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Verblendung von Molaren – zahnmedizinisch notwendig oder nicht
„Verblendbeanstandungen“ seitens der Kostenerstatter haben deutlich nachgelassen. Trotzdem erfolgt von einigen Versicherungen und Beihilfestellen immer noch stereotyp die Ablehnung einer Erstattung  zahntechnischer Kosten für Verblendungen im Molarenbereich.

„Verblendbeanstandungen“ seitens der Kostenerstatter haben deutlich nachgelassen. Trotzdem erfolgt von einigen Versicherungen und Beihilfestellen immer noch stereotyp die Ablehnung einer Erstattung  zahntechnischer Kosten für Verblendungen im Molarenbereich.

Man muss objektiv feststellen, dass sich „Verblendbeanstandungen“ seitens der Kostenerstatter in den vergangenen drei Jahren fast halbiert haben. Aber von einigen Versicherungen und Beihilfestellen erfolgt immer noch stereotyp die Ablehnung einer Erstattung von zahntechnischen Kosten für Verblendungen im Molarenbereich.

Manchmal sind die betreffenden Molaren in Wirklichkeit gar nicht verblendet und dennoch gibt es routinemäßig einen Nichterstattungsbescheid. Manchmal sind bei mehreren eingegliederten Kronen tatsächlich nur die übrigen Zähne keramisch verblendet – und dennoch wird die erfolgte Verblendung willkürlich auf den Molaren bezogen und nicht erstattet.

Derartige „Irrtümer“ werden gebührentechnisch begünstigt durch das Zusammenfassen unterschiedlicher Kronenarten unter nur eine Gebührenziffer. Zum Beispiel sind Vollkronen nach den Nummern 2210 beziehungsweise 5010 GOZ sowohl vollmetallische, als auch teilverblendete oder vollverblendete sowie vollkeramische Kronen. Das sieht man der Gebührenziffer auf der Rechnung nicht an, und die Laborkostenberechnung für eine Verblendung ist keiner Zahnart und schon gar nicht bestimmten Zähnen zugeordnet.

Beispielfall: Kurz und knapp sagt die Versicherung: „Kein Erstattungsanspruch für die Verblendung der Zähne 17, 18, 27, 28, 37, 38, 47 und 48.“ Dieser nicht weiter begründete Bescheid trifft dann auch noch die konkrete Situation in keiner Weise: Es wurden nicht alle zweiten und dritten Molaren in beiden Kiefern verblendet – zwei Weisheitszähne gab es gar nicht. Es wurde in Wirklichkeit keine Krone verblendet, sondern mit drei adhäsiv befestigten Vollkeramik-Teilkronen (Nummern 2220 plus 2197 GOZ bei 14, 15 und 17) und einer Keramikvollkrone (Nummern 2210 plus 2197 auf 16) behandelt. Das war aus der Laborrechnung im Verbund mit der Rechnung eindeutig erkennbar.

Die Verfahrensweise des Erstatters erscheint zumindest sehr oberflächlich: Warum eigentlich nur die zweiten und dritten Molaren und der erste Molar nicht? Und ganz prinzipiell: Warum gleichermaßen im Ober- wie im Unterkiefer, obwohl die Sicht auf distal gelegene Kronen sich im Ober- und Unterkiefer durchaus unterschiedlich darstellt? Warum wird nicht wenigstens ein Unterschied zwischen Molarenbrückengliedern und Molarenkronen gemacht? Da fehlt doch jedwede Logik.

Versichertenhinweis

Hier sollte man dem Versicherten sagen, dass er zuerst in seinem Versicherungsvertrag nachschauen könnte, ob ausdrücklich – nachlesbar und verständlich, ansonsten ungültig – Verblendungen von Kronen auf den beiden letzten Molaren (explizit: „Backenzähne Nr. 7 und 8“) und auch von Brückengliedern sowohl im Ober- wie im Unterkiefer von der Erstattung ausgeschlossen sind. So klar und wirklich unmissverständlich ist das selten in den Vertragsklauseln zu finden.

Es hat sich zu einem beklagenswerten Übel ausgewachsen, dass Erstattungsbeschränkungen manchmal freiweg behauptet werden, in Wirklichkeit aber nirgendwo wirksam schriftlich verankert sind. Und zur Wirksamkeit reicht kein nachgeschobenes Versicherungsschreiben, dass man mit der Erstattung von Verblendungen ab jetzt so verfahren wolle, dass man diese nicht erstatte etc.

Maßgeblich ist und bleibt der Originalvertrag beziehungsweise der spezielle Tarif. Also sollte der Versicherte darauf bestehen – ganz sicher, wenn er bei seiner Prüfung selbst nicht fündig wird –, dass man ihm die entsprechende Passage mit Kopieauszug aus seinem persönlichen Vertrag belegt. Die Erfahrung zeigt, dass die angegebene vertragliche Einschränkung häufig gar nicht existiert.

PKV-, aber auch Beihilfe-Verfahrensweise

Auch bei der Beihilfe sollte man auf einem konkreten Beleg einer eingeschränkten Erstattung von Verblendungen bestehen: Da wird man in mehrfacher Hinsicht ein kleines Wunder erleben, einmal in Form des Abtauchens, alternativ als Abkanzeln, gegebenenfalls mit Vorlage von unkonkreten Beihilferichtlinien oder -erlassen.

Manche Versicherer wissen sehr genau, dass ein vertraglicher Erstattungsausschluss in ihren Bedingungen nicht existiert, und argumentieren mit fehlender Notwendigkeit einer Verblendung. Da ist ganz klar festzustellen: Eine Verblendung ist „kautechnisch“ nie erforderlich. Aber die Notwendigkeit einer ästhetischen Wiederherstellung im sozialadäquaten Umfang (annähernd naturidentische, unauffällige Rehabilitation) wird eigentlich nie bestritten und dürfte erfolgreich auch nicht zu bestreiten sein.

Wie weit reicht eine unauffällige Restauration durch Kronen und Brücken? Bis ans Ende des sichtbaren Bereichs bei üblicher, diskreter Mundöffnung? Bis in den Bereich, der bei möglichen Mund- und mimischen Bewegungen im Berufsalltag freigelegt wird?

Und wie ist es eigentlich um „individuelles Charakterisieren“ von Verblendungen bestellt, die ansonsten auffällig würden, weil sie in Oberflächenstruktur und -textur, Transluzenz, Kern- und Schichtungsfarben und individueller Farbverteilung sowie gegebenenfalls bezüglich Irregularitäten nicht den Nachbarzähnen angepasst sind?

Das ist natürlich individuell personenbezogen, von der Anatomie und den lokalen Gegebenheiten abhängig und nicht mit Standardtextblöcken zu bescheiden. Und kommt es bei rückwärtigen Molaren wirklich auf volle Sichtbarkeit an oder stört bereits ein metallisch-dunkler Schimmer am Ende des Zahnkranzes, der den fatalen Eindruck fehlender Zähne vermittelt?

Urteil zur Verblendproblematik

Das Landgericht Essen (LG Essen, 10. Januar 2005, Az.: 1 O 215/02) hat sich zum Problem von Verblendungen in seiner Urteilsbegründung geäußert: „Der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts entspricht es jedoch, die medizinische Notwendigkeit der Vollverblendung hinterer Backenzähne fallbezogen zu beurteilen. Das Argument, eine Verblendung von Zahnkronen ab Zahn 7 mit dem Ziel einer Angleichung der Kronen an die natürliche Farbe der eigenen Zähne erfüllte keine zahnmedizinische, sondern allein eine kosmetisch/ästhetische Funktion, trifft auf die Verblendung aller anderen Zähne im selben Maße zu. Auch die Verblendung von Frontzähnen hat im Wesentlichen ästhetische Funktion, dennoch steht deren Erstattung selbst im Rahmen der Pflichtversicherung außer jeder Diskussion. Die medizinische Notwendigkeit einer ärztlichen/zahnärztlichen Maßnahme umfasst nach zeitgemäßem Standard auch das Bemühen, die optisch störenden Folgen des Eingriffs beziehungsweise eine erforderliche Prothetik im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren möglichst wenig sichtbar werden zu lassen.“ […]

„Hieraus folgt nach Auffassung des Gerichts für den Fall der privatärztlichen Zahnbehandlung, die sich nicht an der noch ausreichenden Wahrung des Standards orientieren muss, dass die prothetische Versorgung von Zähnen nicht auffallen soll; denn es ist ohne Weiteres und ohne deutlich übertriebenen Kostenaufwand möglich, die Überkronungen nicht sichtbar werden zu lassen. Das gilt für die Backenzähne wie für jeden anderen Zahn.“

LG Köln, Urteil vom 11. Januar 2006, Az.: 23 O 501/03: „Der Sachverständige hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen letztlich einen hohen ästhetischen Standard des Zahnersatzes gewährleisten sollen. Dennoch kann die medizinische Notwendigkeit nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, dass es sich lediglich um eine kosmetische Behandlung gehandelt habe. Entscheidend ist, dass es sich bei der Implantatbehandlung selbst um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung gehandelt hat. Im Bereich des Zahnersatzes muss aber gewährleistet werden, dass der implantierte Zahnersatz zu einem einheitlichen, ästhetisch ansprechenden Gesamtbild führt. Dies wird als allgemein erwarteter und angemessener Standard einer zahnärztlichen Ersatzbehandlung angesehen.

Der Patient hat einen Anspruch auf eine auch unter ästhetischen Gesichtspunkten einwandfreie Leistung. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kosten dieser Zusatzleistung gegenüber den Gesamtbehandlungskosten relativ geringfügig sind.“ (Urteilesammlung im Online-Abrechnungslexikon Alex www.alex-za.de)

Kostenersparnis durch Verblendung

Da sind die zwei Hauptargumente, die man gegen Nichterstattung anführen muss: Es geht nicht um Kosmetik, also die Natur verändernde Verschönerung, und das Verblenden von Molaren ist ohne höhere Kosten möglich. In Wirklichkeit ist Verblendung angesichts der hohen Goldpreise eher kostensparend.

Wenn die Erstattung der Kosten für eine Verblendung total gestrichen wird, dann geht die Versicherung (Beihilfe) von einer Vertragslage aus, die die Erstattung einer Goldkrone vorsieht. Nur verbraucht die Vollgusskrone auf einem Molaren unschwer ca. 4,5 Gramm Gussgold und darüber hinaus. Statt nur die tatsächlich verbrauchten 1,5 Gramm Gold für eine metallkeramisch verblendete Krone plus Verblendkosten zu erstatten, wären für eine Vollgusskrone drei Gramm mehr zu erstatten gewesen, zum Mehrpreis von 162,42 Euro: Nichterstatter von Verblendungen sparen doppelt. Es gibt dann aber keinen vernünftigen Grund für die Nichterstattung der Verblendkosten.

Jedoch argumentieren Nichterstattungsbescheide manchmal jenseits der Realität: Da wird – und das passiert nicht so selten – eine „monolithische“ vollanatomische Vollkrone, rein aus Zirkoniumdioxid, ohne jede aufgebrannte Verblendung, einfach „wegen Keramik“ erstattungsmäßig total negiert. Und dann wird auf den sachlichen Hinweis, dass somit die gesamte Krone auf diesem Molaren von der Erstattung ausgenommen werde, starrsinnig geantwortet, Verblendungen auf Molaren seien nicht erstattungsfähig (Spezialität der Beihilfe). In derartigen Fällen wäre im Endeffekt eine Erstattungsklage unvermeidlich.

Dr. Peter H.G. Esser, Simmerath