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Azubi, Geselle, Meister: Als Frau in der Führungsposition

ZTM Stephanie Beinke beantwortet Fragen über die Herausforderung der Laborübernahme.

Vor dem Haus, in dem sich das Dentallabor Masterdent befindet, gibt es mehrere Parkplätze, und auch wenn dies ein öffentlicher Parkplatz ist, ist das in einer Großstadt wie Dortmund viel wert. Das Gebäude selbst reiht sich lückenlos an die Nachbargebäude ein. Wenn der Blick empor in den vierten Stock geht, lässt sich ein kleines, blauerleuchtetes Zähnchen im Fenster erkennen. Will sagen: Hier geht es um Zähne – wenn das nicht schon das Laborschild am Eingang verraten hat.
ZTM Stephanie Beinke ist mittlerweile 28 Jahre alt und sitzt seit ihrer Ausbildung, die sie im Alter von 17 begonnen hat, am selben Platz neben Geschäftsführer und Ausbilder ZTM Müller. 


In ihrem Einstellungstest schnitzte sie ihrer Meinung nach zwar nicht den schönsten Zahn, aber ihr Chef hatte da wohl schon ihre Qualitäten erkannt, denn sie legte ihre Meisterprüfung 2017 als Beste ihres Jahrgangs ab. Mit dem Meistertitel kam auch die Aufgabe der Laborleitung. Das Stephanie Beinke eines Tages das Labor übernehmen sollte, war allerdings nicht erst eine Idee seit der Meisterschule, schon in der Ausbildung wurde sie auf den Generationenwechsel vorbereitet. 
Ganz im Gegensatz zur Zahnmedizin, wo die neue Generation Zahnärztinnen fast die Einführung einer Männerquote im Studium nötig macht, ist die Zahntechnik noch immer eine Männerdomäne. 
Somit übernimmt Stephanie Beinke eine Vorreiterrolle und ermutigt vielleicht mehr junge Zahntechnikerinnen, diesen Schritt zu gehen. In einem exklusiven Interview hat sie uns mehr über ihren Generationswechsel im Labor verraten.

 

ZTM Stephanie Beinke

Frau Beinke, wie alt waren Sie, als Sie Ihre Ausbildung begonnen haben?

Stephanie Beinke: Ich war 17. Nach der zehnten Klasse wollte ich die Schule nicht mehr weitermachen. Abitur und Studium kamen für mich nicht in Frage, ich wollte stattdessen lieber eine Ausbildung im Handwerk machen. Somit habe ich mich kurzer Hand in mehreren Dentallaboren um einen Ausbildungsplatz beworben.

War Zahntechnik von Anfang an Ihr Traumberuf?

Beinke: Als ich jünger war, habe ich in den Ferien oft meine Großeltern besucht. Mein Opa arbeitete als Fahrer in einem Dentallabor. So nahm er mich öfters mit auf die Touren. Mir hat die Atmosphäre in „seinem“ Dentallabor gefallen und ich habe mich dort schon als Kind wohlgefühlt. Da ich gerne etwas Handwerkliches machen wollte und für mich ein normaler Bürojob nicht in Frage kam, war die Zahntechnik also eine logische Konsequenz. 

Warum haben Sie sich entschlossen, den Meister zu machen?

Beinke: Bewusst habe ich mich nicht dafür entschieden. Ich hatte zwar schon im Hinterkopf, dass der Meister das höchste Ziel in der Zahntechnik ist, aber beschlossen wurde dieser Schritt eher gemeinsam mit meinem Chef. Er war von der Idee, direkt nach der Ausbildung mit dem Meister zu beginnen, sehr angetan. So fand ich mich kurze Zeit später in der Meisterklasse wieder. Wie sich herausstellte, mit Erfolg, denn die Meisterschule schloss ich als Bestmeisterin ab.

Nach Ihrem Meister haben Sie neben Herrn Müller die Laborleitung übernommen. War das der erste Schritt in Richtung Laborübernahme?

Beinke: Mit dem Titel Zahntechnikermeister kam die Position der Laborleitung. Und das macht mir wirklich richtig Spaß. Auch wenn es nur ein Schritt von vielen ist. Schon während der Meisterschule durfte ich verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen und konnte dadurch viele neue Eindrücke und Erfahrungen gewinnen.

ZTM Markus Müller und ZTM Stephanie Beinke

Es ist schon etwas Außergewöhnliches, dass Sie als Frau das Labor übernehmen sollen, war das von Anfang an der Plan?

Beinke: Es war nie wirklich mein Plan. Mein Chef suchte jemanden, dem er diese verantwortungsvolle Aufgabe zutraut. So wurde ich schon früh mit neuen und verantwortungsvollen Aufgaben vertraut gemacht. Mein Arbeitsbereich hat sich stetig erweitert, um in das Ganze hineinzuwachsen. Erst viel später ist mir klar geworden, dass in der Zahntechnik nur wenige Frauen leitende Positionen haben.

Wie viele Mitarbeiter hat das Labor? Und wie viele davon sind für CAD/CAM zuständig?

Beinke: Das Labor hat insgesamt 30 Mitarbeiter, davon sind 15 ausgebildete Zahntechniker. Bei uns hat jeder Techniker die Möglichkeit, mit CAD/CAM zu arbeiten, sodass jeder seine Arbeit von Anfang an anfertigen kann. Bei unseren Auszubildenden achten wir drauf, dass auch sie im Bereich CAD/CAM ausgebildet werden – denn das ist die Zukunft. Aber auch Techniker, die vorher weniger Berührungspunkte mit der digitalen zahntechnischen Welt hatten oder auch bisher wenig mit einem Computer gearbeitet haben, finden sich nun mit dem Wandel zurecht. So erlernten einige Techniker, ihre Arbeiten digital zu konstruieren und herzustellen.

Wie schulen Sie Ihre Mitarbeiter?

Beinke: Da jeder im Labor auf einem anderen Stand ist, was CAD/CAM oder auch was den Umgang mit dem Computer angeht und wir nicht immer jederzeit für alle verfügbar sein können, habe ich mir etwas einfallen lassen. Ich habe mit meinem Smartphone sogenannte Lehrvideos für die Techniker aufgenommen, in denen ich demonstriere, wie man etwa eine Schiene konstruiert. Ich erkläre in den Videos alles bis ins Kleinste, wie und wo man wie oft klicken muss, aber auch worauf man bei der Konstruktion sonst noch achten sollte.

Freizeit: Ist das für Sie mittlerweile ein Fremdwort?

Beinke: Überstunden gehören nicht zu unserem alltäglichen Wortschatz. Am Mittwoch und Freitag haben wir sogar das Glück, einen kürzeren Arbeitstag genießen zu können. Freizeit ist wichtig und man sollte nicht darauf verzichten müssen, vieles ist eine Frage der Organisation. Die ,,Work Life Balance´´ sollte ausgeglichen sein.

Sie sind noch relativ jung: Hatten Sie damit schon einmal Schwierigkeiten? Stichwort Hierarchie?

Beinke: Ich denke, dass es in jeder Branche schwierig ist, wenn eine neue Generation von Fachleuten heranwächst und irgendwann vom Wissen, weniger von der Erfahrung, auf Augenhöhe mit Kollegen oder Kunden steht. Das sollte man im Generationenwechsel berücksichtigen und einen fließenden Übergang schaffen. Hier ist eine lange Vorlaufzeit von entscheidender Bedeutung. Schon früh habe ich mich auch mit Arbeitsaufgaben beschäftigt, die nicht nur handwerklich, aber trotzdem alltäglich waren.

Die Übernahme des Labors ist durch die Übernahme der Laborleitung eingeleitet, was ist der nächste Schritt?

Beinke: Der nächste Schritt ist die Beteiligung mit 50 Prozent, denn mein Chef möchte sich in den nächsten fünf Jahren stückweise zurückziehen. Er möchte sich langsam immer mehr herausnehmen, sodass er zum Schluss auch nur noch Urlaubsvertretungen macht, bis er dann ganz „raus“ ist.

Wann haben Sie in Ihrem Labor mit dem „digitalen Wandel“ angefangen?

Beinke: Vor meiner Zeit gab es zwar schon eine Cerec-Maschine, aber wir wollten uns weiterentwickeln und hörten uns im Markt um. Hier haben wir uns dann für ein System von Amann Girrbach entschieden. Damit hatten wir die komplette Fertigungskette abgedeckt. Mittlerweile nutzen wir zwei 3-D-Drucker, zwei Allround-Fräsmaschinen, zwei Scanner und drei komplett digitale Arbeitsplätze. Den dritten Arbeitsplatz unseres Labors haben wir bewusst nicht im CAD-Raum selbst eingerichtet. So können wir immer ein Auge auf das werfen, was die Auszubildenden gerade machen. Die Wege sind kürzer, wenn es Fragen gibt.

ZTM Stephanie Beinke

Stichwort MDR: haben Sie schon mal was davon gehört und, wenn ja, wie bereiten Sie sich mit dem Labor darauf vor?

Beinke: Natürlich habe ich schon davon gehört! Hier im Labor haben wir diesbezüglich eine kleine Infoveranstalltung gehabt.  Da wir seit einiger Zeit mit dem Gedanken einer Umstrukturierung hinsichtlich Materialerfassung, Rechnungen und Logistik spielen, war die Verordnung ein Grund, diese Idee noch direkter anzugehen.

Was sagen Sie zum Thema Intraoralscanner? Sollten Zahntechniker selbst scannen dürfen?

Beinke: Von unseren Zahnärzten arbeiten 30 Prozent ausschließlich mit dem Intraoralscanner. Es wäre eine schöne Option, wenn Zahntechniker den Scan auch eigenständig durchführen dürften. Ich möchte damit nicht sagen, dass es ausschließlich die Aufgabe des Zahntechnikers werden soll, sondern eher  ein Vorteil inn der Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Labor. Es würde ein engerer Informationsaustausch stattfinden und ich stelle mir vor, dass man dadurch den Patienten noch zufriedener stellen könnte. 

Worin sehen Sie den größten Nutzen im digitalen Workflow?

Beinke: Gleichbleibende Qualität und Reproduzierbarkeit finde ich enorm wichtig. Das ist mit einer der größten Nutzen des digitalen Workflows. Der Arbeitsfokus wird stellenweise durch die Digitalisierung verlegt. Wir können uns jetzt besser auf Arbeitsbereiche konzentrieren, für die wir früher weniger Zeit hatten, oder andere, die komplett neu hinzugekommen sind. Digitale Farbauswahlen können intensiver und genauer analysiert werden. Sogar Patientenfotos können in die Software eingefügt und bearbeitet werden. Wir sind aktuell sogar dabei, komplett papierlos zu arbeiten, so wollen wir zum Beispiel unsere Planungen, Auftragszettel und Kostenvoranschläge weitestgehend digital erstellen. Hierfür werden wir Tablets und andere elektronische Geräte einrichten, die mit einer auf die Bedürfnisse zugeschnittenen Software bespielt werden. 

Wie viele Auszubildende bilden Sie im Moment aus? Hat sich für dieses Jahr schon jemand beworben?

Beinke: Im Augenblick haben wir drei Auszubildende. Leider hat sich bei uns noch niemand aktiv beworben, aber ich stehe seit kurzer Zeit wieder mit dem Bildungskreis in Verbindung. 

Merken Sie auch bei sich den Fachkräftemangel?

Beinke: Eher weniger. Denn fast alle Techniker, die bei Masterdent beschäftigt sind, haben auch ihre Ausbildung hier gemacht. Wir freuen uns immer, einen ehemaligen Azubi bei uns als Techniker begrüßen zu dürfen. 

Ist es schwer für Sie passende Auszubildende zu finden?

Beinke: Wir suchen aktiv nach Nachwuchs und warten nicht darauf, dass Bewerbungen bei uns ankommen. So gehen wir auf Bildungskreise und andere Einrichtungen zu, um neue Auszubildende zu finden. Natürlich hat man dadurch manchmal mehr Arbeit, es müssen Formulare ausgefüllt werden und benötigt einen größeren Aufwand.  Wer über den Tellerrand hinaus schaut, wird in der Regel auch dafür belohnt. Wir schätzen unsere Abzubildenden sehr.

Für viele Labore ist es schwer, einen Nachfolger zu finden, was denken Sie, woran das liegt?

Beinke: Es liegt am Wandel der Generationen. Der Lebensschwerpunkt der jungen Generation hat sich verlagert: mehr Freizeit, weniger Arbeit. Ich glaube auch, dass einige nicht mehr bereit sind, große Verantwortung zu tragen. Wer sich nicht früh genug Gedanken darum macht, wie die Nachfolge später mal auszusehen hat, könnte in Zukunft ohne dastehen. Das ist ein Thema, das man gerne vor sich herschiebt, ich könnte mir vorstellen vielleicht oft aus Angst. Schließlich hat jeder Laborinhaber viel Leidenschaft und Arbeit in seinen Betrieb investiert.

ZTM Stephanie Beinke

Was denken Sie, warum nicht mehr Zahntechnikmeisterinnen Labore übernehmen?

Beinke: Ich denke, dass es an der großen Verantwortung liegt und an dem Umstand, dass man sich hier in der Männerwelt behaupten muss. Denn einen Zusammenschluss, wie es die Zahnärztinnen bereits vorleben, gibt es in der Zahntechnik so leider nicht. So liegt die Verantwortung meistens auf einer einzelnen Person. Familienplanung ist heutzutage leider oft noch ausschließlich Frauensache, somit scheuen einige auch deshalb den Schritt in die Selbstständigkeit.

Wie würden Sie sich die Kooperation mit den Zahnärzten wünschen?

Beinke: Da brauche ich mir nichts zu wünschen, denn durch den Generationenwechsel und der generellen Umstrukturierung ändert sich die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Labor schneller, als manchem lieb ist. Die Kooperation steckt also genauso im Wandel wie alles andere in unserer Branche. Hier werden Arbeitsweisen ausgetauscht, neue kommen hinzu. Das erfordert dann eben auch eine neue Art der Zusammenarbeit und Kommunikation. Die Zukunft wird sehr spannend.

Was ist für Sie zum Schluss noch wichtig?

Beinke: Der Informationsaustausch ist mir sehr wichtig. Denn ich habe niemanden, mit dem ich mich wirklich über meine Situation austauschen kann. Damit mich jemand versteht, müsste er – oder sie –  eigentlich sie in der gleichen Siuation sein. Es kann doch nicht sein, dass ich damit ganz alleine bin …