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Was ist gesund

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz: Entwurf und mögliche Folgen

Im Referentenentwurf zum Versorgungsgesetz 1 – ganznamig Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) – taucht das Wort „Zahn“ wie in Zahnarzt, Zahnärztin und Zahnheilkunde genau ein Mal auf: als „Zahnersatz“ im Rahmen einer neu zu erstellenden Richtlinie durch den GKV-Spitzenverband. Ansonsten bleibt es bei Verwaltungsaufträgen an die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.

Entbudgetierung nur ganz punktuell

Dieser lichtscheue Gesetzentwurf birgt immerhin an einer Stelle das ärztliche Zauberwort „Entbudgetierung“. Dieser Hauch an Zuwendung richtet sich nur allein an die Hausärztinnen und Hausärzte: „Um die hausärztliche Versorgung zu stärken und auch künftig flächendeckend zu gewährleisten, wird die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit in der allgemeinen hausärztlichen Versorgung dauerhaft finanziell attraktiver ausgestaltet. Hierzu werden die Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung von mengenbegrenzenden oder honorarmindernden Maßnahmen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und der Honorarverteilung ausgenommen (Entbudgetierung).“ Poesie ist es nicht. Und leisten kann sich das lauterbach‘sche Haus dieses kleine Anerkennung Richtung Ärzteschaft auch nur aufgrund der aktuellen Lohnentwicklung und den damit einhergehenden steigenden GKV-Einnahmen. Doch damit dürfte erst einmal Schluss sein. Die jüngst veröffentlichten Wachstumsprognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht Deutschland mit 0,3 Prozent gerade vor Argentinien. Die weltweite Wachstumsrate liegt demnach bei 2, 9 Prozent. Bei den GKV-Ausgaben dürfte in Zukunft wohl weiter der ministerielle Rotstift dominieren, sollen die Versichertenbeiträge nicht ewig weiter steigen. Und auf eine „nachhaltige Finanzreform“ der GKV, wie sie der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes fordert, dürfen wir unter Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach wohl vergeblich warten.

Kommunale Parallelwelten

Stattdessen dürfte die Bürokratie nach diesem erneuten Omnibus-Gesetz noch erheblich zunehmen. Fangen wir an mit den geplanten Parallelstrukturen in der ambulanten Versorgung. Die Rede ist von kommunalen „Gesundheitskiosken“ und „Primärversorgungszentren“. „In Regionen und Stadtteilen mit einem hohen Anteil an sozial benachteiligten Personen oder in strukturell benachteiligten Regionen können niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention etabliert werden“, das wird die Aufgabe der Gesundheitskioske. Die veranschlagten Kosten pro Kiosk liegen bei jährlich 400.000 Euro – knapp drei Viertel davon zu Lasten der GKV-Beiträge. Für 2024 werden 30 Gesundheitskioske erwartet, 2027 soll es 220 geben. Also 9 Millionen Euro bezahlt die GKV in diesem Jahr, 2027 werden es 66 Millionen Euro sein. Kommunen sollen zudem „Gesundheitsregionenverträge“ schließen dürfen. Damit sollen regionale, sektorenübergreifende Versorgernetzwerke ermöglicht werden.

Zudem sind „Primärversorgungszentren“ geplant: „Sie bieten neben der regulären hausärztlichen Versorgung ein besonderes hausärztliches Versorgungsangebot, das insbesondere den besonderen medizinischen Bedürfnissen älterer und multimorbider Patientinnen und Patienten entspricht“, so der Entwurf. Diese zu schaffenden neuen kommunalen Strukturen in der Versorgung dürften einen Eingriff in den Sicherstellungsauftrag bedeuten und würden somit weiter an der Selbstverwaltung sägen.

Keine iMVZ-Regulierung

Die spärliche Passage zu MVZ kennt die Worte „Investor“ oder „Regulierung“ nicht einmal. Lapidar heißt es: „Für die Zulassung eines MVZ in der Rechtsform der GmbH sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsleistungen der Höhe nach zu begrenzen.“ Vom „letzten schönen Weihnachten für Investoren“, so Lauterbach Ende 2022, ist in diesem Gesetz nichts zu lesen. Hatte doch die FDP schnell vor dem Referentenentwurf ein feines Positionspapierchen zu „Trägervielfalt in der ambulanten Versorgung“ ins Rennen und vorerst auch auf die Gewinnerspur gebracht. Hierin heißt es: „Diese breite Trägervielfalt sichert den Wettbewerb, die flächendeckende Versorgung und eine bestmögliche Versorgungsqualität. Um kooperative interdisziplinäre und zukunftsfähige Strukturen unter einem Dach aufzubauen, sind Investitionen notwendig. Statt einem pauschalen Ausschluss von Investoren als Träger ist sicherzustellen, dass MVZ jeder Trägerart transparent und qualitätsorientiert einen Beitrag zur ambulanten Patientenversorgung leisten können.“ Das klingt erst einmal nach einem Werbeprospekt der Investoren-MVZ-Dachverbände, ist aber FDP-Position. Da konnte Lauterbach seine Heuschreckpistole wohl wieder einpacken. Großen Worten folgen keine Taten.

Prüfrechte für den Bundesrechnungshof

Und weil es noch nicht genug Kontrolle gibt, packt der Gesetzentwurf noch eine weitere bürokratische Hürde aus. Endlich wird der Bundesrechnungshof ermächtigt und ihm werden „im Interesse einer wirksamen Finanzkontrolle im Gesundheitswesen Prüfrechte“ eingeräumt. Selbstredend gelten diese auch für die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und ihrer Bundesvereinigung. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es: „Die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und deren Bundesvereinigungen, die Medizinischen Dienste und der Medizinischen Dienst Bund sowie der G-BA sind mittelbare Empfänger von Bundesmitteln aus dem Gesundheitsfonds und werden deshalb ebenso wie die Krankenkassen und deren Verbände und Arbeitsgemeinschaften dem Prüfrecht des Bundesrechnungshofs unterstellt, um eine umfassende Prüfung hinsichtlich der Verwendung von Bundesmitteln zu gewährleisten.“ Ein weiterer Tritt ins Knie der Selbstverwaltung. In ihrer Interpretation handelt es bei den Finanzmitteln der KVen und KZVen nicht um Beitragsgelder der Versicherten, sondern um Mitgliedsbeiträge der Vertrags-(zahn-)ärzteschaft.

Vom Omnibusgesetz überfahren?

Es bleibt viel zu tun für die Vertreter der zahnärztlichen Standespolitik. Bislang fehlt für die Belange der Zahnärzteschaft fast jedes Zeichen – und die Impulse, die sich finden, sind negativ und von staatlichem Lenkungs- und Kontrollwillen gekennzeichnet. Das ist wenig Vorstellungsraum, wie sich im Gesetzgebungsprozess Dinge zum wesentlich Besseren entwickeln sollen. Geld für weitere Entbudgetierung ist derzeit nicht vorhanden und liegt auch nicht auf der Straße. Eine große GKV-Finanzreform ist unter Lauterbach auch nicht in Sicht. Die Hälfte der Legislatur ist bereits vorüber und die größeren Würfe aus dem BMG sind bislang nicht am Ziel angelangt. Und kleinteilige Gesetze wie das GVSG sind schon wie unter Vorgänger Jens Spahn tückische Vehikel für eine staatliche Lenkungs- und Sanktionspolitik gewesen und sind es auch unter Lauterbach. Da heißt es, nicht unter die Räder kommen.

Titelbild: 2ragon – stock.adobe.com