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Zum GOZen

Die Mühlen der Politik mahlen mitunter langsam, in Sachen Gebührenordnung Ärzte und Zahnärzte sehr langsam, obwohl sie als Verordnungsgeber dafür in der Pflicht steht. Nun hat sich der Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestages am 24. April 2024 auf Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Gebührenordnungen für Ärzte und für Zahnärzte jetzt novellieren“ vom 4. Juli 2023 – mensch beachte Tempo und gefühlte Dringlichkeit – mit dem Thema befasst.

Gesundheitsausschuss: Anhörung zu GOÄ und GOZ

Kann die CDU/CSU ja jetzt gut beantragen, sitzt sie doch auf der weichen Oppositionsbank. Den damaligen Entwurf zur Neufassung der GOÄ wollte der Gesundheitsminister – er hieß Jens Spahn (CDU) – jedenfalls auch nicht „eben mal unterschreiben“. Das war 2021. Das Wort „scheinheilig“ könnte in manchen Köpfen aufleuchten. Gut, Leuchte wieder aus.

Jahrzehntelanger Reformstau

Zur Erinnerung – die aktuell gültige GOÄ stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 und wurde 1996 teilnovelliert, die GOZ und ihr Punktwert stammen im Grunde aus dem Jahr 1988. 1,5 Generationen behandelnder Zahnärztinnen und Zahnärzte waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren. Damals gab es noch Taschenrechner, die DDR und Whitney Houston – Gott habe sie selig – sang „One Moment in Time“. Die Mühlen der Politik mahlen …

Ein von Bundesärztekammer, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und den Beihilfekostenträgern konsentierter Entwurf einer neuen Gebührenordnung Ärzte, „die das gesamte ärztliche Leistungsspektrum nach Ansicht der Verfasser modern, transparent, nachvollziehbar und rechtssicher abbildet“, liegt schon länger vor. Und nun ist die Politik wieder aufgewacht und der Gesundheitsausschuss des Bundestages !!!!! hat sich der Themen GOÄ und GOZ angenommen – für 59 Minuten und 54 Sekunden. Zuvor hatten die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, der PKV-Verband und der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem eine schriftliche Stellungnahme zum Antrag abgegeben.

„Staatsversagen“

„Die Bundeszahnärztekammer unterstützt den auf eine Novellierung der Gebührenordnungen für Ärzte und für Zahnärzte gerichteten Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Eine Novelle der Gebührenordnung für Zahnärzte ist dringend notwendig“, schreibt die BZÄK in ihrer bemerkenswert argumentierten Stellungnahme. Die Bundesärztekammer kommt zu dem Schluss: „Die Bundesärztekammer hat außerdem für alle Leistungen des neu entwickelten Gebührenverzeichnisses betriebswirtschaftlich kalkulierte Preise ermittelt und im Rahmen eines gemeinsamen Testbetriebes mit dem PKV-Verband evaluiert. Die Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten und die Ärztinnen und Ärzte wurden überprüft, um gemäß der Vorgabe der Bundesärzteordnung den berechtigten Interessen beider Seiten gerecht zu werden. Auch dazu sind die Gespräche zwischen Bundesärztekammer und PKV-Verband weit fortgeschritten. Das Bundesgesundheitsministerium steht in der Verantwortung, auf Basis dieser Vorarbeiten die überfällige Novelle der GOÄ endlich auf den Weg zu bringen.“ „Das Bundesgesundheitsministerium sollte auf der Grundlage des final konsentierten Reformvorschlages zügig die Umsetzung starten“, schließt sich der PKV-Verband an. Und auch der Gesundheitsökonom Wasem kommt zu dem Schluss: „Es ist notwendig, die Gebührenordnungen GOÄ und GOZ zu aktualisieren.“ So viel Einigkeit ist selten bei so komplexen Interessensverhältnissen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern.

Die Bundesärzteordnung und das Zahnheilkundegesetz geben vor, dass die GOÄ und die GOZ mit Zustimmung des Bundesrats als Rechtsverordnung der Bundesregierung erlassen werden. Insofern bezeichnete der Einzelsachverständig Prof. Wasem von der Universität Duisburg-Essen die Nicht-Anpassung der GOÄ seit mehr als 30 Jahren während der Anhörung völlig zurecht als „Staatsversagen“. Und auch der amtierende Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte einer Reform der GOÄ bereits mehrfach eine Absage erteilt, dann aber auf dem Krisengipfel im Januar dieses Jahres vage Gesprächsbereitschaft erkennen lassen. Und die Reform der GOÄ ist Vorbedingung einer Reform der GOZ.

Standespolitische Dissonanz

Setzte sich Dr. Romy Ermler, BZÄK-Vizepräsidentin, in der Sitzung des Gesundheitsausschusses mit klug vorgetragenen Argumenten vehement für eine Reform der GOZ ein, ließ sich der FVDZ in einer eilends vor der Ausschusssitzung verbreiteten Mitteilung durch seinen Bundesvorsitzenden Dr. Christian Öttl gegenläufig zitieren: „Eine GOZ-Novellierung als Blaupause des vorliegenden GOÄ-Reformentwurfs wäre für die Zahnärzteschaft ein Supergau.“ Nun dürfte mensch nicht erwarten, dass Gesundheitspolitiker:innen immer das Kleingedruckte lesen, aber die fett gesetzten Kernbotschaften werden sie wahrnehmen. Und was hier einmal mehr von der Politik wahrgenommen wird, ist die Dissonanz der zahnärztlichen Interessenvertretungen. Im Ausschuss heißt es „Ja“, vor der Ausschusstür schallt ein „Nein“. Die Frage darf erlaubt sein, ob sich die sowieso schon viel zu wenig gehörte zahnärztliche Standespolitik durch kakophone Vielstimmigkeit in die Bedeutungslosigkeit verabschieden möchte.

Nach mehr als 35 Jahren und zäher Arbeit durch die BZÄK gibt es einen zarten GOZ-Reform-Lichtstreif am Horizont, und dieses vage Lichtlein wird dann als „größter anzunehmender Unfall“ dämonisiert.

Standespolitischer Weitblick sieht anders aus.

Titelbild: Rrose Selavy – stock.adobe.com