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Würgreiz-Patienten: Was Zahnärzte beachten müssen

Patienten mit einem ausgeprägten Würgereiz sind für den Zahnarzt eine besondere Herausforderung. Wird das Problem nicht in Angriff genommen, besteht die Gefahr, dass Patienten den Zahnarztbesuch aufschieben oder letztlich ganz meiden – mit entsprechend negativen Folgen für die Mundgesundheit. Die folgenden Kasuistiken sollen Ihnen daher Anregungen zum Umgang mit dem Phänomen Würgereiz im Praxisalltag geben.

Fall 1: Prothesenträger mit Herzerkrankung

Ein 70-jähriger männlicher Patient wird von einem pensionierten Kollegen übernommen. Wegen der durch Mangelernährung bedingten Spätfolgen des Krieges hat der Patient schon mit Mitte 30 einen Teil seiner bleibenden Zähne verloren und trägt seither eine Prothese. Der ehemalige Werkzeugmechaniker leidet außerdem unter einer chronischen Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II), die mit einem ACE-Hemmer, einem Digitalispräparat und einem Diuretikum stabil eingestellt ist. Der Patient ist regelmäßig in internistischer Behandlung, sein sonstiger Allgemeinzustand ist gut (kein Übergewicht, Nichtraucher, mäßiger Alkoholkonsum).

Er klagt darüber, dass seine Prothese schlecht sitzt und ihn beim Kauen beeinträchtigt. Der Patient wirkt während der Untersuchung angespannt und unruhig, er geht nach eigenen Angaben nicht oft zum Zahnarzt. Bei der Initialuntersuchung stellt sich der Zahnersatz als insuffizient heraus, und es wird zudem eine schwere Parodontitis diagnostiziert.

Diskussion: Dieser Patient ist ängstlich, und die medikamentöse Einstellung seiner Herzerkrankung hat zusätzliche Folgen für die dentale Behandlung: Bei Patienten, die Diuretika oder ACE-Hemmer einnehmen, sollte ein Lokalanästhetikum ohne Adrenalin verabreicht werden, da dessen blutgefäßverengende Wirkung bei Herzpatienten zu Komplikationen führen kann.

Herzglykoside wie Digitalis erhöhen bei manchen Patienten die Neigung zu Übelkeit und Erbrechen – daher sollte eine Reizung des Würgereflexes bei diesem Patienten unbedingt vermieden werden. Aufgrund der Parodontalerkrankung plus Prothesenprobleme wird die weitere Behandlung in mehreren Schritten erfolgen müssen. Bevor zum Beispiel über einen festsitzenden Zahnersatz auf Implantaten nachgedacht wird, sollte zunächst die notwendige und weniger invasive parodontale Therapie durchgeführt werden. Dabei spielen für diesen herzkranken Patienten die Verminderung von Angst und Stress eine wichtige Rolle sowie die Vermeidung des Würgereflexes.

Optimal ist in diesem Fall die inhalative Sedierung mit Lachgas, die schon im ersten Behandlungsschritt erprobt und gegebenenfalls bei weiteren notwendigen Eingriffen eingesetzt werden kann. Lachgas dämpft den Würgereiz und ist die sicherste Sedierungsmethode für gut eingestellte Herzpatienten. Das Gas ist kardiovaskulär inert und führt zu einer verminderten Adrenalin-Ausschüttung und somit zu einer effektiven Stresskontrolle. Die Zumischung von Sauerstoff unterstützt zudem die Oxygenierung des Myocards.
Dennoch sollte der Zahnarzt bei der Behandlung von Herzpatienten immer darauf vorbereitet sein, eine Notfallsituation zu erkennen und gegebenenfalls geeignete Sofortmaßnahmen zu treffen.

Fall 2: Klaustrophobikerin mit Würgereiz

Eine 39-jährige Patientin stellt sich neu in der Praxis vor, deren Molaren 36 und 37 schadhafte und unästhetische Edelmetallkronen aufweisen. Der Zahnarzt empfiehlt ihr, diese gegen farblich angepasste Keramikkronen austauschen zu lassen, wozu sie prinzipiell bereit ist. Als ihr das Prozedere im Vorfeld detaillierter erklärt wird, merkt sie an, dass sie schon öfters klaustrophobische Episoden gehabt hat (zum Beispiel beim Fahrstuhlfahren). Sie hat außerdem bei früheren Zahnbehandlungen einige Male Würgeattacken erlebt, insbesondere bei Eingriffen in der hinteren Mundhöhle. Nun hat die Patientin Angst, dass sie während des Löffelabdrucks Erstickungsgefühle und Würgereiz bekommt.

Diskussion: Hier handelt es sich augenscheinlich um einen Würgereiz psychogenen Ursprungs, der sich mit der vorliegenden Angststörung vermengt. Es muss deshalb mehr über die Ätiologie und Ausprägung des Würgereizes in Erfahrung gebracht werden: Seit wann bestehen die Probleme? An welchen Stellen im Mund ist die Patientin empfindlich? Empfindet sie auch außerhalb der Zahnarztpraxis Würgereiz in bestimmten Situationen (olfaktorisch, situativ etc.)?

Hat sich der Zahnarzt ein Bild der Ursache der Beschwerden gemacht, sollte zusammen mit der Patientin ein Behandlungsplan aufgestellt werden – mit dem Ziel, bei jedem Schritt die Angst der Patientin vor dem Würgereiz beziehungsweise dem Erstickungsgefühl zu reduzieren. Wichtig ist, dass sich Zahnarzt und Team so empathisch wie möglich verhalten, damit sich die Patientin mit ihren Ängsten ernst genommen fühlt. Die Patientin sollte im gesamten Behandlungsverlauf das Gefühl haben, die Kontrolle über den Prozess zu behalten. So sollte der Zahnarzt klar kommunizieren, dass kein Schritt ohne ihr Einverständnis erfolgt und dass die Behandlung jederzeit abgebrochen werden kann, wenn sie das Signal dazu gibt.

Gegen den Würgereiz gibt es mehrere wirksame Interventionsstrategien, die alleine oder kombiniert eingesetzt werden können. Eher zeitintensiv sind systematische Desensibilisierungsprogramme oder das Erlernen von Entspannungs- beziehungsweise Atemtechniken. In puncto Atmen empfinden es manche Patienten als hilfreich, nur durch die Nase zu atmen, da sich der Würgereiz dadurch abmildert. Ebenfalls schnell umsetzbar sind im Praxisalltag Akupressur oder Ablenkungstechniken, zum Beispiel das Anspannen bestimmter Muskelgruppen während eines Behandlungsabschnittes. Hypnose ist ebenfalls wirksam und wird vor allem bei stark ausgeprägtem Würgereiz empfohlen, darf aber nur von speziell ausgebildeten Zahnärzten durchgeführt werden.

Helfen diese Techniken nicht, kann auf pharmakologische Alternativen zurückgegriffen werden. Diese Patientin eignet sich für eine orale Sedierung, zum Beispiel mit Midazolam, da die bei der Lachgassedierung benötigte Nasenmaske von Klaustrophobikern als einengend empfunden werden kann – allerdings lohnt es sich, die Methode zumindest zu testen, da sie schonender und sicherer als die orale Sedierung ist.