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Patientenaufklärung und Dokumentation: Experten reden Klartext

Gerade implantologische Therapien erfordern als Wahleingriffe eine umfassende Aufklärung der Patienten, die entsprechend dokumentiert werden muss. Für die Experten war das am 1. Juli in Frankfurt/M. Anlass, Klartext zu reden.  

„Bei unterbliebener und unzureichender Aufklärung und damit unwirksamer Einwilligung droht eine Verurteilung wegen Körperverletzung, die mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft wird“, beschrieb Susanne Ottmann-Kolbe, Fachanwältin für Medizinrecht aus München, mögliche Konsequenzen.

Position der Patienten stärken

Das war zwar schon immer so – aber seit 2013 ist das Risiko gestiegen, bei einem möglichen Prozess Probleme zu bekommen. Denn es war Absicht des Gesetzgebers, mit dem damals in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz „die Position der Patientinnen und Patienten gegenüber Leistungserbringern und Krankenkassen zu stärken“.

Beim klassischen Behandlungsfehler in Diagnostik oder Therapie, bei dem der Patient in der Beweispflicht ist, hat das Gesetz nichts geändert. Doch an die ärztliche Aufklärung und deren Dokumentation legen die Gerichte inzwischen strengere Maßstäbe an. Inzwischen genügt alleine die Aussage, dass die Aufklärung korrekt erfolgt sei, zu deren Glaubhaftmachung nicht mehr. „Vielmehr gehen die Gerichte heute eher davon aus, dass alles, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht erfolgt ist“, brachte DGI-Vizepräsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz seine Gutachter-Erfahrungen auf den Punkt.

Verletzung der Aufklärungspflicht

Das Prozessrisiko Nummer Eins: Verletzung der Aufklärungspflicht. Dies ist auch die Erfahrung von Dr. Rainer Fries, Vorsitzender Richter am Landgericht Saarbrücken: „Wenn Zahnärzte einen Prozess verlieren, erfolgt die Verurteilung bei einem Großteil der Fälle wegen mangelnder Aufklärung und Dokumentation.“

Das mag auch damit zu tun haben, dass Anwälte von Patienten Verstöße gegen die Aufklärungs- und Dokumentationspflicht als sogenannte Aufhängetatbestände nutzen, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Mandant einen Behandlungsfehler im engeren Sinne nicht beweisen kann. Durch den Schwenk zum Bereich Aufklärung und Dokumentation kann der Anwalt vielleicht doch noch eine Verurteilung des beklagten Arztes erreichen, wenn dieser hier in Beweisnot gerät.

Die fünf W-Fragen der Aufklärung

Wer wird aufgeklärt, wer klärt auf, worüber, wie und wann? Mit den Antworten auf diese fünf W-Fragen eröffnete Susanne Ottmann-Kolbe ihren Vortrag. Aufgeklärt werde der Patient – es sei denn, es handele sich um Kinder/Minderjährige oder nicht einwilligungsfähige Patienten. Die Aufklärung könne allenfalls an einen anderen approbierten Arzt delegiert werden, keinesfalls an Assistenzpersonal. Bei der Frage nach dem „Worüber“  gehe es um Art und Umfang einer Therapie, um Durchführung, Notwendigkeit und Dringlichkeit, um ihre Eignung im vorliegenden Fall, Erfolgsaussichten und mögliche Folgen und Risiken sowie Alternativen.

Die Referenten des Sommersymposiums (von links): Dr. Thorsten Conrad, Bingen, PD Dr. Dr. Philipp Streckbein, Gießen, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Halle, RA Susanne Ottmann-Kolbe, München, Prof. Dr. Mathias Schneider, Dresden, Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz, Wiesbaden, Prof. Dr. Peter Pospiech, Berlin, Dr. Rainer Fries, Saarbrücken, Prof. Dr. Hans-Joachim Nickenig, Köln

Die Referenten des Sommersymposiums (von links): Dr. Thorsten Conrad, Bingen, PD Dr. Dr. Philipp Streckbein, Gießen, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Halle, RA Susanne Ottmann-Kolbe, München, Prof. Dr. Mathias Schneider, Dresden, Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz, Wiesbaden, Prof. Dr. Peter Pospiech, Berlin, Dr. Rainer Fries, Saarbrücken, Prof. Dr. Hans-Joachim Nickenig, Köln  

Implantattherapie

Die Aufklärung über Risiken und Alternativen sind im Falle einer Implantattherapie besonders wichtig. Schließlich sei bei dieser aufgrund des elektiven Charakters besondere Sorgfalt geboten. „Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht", so Susanne Ottmann-Kolbe.

Auch über Möglichkeit eines Misserfolgs aufklären

Aufgeklärt werden müsse auch über die Gefahr des Misserfolgs einer Therapie, betonte Dr. Fries und verwies auf eine Entscheidung des Kölner Oberlandesgerichts zum Thema Implantate. Im vorliegenden Fall hätten die Erfolgsraten bei 90 bis 95 Prozent gelegen. Trotzdem habe das Gericht betont, dass ein Risiko bleibe, über das aufgeklärt werden müsse. Sein Rat: Zahnärzte sollten planmäßig darauf hinweisen, dass der Erfolg einer Implantation nicht garantiert werden könne. Auch wenn Knochenersatzmaterialien verwendet würden, müsse über gesundheitliche Risiken aufgeklärt werden.

„Zur korrekten Aufklärung im Falle einer Implantattherapie gehört auch die Information über die Differenzialtherapie und deren jeweilige Belastungen, Risiken und Erfolgschancen“, erklärte Professor Grötz.  Der Verzicht auf Zahnersatz oder die Optionen einer konventionellen Versorgungen müssten ebenso angesprochen werden wie die Therapiekosten und die Erstattungsfähigkeit. „Zwar ist die Therapiefreiheit des Arztes ein Grundsatz“, betonte Dr. Fries, „doch wenn eine echte Wahlmöglichkeit besteht, was bei einer Implantattherapie stets gegeben ist, muss auch über die Alternativen aufgeklärt werden.“ Dies gelte auch, wenn einzelne Alternativen zu einer höheren Kostenbelastung führen.

Ebenso müsse der Zeitpunkt der Aufklärung stimmen. Bei einer planbaren Operation genüge diese am Tag vorher, bei einfachen ambulanten Eingriffen am selben Tag. „Erfolgt die Aufklärung auf dem Weg in den OP oder unter dem Eindruck, dass diese sonst nicht durchgeführt wird, ist die Einwilligung juristisch unwirksam“, warnte Susanne Ottmann-Kolbe.

Entscheidend wichtig: die Dokumentation. Die beste Aufklärung nütze vor Gericht nichts, wenn sie nicht dokumentiert sei. Die Dokumentation habe Beweiswert – gleichgültig ob auf Papier oder elektronisch. Auch nachträgliche Eintragungen seien möglich, betonte Dr. Fries, sie müssten allerdings datiert sein. Doch wie umfangreich muss diese Dokumentation sein? „Eine lange Prosa wirkt eher unglaubwürdig“,so Professor Grötz. Demgegenüber sei eine Dokumentation mit Kürzeln absolut authentisch, der medizinische Sachverständige könne diese beurteilen.

Aufklärungsformulare individualisieren

Intensiv diskutierten die Experten das Thema „Aufklärungsformulare“. Hier war die Botschaft klar, wie Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Halle, formulierte: „Nicht die Unterschrift des Patienten auf einem Zettel ist wichtig, sondern das persönliche Gespräch. Denn der Richter sucht nach Hinweisen, dass dieses Gespräch stattgefunden hat.“

In der Tat interessiere sich ein Gericht nicht für die Unterschrift eines Patienten auf einem Formular, sondern dafür, ob das Gespräch zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat, bestätigte Dr. Fries. Das Aufklärungsgespräch könne, so ergänzte Professor Grötz, zwar durch ein Formular unterstützt werden, dieses aber nicht ersetzten. Der Aufklärungsbogen werde allenfalls als Indiz gewertet, dass das Gespräch stattgefunden habe. Ein standardisiertes Formular, das nur vom Patienten unterschrieben wurde, lege sogar eher nahe, dass der Arzt bei der Aufklärung auf die individuellen Bedürfnisse und die Situation des Patienten nicht eingegangen sei. „Dann wird es schwieriger glaubhaft zu machen, dass eine individuelle Aufklärung überhaupt stattgefunden hat“, betonte der DGI-Vizepräsident.

Gleichwohl waren sich die Experten auch einig, dass Aufklärungsformulare durchaus sinnvoll eingesetzt werden können. Sie müssen aber individualisiert werden, etwa durch handschriftliche Notizen. Wie dieses geht präsentierte Prof. Dr. Hans-Joachim Nickenig, Köln. Er hat das Aufklärungsblatt selbst entwickelt, das er bei einer Implantattherapie einsetzt. Dieses enthält die medizinische Begründung für die Behandlung, Hinweise auf den geplanten implantatgetragenen Zahnersatz sowie Informationen über die Alternativen. „Ich zeichne die geplanten Implantate während des Gespräches mit dem Patienten immer ein“, erklärte Prof. Nickenig. Hinzu komme auch eine individuelle Erfolgsprognose in Prozent, sowie Angaben zu Knochenersatzmaterialien. Zudem empfahl der Referent, immer eine Assistenz dabei zu haben: „Eine Zeugenaussage kann vor Gericht von Bedeutung sein.“

 

Für die Dokumentation der Patientenaufklärung eine eigene Systematik entwickeln, das Vorgehen trainieren – und diese Checkliste dann immer wieder abarbeiten. Denn: "Es genügt nicht, Recht zu haben. Man muss es auch beweisen können.“

Für die Dokumentation der Patientenaufklärung eine eigene Systematik entwickeln, das Vorgehen trainieren – und diese Checkliste dann immer wieder abarbeiten. Denn: "Es genügt nicht, Recht zu haben. Man muss es auch beweisen können.“

Wichtig ist es, so die Experten, Beratungs- und Aufklärungsgespräche zu trainieren, sie immer auf dieselbe Art und Weise durchzuführen und das Vorgehen in das Qualitätsmanagement der Praxis zu integrieren. Prof. Dr. Peter Pospiech, Berlin, riet dazu, eine eigene Systematik zu entwickeln und das Vorgehen zu trainieren. „Machen Sie es wie der Pilot im Flugzeug: dieser arbeitet bei jedem Start immer wieder seine Checkliste ab, selbst wenn er schon hunderte von Flügen erfolgreich absolviert hat.“