Anzeige

Premium Article

Premium Article
0

Advertorial

Advertorial
0

Quo vadis, Niederlassung?

Das Großkapital der Welt beauftragt eigene Durchführungsgesellschaften mit der Kapitalsicherung, indem unter anderem gewinnträchtige Branchen, darunter Teildisziplinen der Medizin, als vermeintlich sichere Häfen für Anlagen mit solider Gewinnaussicht eingekauft werden. Auf Praxisfang geschickt, treffen die agierenden Gesellschaften allerdings auf recht verkaufswillige Zahnärzte mit Praxisformaten, die für den niederlassungswilligen Jung-Zahnarzt schlicht nicht stemmbar sind. Too big to sell. Dass die Politik es ermöglicht hat, dass in zahnmedizinfremden, angekauften maroden Kleinkrankenhäusern weit entfernt irgendwo in Deutschland Zahnmedizin betrieben werden kann, erstaunt selbst branchenfremde Beobachter.

Interessiert sind diese Investoren nachvollziehbarerweise am Ankauf hoher Traditionsgewinne aus etablierten Praxen. Wobei deren Gewinnerwartung deutlich unter den rund 29 Prozent Bruttogewinnen vom Honorarumsatz durchschnittlicher zahnärztlich-freiberuflicher Tätigkeit liegen werden. Aber auch ein beispielsweise 12-prozentiger Betriebsertrag liegt noch deutlich über dem, was das Großkapital heute am internationalen Kapitalmarkt verdienen könnte. Das Großkapital hat mit der Wirtschaftskrise 2008 eben auch gelernt, dass der reine Handel mit Geld gelegentlich die Unterstützung echter Wertschöpfung aus praktischer Tätigkeit benötigt. Und da rückt dann rasch, besonders in Deutschland, die Medizin in den Fokus.

Wer überhaupt infrage kommt

Es interessieren Praxisausgangslagen, die nachhaltig oberhalb von einer Million Euro Jahresgewinn liegen. Die Praxen sollen Mehrbehandlerpraxen sein, mindestens vier bis sechs Behandlungsräume haben, und die Inhaberschaft sollten den Eindruck vermitteln, mindestens vier Jahre nach dem Verkauf als Vollkraft und gesund als Praxisleiter mitarbeiten zu können. Damit der Abgeber auch nach dem Verkauf engagiert am Ball bleibt, wird ein Bonus-Malus-System in den Kaufvertrag eingebaut. Sehr bald nach Kontaktaufnahme und nach erster Auswertung der BWA und SuSa-Liste wird ein Kaufangebot abgegeben, das durchaus beim Vierfachen des Bruttohonorargewinns des Durchschnitts der vergangenen drei Jahre liegen kann.

Vorteilhaft ist es, wenn der Praxisabgeber bereits über ein detailliertes Wertgutachten für den materiellen und den ideellen Wert (Goodwill) seiner Praxis verfügt. Im Rahmen eines letter of intent wird Stillschweigen und Exklusivität für die Dauer der anschließenden Due-Diligence-Prüfung vereinbart. In diesen Wochen darf der Verkaufsinteressent seine Praxis nicht anderweitig anbieten. Verläuft die durchaus anspruchsvolle, rund vier- bis sechswöchige Due-Diligence-Prüfung befriedigend, wird ein definitiver Ankaufsvertrag verfasst, und sehr zuverlässig werden 50 Prozent der vereinbarten Kaufsumme mit dem Tag der Praxisübernahme ausgezahlt.

Nach dem Verkauf

Für die andere Hälfte des Kaufpreises gibt es verschiedene Modelle. Eines haben alle gemeinsam: Der Abgeber muss per tätiger Mitarbeit für eine definierte Anzahl von Jahren Sorge tragen, dass die Gewinne nicht absacken. Er muss also selbst weiter engagiert tätig bleiben. In Verträgen ist vom „leitenden Zahnarzt“ die Rede. Veräußerer über 60 Lebensjahre werden genauer auf ihre Leistungskraft in der Zukunft angesehen. Erwirtschaftet er mehr, erhöht das den Wert der zweiten Kaufrate, vermindert er ihn, wird ein Wert von den zweiten 50 Prozent abgezogen. Im Closing wird dann der Vertrag geschlossen.

Derzeit haben Kapitalinvestoren noch derart viele Verkaufsangebote abzuarbeiten, dass selbst Abgabepraxen, die nachhaltig mehr als 50 Prozent Gewinn bei mehr als 1,3 Millionen Jahreshonorarumsatz aufweisen, nicht von Interesse sind.

Was wäre die Alternative zur Fortsetzung großer, umsatz- und ertragreicher Praxen? Völlig klar ist, dass Praxen mit rund einer Million Euro Bruttogewinn bei rund 2,5 Millionen Euro Honorarumsatz zu groß sind, um von Einzelexistenzgründern, von der jungen, nachwachsenden Zahnärzteschaft in freier Existenzgründung erworben zu werden. Gleichzeitig ist die Neigung der jungen Zahnärzteschaft, sich zum Zeitpunkt der geplanten Existenzgründung gleichzeitig zu Betreibergemeinschaften zusammenzuschließen, unterentwickelt. Dazu fehlt die kaufmännische/wirtschaftliche Anleitung aus dem Zahnmedizinstudium. Auch „stört“, dass wir in der jungen Zahnärzteschaft (wie in der Gesamtwirtschaft) die Generation der Livebalance Suchenden haben. Gar nicht so selten steht auch das süße Brot eines in Aussicht stehenden Erbes dem beruflichen Engagement entgegen.

Hinzu kommt, dass sich die junge Zahnärzteschaft nach dem Studium der Zahnmedizin und der sich anschließenden Vorbereitungszeit fachlich nicht genug gestärkt fühlt, die Gesamtheit der Möglichkeiten der zahnmedizinischen Leistungspalette am Patienten selbst zu beherrschen. Man möchte abwarten, Erfahrung aus angestellter Tätigkeit sammeln, ein Curriculum hier und ein Curriculum dort absolvieren. Dabei darf gesagt werden, dass die Gesamtheit heutiger Zahnheilkunde in der praktischen Umsetzung wohl nicht mehr in einen Kopf passt und von zwei Händen erbracht werden kann. Würde der oder die einzelne das versuchen, würde die Fallroutine leiden. Und finanzierbar wäre die nötige Praxisausstattung für den Einzelkämpfer auch nicht. Alles weist auf Mehrbehandlerpraxen oder einen Qualifikationsweg mit Zugangsaufteilung hin, wie er am Ende dieser Ausarbeitung aufgeführt wird.

In diesem Zusammenhang vergehen Jahre, übrigens auch in Bezug auf den eigenen Kapitalaufbau aus beruflicher Tätigkeit. Erhält ein angestellter Zahnarzt über Jahre ein Gehalt, in dem er sich gegebenenfalls mit dem Lebenspartner einrichtet, wächst das Begehren zur selbstständigen, freiberuflichen Tätigkeit auch nicht. Der nun seit Jahren mit ca. 80 Prozent examinierende Frauenanteil in der Zahnärzteschaft – der Numerus clausus lässt grüßen – führt aus der Beobachtung heraus seltener zu dem Ziel, aus dem Beruf dauerhaft eine ganze Familie allein unterhalten zu wollen. Eine reduzierte, spezialisierte Tätigkeit ja, aber in Teilzeit, ist eher der Wunsch und inzwischen belegte Praxis. Auf die Möglichkeit, hier veränderte Ausgangssituationen zu schaffen, geht Teil 2 dieses Beitrags ein.

Gründe für den Verkauf an Investoren

Der niedergelassenen freien Zahnärzteschaft ist es teils aus Bequemlichkeit, teils aus der Not heraus gegeben, sich gleich an Kapitalinvestoren zu wenden. Die Aussichtslosigkeit, sehr ertragreiche Praxen an klassische Existenzgründer zu veräußern, hat sich herumgesprochen.

Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen Kapitalinvestoren sich gegenseitig überboten. Ihnen laufen noch immer veräußerungswillige Praxisinhaber in der Hoffnung auf eine angenehme, einfache, sichere und ertragreiche Veräußerung in die Arme. Dies zumal dann, wenn sich die Praxisimmobilie im Eigentum der Abgeberschaft befindet – so ist der Mietvertrag sicherer. Überhaupt bringen Kapitalinvestoren die Verträge gleich mit. Im Geschäftsleben erstellt gängigerweise der Verkäufer den Vertrag, der verhandelt und, gegebenenfalls angepasst, dann vom Käufer angenommen wird.

Gründe gegen den Verkauf an Investoren

Demgegenüber gibt es eine Anzahl von Praxisinhabern, die zögern, Kapitalinvestoren ihren Praxisbetrieb anzubieten. Die Sorge um die Weiterversorgung des etablierten Patientenstamms wird da genannt wie auch die Idee, ihre Assistenzen könnten bei einem Kapitalinvestor nicht so gut aufgehoben sein. Auch gibt es gefühlte Standesbedenken, Praxen an Investoren zu verkaufen. Da nimmt man manchmal deutlich geringere Erlöse im Verkauf an klassische Existenzgründer in Kauf – und manche Praxis wird zum Ende des Berufslebens in der Frequenz und im Ertrag heruntergefahren, um dann letztlich geschlossen zu werden.

Noch einmal: Die Interessenlage zum Verkauf an Investoren ist getragen von einem Mix aus dem Wunsch nach schnellem Veräußerungsabschluss ohne Besichtigungstourismus und einem hohen Kauferlös. Gelegentlich spielt auch der Wunsch nach Sicherheit für die Vermietung der in der Zahnarztfamilie befindlichen Praxisimmobilie eine Rolle.

Das Angebotsverhalten der Kapitalinvestoren kann beschrieben werden mit klar im Angebotsverhalten, gründlich in der Detailprüfung, zuverlässig im Bezahlverhalten – eben professionell. Nicht wenige Verkäufer größerer Praxen wurden in der Abgabephase aber auch von Kaufinteressenten aus dem Kreis der jungen Zahnärzteschaft regelrecht verschaukelt und haben sich aus Ärger und Trotz sodann an Kapitalinvestoren gewendet.

Aber woher stammt die große Bereitschaft junger Zahnmediziner, angestellt tätig zu sein, gleichgültig ob in freier Praxis oder in umfänglicherer Kollegenschaft im iMVZ? Da ist zunächst einmal die bei mehr als 80 Prozent liegende Frauenquote der nachwachsenden Zahnärzteschaft zu nennen. In diesem Kreis scheint das Interesse weniger vorhanden zu sein, eine Familie dauerhaft aus zahnärztlicher Tätigkeit als Alleinverdienerin zu ernähren. Anders als das bei den männlichen Kollegen in der Zahnärzteschaft vormals der Fall war. Die Betonung liegt auf vormals. Denn weil die vorgenannten Gründe einer gewissen Zögerlichkeit auch für Männer gelten, ist dort ebenfalls der Drang in die freiberufliche Verantwortung recht gebremst. Der Wunsch nach einer 50-, 60- oder 70-prozentigen Teilzeittätigkeit ist geboren. Hier reagieren Investorenarbeitgeber offenbar besonders flexibel und entgegenkommend.

Aber dazu mehr im zweiten Teil der Serie.

(Wird fortgesetzt)

Titelbild: diignat – stock.adobe.com

Horst Willeweit

Nach 45 Jahren als Praxiseinrichter ist Horst Willeweit im Feld der Dienstleistungen für Dentalhandel, Herstellung sowie der Wertermittlung zahnärztlicher Praxen und zahntechnischer Labore bundesweit tätig (Abgaben/Übernahmen, materiell wie ideell/Goodwill).
Kontakt auf www.willeweit.de

Mitglied seit

6 Jahre 3 Monate