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Noch zu wenige Väter in Elternzeit

Junger Vater mit Sohn

In Deutschland gehen zu wenig junge Väter in Elternzeit. Finanzielle Gründe spielen oft eine Rolle.

Nur jeder dritte Vater geht trotz staatlicher finanzieller Anreize in Elternzeit. Eine Mehrheit davon entscheidet sich dann auch nur für die "Sparvariante", das Minimum von zwei Monaten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der hkk Krankenkasse. Studienleiter Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG): "Kein Wunder, dass sich Väter auch heutzutage in Sachen Elternzeit in Zurückhaltung üben. Denn um eine aktive Vaterrolle leben zu können, fehlt häufig die Unterstützung durch den Arbeitgeber."

Positiver Wandel der Vaterrolle

Laut Studie sind Väter der Meinung, dass sich ihre Rolle zum Positiven geändert hat. Im Vergleich zu ihren eigenen Vätern verbringen sie mehr Zeit mit ihren Kindern und übernehmen dabei mehr Verantwortung. Dennoch haben mehr als 80 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich noch mehr Zeit mit den Kindern wünschen. Tatsächlich ist es laut Studienergebnis so, dass Väter immer noch mehr als die Hälfte des Tages an ihrem Arbeitsplatz verbringen und nur 14 Prozent des Tages aktiv mit ihrem Kind.

Mütter wenden hingegen mehr als die Hälfte des Tages für die Versorgung ihres Nachwuchses auf. Weit weniger Zeit (31 Prozent) verbringen die Mütter, nach Einschätzung der Väter, in ihrem Beruf. Fragt man Väter, wie sie ihre Rolle im Vergleich zur Mutter einschätzen, messen sie ihrer Partnerin als Vertrauensperson und Erzieherin für die Kinder immer noch eine größere Bedeutung bei. Als Versorger und Spielkamerad sehen sie sich hingegen auf Augenhöhe mit den Müttern.

Keine Elternzeit bei Vätern aus finanziellen Gründen

Die Tatsache, dass Frauen tendenziell weniger verdienen, führt dazu, dass Männer sich gegen oder nur für eine sehr kurze Elternzeit entscheiden. Braun: "Hinzu kommt, dass Frauen häufiger in Teilzeit beschäftigt sind und deshalb nicht alleine für das Familieneinkommen sorgen können." Familienpolitisch müssten die beruflichen Rahmenbedingungen für Mütter stärker in den Fokus gerückt und verbessert werden. Erst dann könnten Väter ihre Rolle stärker leben. "Der Wunsch ist da, die Rahmenbedingungen noch nicht", so Dr. Braun.

Väter mit kleinen Kindern extrem gestresst

Dass die Rahmenbedingungen für junge Väter nicht optimal sind, zeigt sich laut Studie auch bei der Messung des Stresslevels. Knapp die Hälfte aller Väter, deren jüngstes Kind unter sechs Jahre alt ist, zeigt ein signifikant höheres Stressniveau als Väter, deren jüngstes Kind bereits sieben Jahre und älter ist.

Zeit zum Stressabbau finden junge Väter wohl auch nur selten. Etwa 49 Prozent der Väter mit ganz kleinen Kindern (0 bis 3 Jahre) treibt während der Woche keinen Sport. hkk-Bereichsleiter Versorgungsmanagement Christoph Vauth: "Sieben von zehn aller befragten Väter bewegen sich weniger als zwei Stunden in der Woche. Das ist aus gesundheitlicher Sicht sehr bedenklich. Eine regelmäßige und moderate sportliche Aktivität reguliert nicht nur Stress, sondern hat auch eine schützende Wirkung gegen eine Vielzahl von Erkrankungen, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht."

Laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten Erwachsene wöchentlich mindestens 2,5 Stunden körperlich aktiv sein. hkk-Gesundheitsexperte Dr. Wolfgang Ritter:

Körperliche Aktivität sei jedoch nur eine Seite der Medaille. Wirksamer Gesundheitsschutz setzt sich einerseits zusammen aus Verhaltensprävention, wie etwa Sport und Entspannungskursen, sowie andererseits aus Verhältnisprävention am Arbeitsplatz. Betriebe können Väter unterstützen, indem sie beispielsweise, dort wo es möglich ist, Arbeitszeitmodelle anbieten, die speziell auf die Bedürfnisse junger Väter abgestimmt sind. "Diese müssen zwar individuell und sehr sorgfältig geplant werden, damit betriebliche Abläufe nicht ins Stocken geraten, aber sie sind weitaus besser kalkulierbar als beispielsweise Ausfälle wegen Krankheit", so Ritter.

Unterschiedliche Akzeptanz von Elternzeit

Im Branchenvergleich hinsichtlich der Akzeptanz von Elternzeit zeigen sich gravierende Unterschiede. Hohe Anerkennung und weite Verbreitung der Elternzeit finden sich im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der IT- und Telekommunikationsbranche. Im Handel und im Baugewerbe ist das Verständnis hingegen besonders gering. Die Betreuung eines Kindes oder die Pflege eines kranken Kindes werden in diesem Arbeitsumfeld kaum gebilligt. "Nach wie vor fehlt in vielen Betrieben das Verständnis für Väter, die ihr krankes Kind pflegen oder sich während der Ferienzeit aktiv um ihre Kindern kümmern möchten. Dabei besteht dringender Nachholbedarf“, so Braun.  

Altes Rollenverständnis verwerfen

Wie die Studie weiter ergeben hat, wünschen sich 41 Prozent der Väter vom Arbeitgeber mehr Unterstützung, beispielsweise in Form von flexibleren Arbeitszeiten und besseren Möglichkeiten zur Kinderbetreuung. hkk-Gesundheitsexperte Wolfgang Ritter fordert deshalb die Abkehr vom alten Rollenverständnis in Unternehmen: "Dabei sind Führungskräfte besonders gefragt. Sie müssen mit gutem Beispiel vorangehen und ihrerseits Eltern- sowie Erziehungszeiten in Anspruch nehmen." Voraussetzung dafür sei eine Betriebskultur, die es erlaubt, Arbeitszeitmodelle wie etwa Home-Office und Teilzeit offen zu diskutieren. Dies wäre insbesondere in Branchen, in denen Elternzeit für Väter bislang keine große Rolle spielt, ein wichtiger Schritt.

Der Aspekt der Elternzeit bei Vätern ist Teil des von der hkk herausgegebenen Fehlzeitenreports 2017. Dieser ist auf der Webseite der Krankenkasse einsehbar.