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Zahnärztliche Ergonomie: Damit Sitzen nicht krank macht

Die Beschwerden durch die sogenannte "Sitzkrankheit" sind vielfältig. Sie reichen laut aktueller Studien von Rücken- und Halsproblemen, Übergewicht bis hin zu erhöhtem Diabetesrisiko. Sogar eine größere Disposition an Krebs zu erkranken, wird der "Sitting disease" nachgesagt. Eine Stunde Sitzen soll das Arterioskleroserisiko um 14 Prozent erhöhen, bei extremem Sitzen steigt das Diabetesrisiko um 90 Prozent, das Risiko für Herzleiden um 18 Prozent.

Warum Sitzen gefährlich ist und was man tun kann, wenn man berufsbedingt viel sitzen muss, erklärt Prof. Dr. drs. drs. Jerome Rotgans, RWTH Aachen, beim Deutschen Zahnärztetag 2015.

 

Die Sitzkrankheit ist bei Zahnärzten weit verbreitet und der täglichen Arbeit am Stuhl geschuldet. Laut neuester Erhebungen haben rund 64 Prozent der Zahnärzte Rückenbeschwerden, und 42 Prozent klagen über Kopfschmerzen. Auch Ermüdungserscheinungen, Augen-, Gelenkschmerzen oder Schlafstörungen sind keine Seltenheit.

Behandlungseinheit nur ein Aspekt

"Doch es reicht nicht aus, die Industrie aufzufordern, die Gestaltung der Behandlungselemente zu verbessern“, so Rotgans, der sich als erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Arbeitswissenschaft und Zahnheilkunde" (AGAZ) schon sehr lange mit dem Thema beschäftigt. Der Niederländer propagiert ein ganzheitliches, weitgreifendes Konzept der Zahnarzt-Ergonomie, das die komplette Praxisorganisation einbezieht. Neben der physischen spielen dabei auch die mentale sowie sozial-organisatorische Ergonomie eine wichtige Rolle.

Bewegung ist alles

Hinter diesen sehr theoretischen Begriffen stecken praktische Verhaltensweisen, die leicht im Arbeitsalltag umsetzbar sind. Neben dem richtigen Behandlungsstuhl sollte der Zahnarzt vor allem darauf achten, sich viel zu bewegen; zum Beispiel die Sitzposition alle 30 Minuten verändern, aufstehen, um sich die Hände zu waschen, Patienten im Wartezimmer selbst abholen oder Besprechungen an Stehtischen abhalten.

Kurze und lange Behandlungszeiten sollten sich abwechseln, und länger als sieben Stunden sollte der Behandler auf keinen Fall am Stuhl arbeiten. Spezielle Handy-Apps, die daran erinnern, eine gerade Sitzhaltung einzunehmen oder T-Shirts, die per speziellen Einsätzen ein „krummes“ Sitzen verhindern, können zudem hilfreich sein.

Sensibilität für Workflow

Doch gutes Sitzen ist laut Rotgans vor allem eine Arbeitseinstellung, ein (Lebens-)Konzept, und damit weit mehr als nur die richtige Haltung. Eine gute Arbeitstechnik sei eine weitere wichtige Säule für eine gesunde Sitz- und Arbeitshaltung. "Der Zahnarzt muss seinen Workflow kennen und die anfallenden Arbeitsprozesse immer wieder visualisieren", so der sympathische Niederländer, der bis 2013 den Vorsitz der European Society of Dental Ergonomics inne hatte. Das trage zu einer motorischen Sensibilität für den richtigen Bewegungsablauf der Instrumente bei.

Praxisklima entscheidend

Dazu gehöre es auch, seine Arbeitsmethoden immer wieder anzupassen, im Sinne einer adäquaten Patientenbehandlung. "Regelmäßige Besuche medizinischer Fortbildungen sind da unerlässlich", so Rotgans.

Außerdem wichtig: eine klare Praxisphilosophie und ein offenes, angenehmes Arbeitsklima. Wer all diese Punkte beachtet, für den hat Sitzen seine Gefahr verloren. Daher ist es dem Experten auch ein besonderes Anliegen, dass die zahnärztliche Ergonomie bereits im zahnmedizinischen Studium vermittelt wird.