Anzeige

Einführung der MDR: noch drei Wochen

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Auch wenn man es kaum glauben mag: Neben all den Einschränkungen, Unsicherheiten und dramatischen Folgen für Leib und Leben hat die Corona-Pandemie den Beteiligten im Bereich Zahnmedizin Zeit verschafft. Die Einführung der Medical Device Regulation wurde um ein ganzes Jahr verschoben. Zeit, um Praxis und Praxis­labor, als Laborinhaber das Labor oder als Anbieter von Materialien und Geräten sein Unternehmen auf das vorzubereiten, was ab 26. Mai ohne Übergangsfrist endgültig in Kraft tritt: die MDR.

Gespräche mit Zahnärzten und Labor­inhabern, wie denn der Stand der Dinge in Sachen MDR sei, ergeben allerdings ein gemischtes Bild: In größeren Laborstrukturen oder in der Dentalindustrie wurde sehr gezielt schon auf das ursprüngliche Datum des Inkrafttretens der MDR hin­gearbeitet, das zusätzliche Jahr außerdem für weiteres Feintunig genutzt.

Fristverlängerung: zu viele coronabedingte Unsicherheiten

Aus kleineren Strukturen wie klassischen Einzelpraxen und gewerblichen Laboren war teilweise zu hören, dass man die Fristverlängerung kaum habe nutzen können, um alle Kernanforderungen der MDR umzusetzen. Zu viele coronabedingte Unsicherheiten und schwer kalkulier­bare Verschiebungen in der Auftragslage hätten kaum Zeit gelassen, sich auf diese wichtige Änderung vorzubereiten. Teil­weise wurde argumentiert, das baldige Inkrafttreten der MDR werde vermutlich gar keine so großen, spürbaren Änderungen und Konsequenzen mit sich bringen – vergleichbar mit der DSGVO, die fast genau auf den Tag drei Jahre vor der MDR in Kraft getreten ist.

Vergleichbar sind beide Verordnungen – MDR und DSGVO – nur bedingt. Während sich Letztere „nur“ mit Fragen des Datenschutzes befasst, geht es bei der MDR um deutlich handfestere Sachverhalte, um Medizinprodukte, die zum Teil in den Körper eingebracht werden. Entsprechend gravierender sind die Konsequenzen, wenn Zwischenfälle oder Vorkommnisse eintreten und ein „Hersteller“ nicht nachweisen kann, die Vorgaben der MDR lückenlos umgesetzt zu haben. Ach ja, Datenschutz spielt selbstverständlich
auch in der MDR eine gewisse Rolle.

Dreh- und Angelpunkt ist das QM-System

Dreh- und Angelpunkt für Zahnärzte und Zahntechniker ist das QM-System, an das die MDR besondere Anforderungen stellt. Gefordert wird in Artikel 9 Absatz 10 explizit ein „lebendiges“ QM: „Hersteller von Produkten (…) müssen ein Qualitätsmanagementsystem einrichten, dokumentieren, anwenden, aufrechterhalten, ständig aktualisieren und kontinuierlich verbessern.“

Als Hersteller im Sinne der MDR gelten neben der Dentalindustrie als Hersteller von Serienprodukten auch die Hersteller von Sonderanfertigungen, also das gewerbliche und gleichermaßen das Praxislabor, wenn sie Zahnersatz herstellen. Das gilt auch dann, wenn beispielsweise industrielle Fertigungstechniken wie CAD/CAM-Verfahren zur Zahnersatzherstellung ein­gesetzt werden – am Ende ist die Art des Produkts, in diesem Fall der Status „Sonderanfertigung“, entscheidend.

Es empfiehlt es sich, das Gesamtsystem einem Check zu unterwerfen

Relativ gelassen können Zahnärzte der Einführung der MDR entgegensehen, wenn sie bereits ein Qualitätsmanagementsystem nach der Norm DIN EN ISO 13485:2016 unterhalten. Selbst dann empfiehlt es sich aber, das Gesamtsystem einem Check zu unterwerfen, insbeson­dere einen Blick auf die Aktualität der Konformitätserklärungen der Hersteller zu werfen, mit deren Produkten in der Praxis (und im Praxislabor) gearbeitet wird, und gegebenenfalls aktualisierte Konformitätserklärungen abzurufen.

Apropos Hersteller und deren Produktangebote: Auf die Industrie kommt als Hersteller von Serienprodukten die Auf­gabe zu, ihre Produkte entsprechend den MDR-Vorgaben rezertifizieren zu lassen. Dies ist nicht nur ein gewaltiger Kostenfaktor auf Herstellerseite, sondern wegen der Knappheit Benannter Stellen auch zeitlich kritisch. Eine Folge könnte durchaus sein, dass nach dem 26. Mai nicht mehr alle Produkte zur Verfügung stehen.