solche Situationen mit ärztlichen Kollegen schon im Vorfeld abstimmen. Wichtig ist im Verdachtsfall eine gute Dokumentation, wenn möglich auch mit Fotos. Einen Standard-Dokumentationsbogen zum Thema „interpersonelle Gewalt“ bietet die BZÄK. Weitere Informationen und Fortbildungen findet man auf dieser Seite des Universitätsklinikums Ulm.

Literatur

1. Fredriksen, T. V., et al.; Community Dentistry and Oral Epidemiology; online 2020_05 (open access)
2. Schilke, R. zm 2019;109:824.