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Schöne Weichgewebe um Implantate

Die orale Mukosa ist in der implantatprothetischen Versorgungskette häufig das schwächste Glied. Bei Entzündung kann sie sich zurückziehen und zu einem ästhetischen Misserfolg führen, nicht selten muss das Implantat entfernt werden. Mit guter Mundhygiene und professionellem Recall einschließlich eingehender Instruktion lässt sich das Risiko erheblich reduzieren [1, 2]. Das gilt aber nur, wenn das Implantat korrekt platziert ist und die Prothetik sich aufgrund ihrer Gestaltung sauberhalten lässt [3]. Eine weitere Voraussetzung für ästhetische Stabilität ist, dass durch die Behandlung eine belastbare weichgewebige Umgebung geschaffen wird. Nur eine solche ermöglicht einen langfristig guten Zugang für persönliche und professionelle Hilfsmittel [4].

Pink wichtiger als Weiß?

Patienten wollen keine Augmentationen, sondern schöne und gut funktionierende Zähne – umgeben von ästhetisch unauffälligem „Zahnfleisch“. „Pinke“ (weichgewebige) Faktoren könnten dabei wichtiger sein als „weiße“ (restaurationsbezogene). So bewerteten sowohl Zahnärzte (Prothetiker und Parodontologen) als auch Laien Farbton- und Farbtiefe des periimplantären Weichgewebes als ästhetisch wichtigste Merkmale [5]. Es folgten weitere pinke Faktoren wie angemessene Höhe des Gingivarands, intakte Papillen, natürliches Volumen (bukkale Kontur) und physiologische Oberflächentextur. Bei den Restaurationen wurden ebenfalls Farbfaktoren als am wichtigsten eingeschätzt. Eine Rolle könnte hier spielen, dass mit in der Studie mit Fotos gearbeitet wurde [5].
Nach anderen Untersuchungen nehmen Patienten ästhetische Faktoren anders wahr als Zahnärzte und geben ihnen im Durchschnitt keine hohe Priorität [6, 7]. Wenig überraschend ist, dass Patienten mit hoher Lachlinie ihre Versorgung kritischer bewerten könnten als solche mit niedriger Lachlinie [8]. Im häufig verwendeten Pink Esthetic Score (PES) der Wiener Arbeitsgruppe um Prim. Dr. Rudolf Fürhauser wird auch die seitenbezogene Symmetrie berücksichtigt [9]. Negativ wirken vorangegangene oralchirurgische Eingriffe im Implantationsbereich [10]. Ästhetik ist insgesamt nur Teil einer umfassenden Analyse, die zum Beispiel auch parodontale und systemische Risikofaktoren berücksichtigen muss [11].

Biologisch denken macht schöner

Stabile Weichgewebe erfordern bekanntlich eine ausreichende knöcherne Basis. Wie es um diese bestellt ist, lässt sich zum Beispiel anhand spezieller Defektindizes bewerten [12, 13]. Da in der Oberkieferfront meist nur eine dünne bukkale Knochenlamelle vorhanden ist oder auch Defekte vorliegen [14], muss häufig vor, bei oder nach der Implantation augmentiert werden [15, 16]. Physiologische und damit unvermeidbare knöcherne Umbauvorgänge nach Extraktionen lassen sich damit bereits im Vorfeld berücksichtigen [16]. Das Risiko wird dadurch wahrscheinlich verringert, dass ein zunächst adäquates Weichgewebsniveau im Laufe der Jahre zurückgeht.
Für Augmentationen bewährt hat sich neben autologen Methoden die gesteuerte Knochenregeneration mit Kollagenmembranen und partikuliertem Knochen oder Ersatzmaterialien [17]. Unvernetzte Kollagenmembranen werden relativ schnell in das Gewebe integriert, aber auch zügig resorbiert. Nichtresorbierbare Membranen oder elastische Kollagenmembranen mit verlängerter Standzeit können bei größeren Augmentationen sinnvoll sein (Abb. 1 und 2). Für vernetzte Membranen wird eine offene Einheilungsmöglichkeit in Anspruch genommen, mit der auch eine ungünstige koronale Lappenverlagerung vermieden wird [18]. Dies ist jedoch bisher nur in Fallserien dokumentiert [19].
In den letzten Jahren werden für Augmentationen zunehmend wieder blutbasierte Aufbereitungsverfahren empfohlen. Mit speziellen Geräten lassen sich relevante Anteile wie Platelet-Rich Fibrin (PRF) oder Plasma Rich in Growth Factors (PRGF) anreichern und mit Augmentationsmaterial vermischt oder als „natürliche Membran“ einbringen. Höhere Augmentationsergebnisse für Hart- oder Weichgewebe scheinen nach bisherigen Studien fraglich; der Nutzen könnte primär in einer verbesserten Wundheilung liegen [20, 21].
Eine solche wird bereits primär mit geeigneten Schnitt- und Nahttechniken gefördert [22]. Um Zug auf das Weichgewebe zu vermeiden, sollten Bänder und Muskeln durchtrennt werden, zum Beispiel in Verbindung mit einem apikalen Verschiebelappen. Bewährt haben sich auch Tunneltechniken, mit denen die Durchblutung der augmentierten Bereiche, insbesondere der Papillen, sichergestellt bleibt [23]. Im Idealfall erfolgen diese Maßnahmen mikrochirurgisch und mit vergrößernden Sehhilfen [3].

Bukkales Gewebe verdicken

Knochenaugmentationen lassen sich auf vielfältige Weise mit bukkaler Weichgewebsverdickung kombinieren oder Letztere wird separat durchgeführt [24]. Die Weichgewebsmaßnahme kann wiederum zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschehen, wobei der technische Anspruch bei Sofortimplantation hoch ist. Die ästhetische Kontur in der Oberkieferfront lässt sich nach der neuesten Literatur mit autogenen Bindegewebstransplantaten in Verbindung mit Sofortversorgung wirksam verbessern [25, 26]. Daneben könnte ein verdicktes keratinisiertes Gewebe dazu beitragen, Entzündungen vor allem bei Parodontitispatienten zu reduzieren [27].
Nach aktuellen systematischen Übersichten sind autogene Transplantate als Goldstandard anzusehen, wobei ein Unterschied zu Ersatzmaterialien nicht in allen Studien festgestellt wurde [28–30]. Da für Letztere ein Entnahme-Eingriff entfällt, könnten die Produkte zum Beispiel bei schmerzempfindlichen Patienten oder mit dickem Gewebetyp eine Alternative sein [31]. Zur Verfügung steht eine Reihe allogener und xenogener Ersatzmaterialien (Abb. 3 und 4).

Keratinisiertes Gewebe schaffen

Ebenso wichtig scheint eine ausreichend breite keratinisierte Manschette um Implantate zu sein [32]. Das gilt posterior primär aus funktionellen, anterior zusätzlich aus ästhetischen Gründen. Goldstandard sind apikale Verschiebelappen, die im Unterkiefer mit einem freien Schleimhauttransplantat kombiniert werden [33]. Zur Deckung des freigelegten Alveolarbereichs können auch hier alternativ xenogene Membranen eingesetzt werden, wobei die Datenlage noch begrenzt ist [33, 34]. Ein ästhetisch relevanter Vorteil xenogener Membranen ist, dass sie nach der Integration farblich unauffällig sind und damit störende Unterschiede zur Umgebung vermieden werden [34].
Auch eine Wechselwirkung zwischen Weichgewebsdicke und -breite wird diskutiert. So zeigt eine klinische Pilotstudie, dass das Weichgewebsvolumen nach chirurgischer Periimplantitistherapie auch von der Breite der keratinisierten Mukosa beeinflusst wird [35]. Wie sich Rezessionen an Implantaten erfolgreich therapieren lassen, beschreibt eine Arbeitsgruppe um den Berner Parodontologen Prof. Dr. mult. Anton Sculean [36].

Hardware und Prothetik

Die verwendeten Implantate und Abutments sowie die Prothetik können ebenfalls dazu beitragen, dass Weichgewebe stabil und ästhetisch ansprechend bleiben – oder eben nicht. Bei allen Komponenten wird intensiv geforscht, welche Rolle das Material, die Oberflächenstruktur und das Makrodesign spielen. Da zum Beispiel eine große Anzahl von Implantatdesigns existiert, lassen sich in Bezug auf Gewebestabilität und damit auch Ästhetik, die geeignetsten Produkte kaum identifizieren [37]. Das gilt mit Hinblick auf den Pink Esthetic Score auch für die Implantat-Abutment-Konfiguration (konisch, flach oder Platform switching) [38].
Eine systematische Übersicht zu Abutment-Merkmalen aus dem Jahr 2018 zeigt nur für das Material einen Effekt, mit geringeren Sondierungswerten für Zirkonoxid im Vergleich zu Titan [39]. Auch neuere Reviews dokumentieren für die Oberfläche oder Konstruktion von Titanabutments (konvex vs. konkav) keine oder unklare Auswirkungen auf die Weichgewebe [40–42]. Beides kann daran liegen, dass (noch) keine geeigneten Studien über ausreichend lange Zeiträume vorliegen. Dagegen scheint klar zu sein, dass Keramik-Abutments die pinke Ästhetik im Vergleich zu Titan signifikant verbessern [43].
Sehr wichtig sind neben der Hardware auch die Implantatpositionierung und das gewählte chirurgisch-prothetische Protokoll. Dabei ist neben einer fein abgestimmten Diagnostik, bei Bedarf mit Unterstützung von DVT-Aufnahmen, die Fähigkeit gefragt, im Team dreidimensional zu planen [44, 45]. Besonders im ästhetischen Bereich werden dabei in der Regel noch analoge Verfahren mit schrittweiser Entwicklung der Weichgewebe eingesetzt (Abb. 5 und 6).

Fazit und Ausblick

Weichgewebe im ästhetischen Bereich zu gewinnen, auszuformen und langfristig zu erhalten, ist eine komplexe Aufgabe. Sie erfordert zuerst eine sorgfältige Planung, danach eine umsichtige Behandlung – und einen motivierten Patienten. Leisten kann dies nur ein erfahrenes und motiviertes Team, das mit geeigneten Materialien und bewährten Techniken arbeitet. Der Lohn ist: zufriedene und gesunde Patienten.
Dr. Jan H. Koch

Für eilige Leser
Weichgewebe gewinnen und erhalten

1. Stabile periimplantäre Weichgewebe gibt es nur mit guter Mundhygiene und konsequentem Recall.
2. „Pinke“ Faktoren sind für ästhetisch orientierte Patienten mindestens so wichtig wie „weiße“.
3. Ästhetische Faktoren sind nur Teil einer umfassenden Diagnostik, Situationsanalyse und Planung.
4. Stabiles Weichgewebe erfordert eine ausreichende knöcherne Basis und häufig Augmentationen.
5. Für GBR-Maßnahmen eignen sich je nach Defektgröße und -komplexität unterschiedliche Membranen.
6. Eine gute Wundheilung lässt sich durch geeignete Techniken fördern, bei Bedarf unterstützt durch Blutkonzentrate.
7. Für eine natürliche bukkale Weichgewebskontur eignen sich autogene Transplantate oder Ersatzmaterialien.
8. Eine ausreichend breite keratinisierte Mukosa ist eine weitere wichtige Voraussetzung für periimplantäre Stabilität.
9. Eindeutig überlegene (Goldstandard) Materialien, Oberflächen und Designs lassen sich weder für Implantate noch für Abutments definieren.
10. Implantatpositionierung und chirurgisch-prothetische Techniken tragen ebenfalls entscheidend dazu bei, dass Versorgungen ästhetisch erfolgreich bleiben.

Hinweis
Beiträge in der Rubrik ZahnMedizin kompakt können in keinem Fall die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sind keine Behandlungsempfehlung, sondern sollen – auf der Basis aktueller Literatur – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.

 

Literatur

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