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Der hindernisreiche Weg zur und in der eigenen Praxis

Es gibt (noch) keine detaillierte Normpraxis. Natürlich sind die technischen Möglichkeiten verlockend, die der moderne Dentalmarkt bietet. Aber: Welche Diagnosegeräte braucht man wirklich? Welche Geräte zur Therapie? Amortisiert sich der Laser oder die Fräsmaschine im Zuzahlungsbereich? Und das sind noch nicht einmal alle Fragen.

Zahnärztin

Keine delegierbare Leistung: Praxisgründer müssen mit Ruhe und Besonnenheit wichtige Entscheidungen, etwa für den Praxisstandort, die Ausstattung, das Behandlungskonzept, den Steuerberater etc., selbst treffen.

Hinzu kommen noch: Muss die Einheit integrierte Bildschirme haben? Welche Provisionen bekommt der Dentalberater für den Verkauf? Wenn ich im Internet Geräte bestelle, wer hilft mir bei Aufbau, Installation und bei Problemen? – Praxisgründer müssen mit Ruhe und Besonnenheit die Entscheidung selbst fällen; die Entscheidung lässt sich nicht delegieren.

Wo möchte ich mich niederlassen?

Die Standortauswahl! Der Dentalhandel oder „die Depots“ kennen abgabewillige Praxisinhaber. Die Händler haben Datenbanken, können Umsätze einschätzen, wissen, wie alt die Geräte sind (weil die Service-Techniker es wissen und für die Abrechnung dokumentieren) und wie alt der Zahnarzt ist. Haben sie Interesse daran, dass ein abgabewilliger Zahnarzt einen guten Preis für seine Praxis erzielt? Wenn die Nachfolgerin oder der Nachfolger viel für die abzugebende Praxis zahlt, bleibt weniger Geld für die Renovierung, Aufrüstung und Neuinvestition.

Kundentreue heute eher weniger ausgeprägt

Es ist zu vermuten, dass die Händler eher auf der Seite des Newcomers sind. Händler leben vom Verkauf. Eine ganz neue Praxis einzurichten, bietet da mehr Möglichkeiten. Andererseits: Wenn die Altpraxis billig und der übernehmende Zahnarzt eher sehr vorsichtig ist, könnte der neue Kunde dankbar für die Vermittlung sein. Die früher übliche Treue des Kunden ist aber weniger ausgeprägt, weil sich heute so schnell und einfach Angebote im Internet vergleichen lassen.

Franchise-Systeme in Deutschland noch eher die Ausnahme

Früher halfen die Zahnärztekammern mit Praxisbewertungsausschüssen. Aus rechtlichen Gründen – und weil es auch verschiedene konkurrierende Methoden der Bewertung gibt – haben sich die Kammern aus dieser Beratung zurückgezogen; denn leicht fühlt sich eine Partei übervorteilt und unzufrieden. Stattdessen bieten Kaufleute, Betriebswirte oder Wirtschaftsprüfer diese Dienstleistung jeweils für Abgeber und Suchende an.

Im europäischen Ausland kaufen und betreiben Investoren Praxen – als Kettenpraxen oder Franchise-System. Noch ist diese Form in Deutschland die Ausnahme. Zahnärzte, die selbstbestimmt und ohne Vorgaben behandeln wollen, müssen sehr genau Verträge lesen können und die Verwaltungskosten beachten, falls sie sich für diese Form der Arbeit interessieren.

Der Steuerberater bringt keine neuen Patienten

Ist der Standort gefunden und die Praxis nach den Wünschen des Zahnmediziners eingerichtet, beginnt die spannende Zeit des Wirtschaftens. Kommen genug Patienten? Reicht der Betriebsmittelkredit für die Anlaufphase? Die Bank des Vertrauens hat die Kontrolle über die Durststrecke. Sind die Privatentnahmen angemessen? Oder ist die Zahnärztin oder der Zahnarzt unzufrieden mit der Gewinnsituation? Der Steuerberater liefert die Daten des ablaufenden Geschäftsjahres, kann vielleicht bei der Analyse helfen und mit anderen Praxen vergleichen. Aber mehr Patienten und mehr Arbeit kann er nicht liefern. Wer kann diese Wünsche erfüllen?

Den richtigen Berater finden

Marketing- und Unternehmensberater können tatsächlich helfen, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten auftauchen, die Praxis hinter den Erwartungen zurückbleibt, falls der Zahnarzt zwar ein gutes Examen hat, aber zu wenig kaufmännisches Know-how und Ideen besitzt. Seriöse Berater ermitteln, was der Zahnarzt kann und will, was die Patienten, die die Praxis aufsuchen, erwarten, und ob die Praxis weitere Patienten anspricht. Dann können Ideen für eine Änderung geschmiedet und Wirtschaftspläne erstellt werden.

„Berater“ ist aber kein Ausbildungsberuf oder eine verlässliche Bezeichnung. Unseriöse Berater können sich auch in Stellung bringen und suggerieren, dass ihre (zu bezahlenden) Dienstleistungen nötig sind; die Ausgaben der Praxen steigen, das zu drehende Rad wird größer … Mit Glück steigen auch Umsatz und Gewinn.

„Rosinen-Picken“: Teil-Ausstieg aus den Aufgaben des Vertragszahnarztes

Dentalhandel und Marketing- und Unternehmensberater raten häufig zur Spezialisierung (Endo, Implantologie, CMD, Kinder etc.) und technischen Aufrüstung, weil eine möglichst zertifizierte Spezialisierung und besondere Gerätschaften höhere Honorare rechtfertigen können („Der Spezialist kann mehr, wird von Patienten gesucht und nachgefragt“). Auch die Fachgesellschaften unterstützen bei diesem Trend, denn es ist ihr Selbstverständnis, dass das Spezialisten-Können mehr wert ist. Unter den fortgebildeten Zahnärzten breitet sich die Ansicht aus, dass die „Kassen-Vertragszahnmedizin“ nicht in Einklang mit den zahnmedizinischen Grundsätzen des Behandlers zu bringen ist.

Spagat zwischen Kassenleistung und aufwendigen Therapiekonzepten

Zahnärzte geraten in die Zwickmühle: Einerseits wollen sie ihre Kassenzulassung behalten, andererseits können und wollen sie aber ihren aufwendigeren Therapiekonzepten folgen. Wenn sie Kassenpatienten keine Kassenleistungen, sondern nur Privatleistungen anbieten und die Sachleistung verweigern, entstehen Konflikte: Sozial schwache Patienten beschweren sich. Kollegen, die sozial schwache Patienten aufgrund ihrer Vertragspflichten mit Sachleistungen versorgen, ärgern sich, wenn andere Kollegen dies nicht tun, und fühlen sich ausgenutzt. Die KZVen sind in derartigen Fällen nicht zu beneiden, wenn sie eine Lösung in Konflikten finden müssen. Denn Vertragszahnärzte müssen auch eingegangene Verträge erfüllen. Die Nebenwirkung eines Teilausstiegs (beschriebene Angebote zur Privatleistung und der psychologische Druck auf sozial schwache Patienten, die Praxis lieber zu wechseln) kommt bei den Sozialpolitikern so an: „Zweiklassen-Medizin“ lautet das zugehörige Schlagwort, und die wird als ungerecht angesehen.

Gesundheitswesen: Es wird nicht immer so bleiben

Das politische Umfeld droht mit Veränderung des Gesundheitswesens. Die „Bürgerversicherung“ soll das Heil bringen. Leistungen sollen zu gebundenen Gebühren erbracht werden unter räumlichen und verwaltungstechnischen Auflagen. Der Patient erhält einen Anspruch auf Versorgung – der „Leistungserbringer“, selbstständig mit Unternehmer-Risiko und Niederlassungskredit, Vertragszahnarzt und Mitglied der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, muss sehen, wie er mit den Bedingungen zurechtkommt. Wobei: Ganz genau definiert ist die Bürgerversicherung nicht – vor der Wahl will kein Politiker sich wirklich festlegen. Und kann die Sachlage vielleicht auch gar nicht genau abschätzen, verlässt sich auf Berater (Steuerfachleute, Behördenvertreter, Dentalhandel, Versicherungen, Krankenkassen, Verbraucherzentralen).

Warum nicht den Kollegen um Rat fragen?

Kollegialer Rat! Wenn Dentalindustrie, Finanzwirtschaft, Marketing- und Unternehmensberater auch eigene Interessen verfolgen, wo können sich Zahnärzte noch Rat holen? Bei Kollegen. Die zahnärztliche Selbstverwaltung in Kammer und KZV bietet Kontaktadressen und kollegialen Sachverstand. Es gibt Qualitätszirkel, Fortbildungsgruppen, Bezirksgruppen oder Kreisstellen, an die sich ratsuchende Kollegen wenden können. KZBV und Bundeszahnärztekammer geben statistische Jahrbücher heraus, die Auskunft über Patienten-Zahnarzt-Verhältnis-Zahlen, Durchschnittseinkommen, Praxisformen und andere Messgrößen bieten. Es werden Rundschreiben und Zahnärzte-Magazine herausgegeben. Diese Informationen müssen genutzt werden.

Fazit:

  • Zahnarztpraxen verursachen relativ hohe Investitionskosten.
  • Zahnärzten wird empfohlen, sich zu spezialisieren und zertifizierte Fortbildungen zu absolvieren. Dabei müssen Zeit- und Kostenaufwand berücksichtigt werden.
  • Die Betriebskosten sind durch verschiedene neue Auflagen (Hygiene, Validierung, QM-Dokumentation etc.) gestiegen und haben die Gewinne verringert.
  • Unter den Ärzteberufen ist das Ranking des Zahnärzteeinkommens nach unten abgefallen
  • Der durchschnittliche Einnahmen-Überschuss liegt am untersten Ende der Einkommensskala der niedergelassenen Ärzte; Zahnärzte verdienen zwar mehr als Psychiater, müssen aber deutlich mehr Aufwand bei der Praxisausstattung und den Betriebskosten leisten.
  • Der Verwaltungsaufwand belastet zeitlich und verringert so die zahnmedizinische Behandlungszeit und die Gewinne aus der Arbeit.
  • Die körperliche und psychische Belastung des Zahnarztberufes/der körperliche „Verschleiß“ und seelische Stress (Burnout-Gefahr) finden nicht ausreichend Berücksichtigung bei der Bezahlung/Honorierung. Neue komplexe Behandlungsfelder wie Implantologie und Endodontologie erfordern erhöhte Konzentration – und Erholungsphasen zum Ausgleich.
  • Der Zahnarztberuf hat an Attraktivität verloren. Analysiert man die Rahmenbedingungen, gibt es andere Berufe, bei denen Work-Life-Balance und Einkommen bessere Bilanzen bieten. Die Zahl der Niederlassungswilligen wird sinken, besonders im ländlichen Raum.

Wie lässt sich die Situation verbessern?

Tatsächlich wirft dieser Artikel mehr Fragen auf, als Lösungen zu bieten. Kein Mensch wird die Rücknahme von Hygiene-Standards fordern, aber wenn der Hygiene-Verwaltungsaufwand erhöht wird, um mehr Sicherheit und Kontrollmöglichkeiten zu bieten, dann muss dieser Aufwand auch bezahlt werden.

Wider den Kontrollwahn

Überbordende Kontrollen sollten aber zurückgewiesen werden. Ein „Leitern- und Aufstiegshilfen-Prüfbuch“ zu führen, wird vom betriebs- und sicherheitstechnischen Dienst empfohlen (Vorschrift), scheint angesichts der Zahl von Arbeitsunfällen in Zahnarztpraxen in Zusammenhang mit Leitern diskussionswürdig zu sein. Ob eine „kleine“ Zahnarztpraxis mit einem Behandler die gleiche Quadratmeterzahl für einen Aufbereitungsraum für Sterilgut haben muss wie eine Praxis, die fünf Behandler hat und Schichtdienst betreibt, ist doch zu diskutieren. Auch was in diesem Raum wann passiert, ob neben den Aufbereitungsgeräten auch noch verschließbare, saubere Lagerschränke stehen dürfen, dies muss doch logisch erklärt und begründet werden, wenn es eine sinnvolle Vorschrift geben soll. Zahnärzte(kammern) müssen bei Erstellung von Vorschriften Mitspracherecht haben.

Zahnärzte sollten sich solidarisieren

Nicht hilfreich ist, wenn die Gerüchteküche kocht. Amtliche Praxisbegeher, die angeblich die regelmäßige Desinfektion von Wartezimmer-Möbeln verlangen (mit Abhak-Checkliste), die im Winter das „Auffegen von Wegegranulat auf dem Praxisflur mit dem Besen verbieten“ und statt dessen die Aufnahme mit Feuchtdesinfektions-Tüchern und Wischer vorschreiben – das kann doch nicht wirklich wahr, Recht und Gesetz oder Vorschrift sein und trägt auch nicht zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung bei.

Zahnärzte sollten sich solidarisieren, die Situation schildern, Forderungen stellen, veröffentlichen, mit den politischen und behördlichen Verantwortlichen sprechen. Zahnärztekammern sollten jungen und alten Zahnärzten Gesprächsforen bieten, denn die kollegiale Beratung und der Gedankenaustausch über Praxisführung, Finanzen und Zahnmedizin sind wichtig; aus meiner Sicht wichtiger als die Kommunikation mit den auch nötigen externen Beratern (die ihre eigenen Interessen haben).

Der Patient vertraut dem Zahnarzt, nicht irgendwelchen Barcodes

Der Trend zur Normierung, Zertifizierung, Kontrolle, Dokumentation kann immer noch gesteigert werden – aber ist das sinnvoll oder ist das Maß schon überschritten? „Die Gesellschaft“ muss sich fragen, ob nicht die ethische Verpflichtung verbessert werden kann. Der Patient muss Vertrauen haben dürfen und sich verlassen können, auch ohne Checklisten-Haken und Barcode-Lesegeräte.

Ein Beispiel: Die zertifizierte digitale DIN-Praxis erfasst den Patienten mit einer Nummer; jedes bei diesem Patienten benutzte Material, Medikament und aufbereitete Instrument wird mit Barcode-Lesegeräten erfasst und der digitalen Patienten-Akte zugeordnet. Die Nummern „beweisen“: Alles war richtig bei der Behandlung. Aber wenn die ethische Verpflichtung eines Teammitglieds nicht stimmt, dann wird das auf den Boden gefallene Instrument klammheimlich hinter dem Rücken des Patienten eben wieder aufgehoben und weiter benutzt, das mit Speichel benetzte Füllungsmaterial einfach weiter verarbeitet.

Ohne Ethik versagt das beste System

Die „Barcode-Nummern“ nutzen ohne Ethik nichts und bieten nur eine scheinbare Sicherheit. Auf die Menschen kommt es an und auf einen vernünftigen Verdienst für anstrengende Arbeit. Sonst müsste neben jedem Teammitglied noch ein Verfahrenspolizist stehen.

Doch wie soll dieser moralische Konsens in der Gesellschaft erzielt werden? „Preußische Disziplin“ wurde anerzogen, hat einen negativen Beigeschmack. „Protestantischer Arbeitsethos“ gilt nicht mehr, wenn die Bevölkerung der Kirche den Rücken kehrt. – „Das tut man nicht, weil man es auch für sich selbst nicht möchte“ ist eine selbstverpflichtende Regel, ein Konsens; einfach, billig und effektiv. Es ist eine schwere Aufgabe für eine Gesellschaft, dieser Regel wieder mehr Geltung zu verschaffen.

Wie soll es weitergehen mit den Zahnarztpraxen? Wohnortnahe Versorgung mit kleinen Praxen oder zentralisierte voll ausgestattete barrierefreie Ambulatorien/Großpraxen? Das war die Ausgangsfrage dieser beiden Beiträge. Klären müssen das die Zahnärzte, die Praxen gegründet und nun konsolidiert haben. Sie sollten sich Zeit nehmen und engagieren. Sie müssen Gleichgesinnte und Verbündete suchen und die Körperschaften KZV und Kammer und deren Gremien nutzen. Und angestellte Zahnärzte müssten dies vor der Gründung ihrer eigenen Praxis tun.