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„Praxen brauchen eine stabile, störungsfreie Telematikinfrastruktur“

KZBV Logo am Ärztehaus in Köln

Die Ausweitung der Anwendungen in der Telematikinfrastruktur hat ein rasantes Tempo angenommen. Doch läuft nicht alles reibungslos. Die dzw hat die KZBV dazu befragt.

Die Ausweitung der Anwendungen in der Telematikinfrastruktur hat ein rasantes Tempo angenommen – ePA, eAU und E-Rezept. Und die gesetzlichen Fristen zur Einführung und Umsetzung sind eng. Doch läuft nicht alles reibungslos, wie bereits im Artikel "eReady oder "Ich habe fertig"?" beschrieben.
Schon auf der jüngsten Vertreterversammlung der KZBV im Sommer hatte der zuständige stellvertretende Vorstandvorsitzende, Dr. Karl-Georg Pochhammer, moniert: „Drei Anwendungen, darunter zwei, die täglich millionenfach ausgeführt werden, sollen in schneller Abfolge in nur sechs Monaten flächendeckend in allen Praxen eingeführt werden. Das wäre schon ohne Pandemie eine große Herausforderung g, weshalb nicht nur den ganz Aufgeweckten klar sein dürfte, dass diese Taktung völlig unrealistisch ist.“
Für die dzw ist das ein Anlass, bei der KZBV nachzufragen, wie sie heute die Lage einschätzt.

Fragen zur TI an die KZBV und ihre Antworten

Wie weit sind die Zahnarztpraxen mit der TI?

KZBV: Die Zahnarztpraxen sind auf einem sehr guten Weg. Die meisten Praxen haben bereits einen HBA und kümmern sich recht schnell um die nötigen Updates ihres Konnektors und ihres Praxisverwaltungssystems (PVS).

Welche Sanktionen drohen wem?

KZBV: Nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes müssten die Sanktionen jede Vertragszahnarztpraxis treffen, die nicht bis zum 30. Juni 2021 an die ePA angebunden war. Es war jedoch allen Beteiligten bewusst, dass nur ein Bruchteil der Praxen überhaupt die Möglichkeit hierzu hatte, da die notwendigen Komponenten und Updates nicht verfügbar waren. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte sich dementsprechend dahingehend geäußert, dass eine Sanktion dort nicht erfolgen müsse, wo die Anbindung an die ePA objektiv und nachweisbar nicht umgesetzt werden konnte. Daher sollten letztlich nur solche Praxen betroffen sein, die sich der ePA aktiv verweigern.

Wie sollen E-Rezepte ausgestellt werden, wenn die Technik noch nicht wirklich funktioniert?

KZBV: Selbstverständlich kann eine Arzneimittelverordnung nur dann über das E-Rezept erfolgen, wenn das E-Rezept auch tatsächlich technisch voll funktionsfähig zur Verfügung steht. Die KZBV macht sich innerhalb der Gematik und dem BMG gegenüber seit je her für ausgiebige Tests der Anwendungen vor der jeweiligen Einführung stark, so auch beim E-Rezept. Zunächst wurde die Testphase in der Fokusregion Berlin/Brandenburg um zwei Monate verlängert. Wenn dem bundesweiten Rollout dann noch etwas im Wege stehen sollte, werden wir gemeinsam mit den anderen betroffenen Sektoren eine geeignete Lösung im Sinne der Versorgung finden.

Bringen die (geplanten) Neuerungen Zeitersparnis für die Praxen?

KZBV: Leider nein, im Gegenteil: Für Praxen bringen zumindest manche Neuerungen sogar eher noch Mehrarbeit und Mehraufwand mit sich. Zumindest in der Einführungsphase der Anwendungen ist mit einer Zeitersparnis nicht zu rechnen, wenn dann etwa die „Komfortsignatur“ noch nicht zur Verfügung steht, hier und da die Software noch nicht zu 100 Prozent ausgereift ist oder das Praxispersonal sich noch nicht an die neuen Arbeitsabläufe gewöhnt hat. Bei der eAU ist zudem zu bedenken, dass im ersten Schritt nur die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die zuständige Krankenkasse elektronisch erfolgt und es somit zu keiner Zeitersparnis in der Zahnarztpraxis kommen wird.

Wie wird die Politik von Seiten der KZBV adressiert?

KZBV: Der standespolitische Fahrplan der Vertragszahnärzteschaft für die kommenden Jahre ist die Agenda Mundgesundheit 2021–2025, die erst vor wenigen Wochen von der Vertreterversammlung der KZBV verabschiedet wurde. In der Agenda werden unter anderem auch Positionierungen und Forderungen des Berufsstandes in Sachen Telematikinfrastruktur und Digitalisierung klar benannt. Grundsätzlich gilt: Digitale und technische Innovationen müssen für die Zahnärztinnen und Zahnärzte zeitlich, wirtschaftlich und organisatorisch umsetzbar sein und für die Versorgung der Patientinnen und Patienten einen erkennbaren Mehrwert entfalten. Dazu müssen die zahnärztliche Berufswirklichkeit und die Belange der Anwenderinnen und Anwender in den Blick genommen werden.
Die TI sollte für Heilberufe eine positive Ergänzung im Versorgungsalltag sein. Sie muss zur Entlastung etwa bei Anamnesen und Diagnosen beitragen, so dass Zahnärzte mehr Zeit für Patienten haben, anstatt mühsam relevante Unterlagen anzufordern. Als Beispiele für entsprechende, nutzenstiftende Anwendungen sind für die zahnärztliche Versorgung künftig das elektronische Bonusheft und der elektronische Heil- und Kostenplan zu nennen. Die Praxen brauchen ansonsten eine stabile, störungsfreie Telematikinfrastruktur. Es sollten versorgungsorientierte Lösungen entwickelt und dabei Verwaltungs- und Bürokratieaufwand reduziert werden. Die Kosten des digitalen Transformationsprozesses müssen refinanziert werden. Um etwa die Chancen der Telemedizin zu nutzen, sollte die Möglichkeit der zahnärztlichen Videosprechstunde auf alle Patientinnen und Patienten ausgeweitet werden.   

Wer sind die aktuellen Gesprächspartner in Zeiten eines wie immer kommenden Regierungswechsels?

KZBV: Unabhängig von der kommenden Regierungsbildung steht die KZBV zu den Themen TI und Digitalisierung jederzeit in engem und fortgesetzten Kontakt mit der Fachebene des BMG.
Zudem ist die KZBV Trägerorganisation der Gematik, so dass auch hier ein enger Austausch zu allen Themen jederzeit gegeben ist, die die Telematikinfrastruktur und damit auch die vertragszahnärztliche Versorgung direkt und indirekt betreffen.