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Psyche und Zähne: Alles hängt mit allem zusammen

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Stress per se ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, solange ein gewisses, von der individuellen Resilienz abhängiges Maß nicht überschritten wird. Wo die Grenze des Einzelnen zwischen positivem und krankmachendem Stress verläuft, kann nicht pauschal gesagt werden. Tatsache ist aber, dass ein Zuviel an Stress massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, bis hin zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen. Heute weiß man, dass sich übermäßiger Stress und psychische Beeinträchtigungen an vielen Stellen des menschlichen Organismus manifestieren können.

Eines der populärstens Beispiele für die Auswirkungen von Stress auf die Mund­gesundheit ist das Zähneknirschen. Im Schlaf, aber auch tagsüber, sucht der an­gespannte Organismus nach Wegen, diese Spannungen abzubauen. In gewisser Weise ist das Bruxieren also eine durchaus physiologische Reaktion, ein Schutzmechanismus des gestressten Körpers, aufgestauten Druck durch wiederholte Aktivität der Kaumuskulatur irgendwie abzubauen. Dies kann jedoch auch ernsthafte Auswirkungen auf Zähne, Kaumuskulatur und die Kiefergelenke haben. Der gestresste Patient wird zu einem Fall für den Zahnarzt, den Kieferorthopäden, den Funktionsspezialisten.

Komplexer Zusammenhang zwischen Stress und Psyche

Anders gelagert und in den Konsequenzen weit weniger offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und Erkrankungen des Zahnhalteapparats. DDr. Christa Eder beschreibt in ihrem Beitrag den äußerst komplexen Zusammenhang zwischen Stress und Psyche auf die überschießende Immunantwort des Körpers in Kombination mit bakteriellen Noxen und die Folgen in Form einer Parodontitis.

Es ist nichts Neues, das parodontale Entzündungen das Ergebnis des Zusammenspiels vieler unterschiedlicher Faktoren sind – ein klassisches Beispiel für ein multifaktorielles Geschehen. Mangelhafte Mundhygiene, eine ungünstige genetische Disposition, falsche Ernährung und Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum sind bekannte Auslöser parodontaler Erkrankungen.

Orale Flora im Ungleich­gewicht

Bekannt sind ebenfalls die teils dramatischen Auswirkungen dieses permanenten Entzündungsherds im Mund auf die Allgemeingesundheit, darunter kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes etc. In den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt ist eine weitere Ur­sache für gingivale und parodontale Entzündungen, die im menschlichen (oralen) Mikrobiom zu finden ist. Ist die orale Flora im Ungleich­gewicht, nehmen pathogene Keime leicht Überhand. Falsche Ernährung und Noxen wie Nikotin und Alkohol können zum Auftreten einer oralen Dysbiose beitragen.

Jüngere Untersuchungen haben ergeben, dass auch chronischer Stress als weiterer Faktor zu einer Verarmung des Mikro­bioms führen kann, und zwar nicht nur hinsichtlich der Darmflora, die den größten Teil des menschlichen Mikrobioms ausmacht, sondern gerade auch im oralen Mikrobiom. Die daraus resultierende Dysbiose mit einer Zunahme unerwünschter Keime führt zu fehlgerichteten Immunreaktionen oraler Gewebe. In diesem Zusammenhang kommt auch die Diskussion um Probiotika zur Verdrängung parodontalpathogener Keime nicht von ungefähr. So vielfältig die Ausprägungen parodon­taler Erkrankungen auch sind: für die Ursachen gilt dies gleichermaßen.

Größter Kongress zum Thema Parodontitis

In wenigen Wochen wird in Kopenhagen der weltweit größte Kongress zum Thema Parodontitis stattfinden. Auch wenn einer der Schwerpunkte des wissenschaftlichen Programms auf neuen Behandlungs­methoden liegt: Die 10. Europerio wird auch einen detaillierten Blick auf neue Erkenntnisse hinsichtlich systemischer Faktoren und das aktuelle Verständnis parodontaler Erkrankungen werfen.

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