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Der Sparplan

Erst kam Corona und Corona wird bleiben. Die staatlichen Gesundheitsausgaben sind 2022 auf ein Rekordniveau gestiegen: Erstmals erhielt das Gesundheitsministerium den zweitgrößten Haushaltsetat nach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Waren 2019 – vor Corona – noch 15,3 Milliarden für das BMG im Bundeshaushalt vorgesehen, sind es 2022 64,4 Milliarden. Der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds beläuft sich in diesem Jahr auf stattliche 28,5 Milliarden Euro – so hoch wie nie zuvor. Zur Erinnerung: Im Gesundheitsfonds fließen alle Mittel der GKV-Versicherten, der Arbeitgebenden, der Rentenversicherungen etc. sowie der Bundeszuschuss aus Steuermitteln zusammen. Aus dem Fonds werden dann die Kosten finanziert, die für die Leistungen der GKV-Versicherten den gesetzlichen Krankenkassen entstehen. Nur liegen seit Jahren die Einnahmen des Gesundheitsfonds unter den Ausgaben der GKV. 2022 stehen den prognostizierten Einnahmen von 254,7 Milliarden GKV-Ausgaben von 284,2 Milliarden Euro gegenüber. Und die einst üppigen Rücklagen der Krankenkassen hat Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon großzügig verplant und ausgegeben. Und damit nicht genug.

Dann kam der Krieg. Er brachte und bringt Tod und Zerstörung in die Ukraine. Dagegen sind die Folgen bei uns natürlich nicht im Ansatz vergleichbar. Spürbar ist dieser Krieg aber auch bei uns. Die steigenden Energiekosten, die hohe Inflation treffen die die Bevölkerung, die Unternehmen und auch das Gesundheitswesen. Schlechte Zeiten für klamme Kassen.

Ein Bild, das eine grafische Darstellung von Zähnen und Zahnfleisch zeigt, oben ist der Hintergund petrolfarben. Ein Zahn zeigt einen kariösen defekt

Die GKV-Ausgaben sind seit Jahren höher als die Einnahmen. Jetzt legt das BMG ein „Spargesetz“ vor und spart an der falschen Stelle.

Einmal überall einsparen

Für 2023 plant die Bundesregierung einen Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro aus Steuermitteln. Und woher sollen dann die fehlenden 17 Milliarden Euro kommen, um die dann in der Höhe bestehende Finanzierungslücke bei der gesetzlichen Krankenkasse zu schließen?

Diese Lasten müssen auf verschiedene Schultern verteilt werden und können nicht allein den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern auferlegt werden“, heißt es im aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zum „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – GKV-FinStG). Der fürsorgende Staat will also die Kassenbeiträge bei einer moderaten Steigerung von 0,2 bis 0,3 Prozent im Jahr stabil halten. Die Beamtenprosa beschreibt dann auch, woher das Geld nun kommen soll: Die Finanzreserven der Krankenkassen werden „herangezogen“ – als wären das nicht auch die Mittel der Beitragszahler. Die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen sollen „gemindert“ werden. Preismoratorium für Arzneimittelausgaben, die extrabudgetierte Neupatientenregelung aus dem TSVG wird „aufgehoben“ und im Krankenhausbereich werden die auszugliedernden Pflegepersonalkosten „vereinfacht“. Und dann als Schmankerl für die Zahnärzteschaft: „Die Punktwerte und Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte und im Jahr 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einkommen im jeweiligen Jahr steigen“ – das böse Wort „Budgetierung“ fällt nicht.

„Alternativen: Keine.

Ein bisschen Prävention darf sein

Ein paar Ausnahmen im zahnärztlichen Bereich sieht der Gesetzentwurf dann doch vor, für Individualprophylaxe, für Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen sowie Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche. Die gerade seit einem Jahr geltende neue PAR-Richtlinie wird hier nicht genannt. Damit wird die gerade in Bewegung kommende neue Parodontitis-Behandlungsstrecke und -Prävention direkt ausgebremst. Die Folgekosten für das Gesundheitssystem sind kaum abzuschätzen, der kurzfristige Einspareffekt des GKV-FinStG-Entwurfs im gesamten zahnärztlichen Bereich wird mit rund 120 Millionen Euro für 2023 und rund 340 Millionen Euro für 2024 beziffert. (Die Stellungnahme der KZBV zum Referentenentwurf und weitere standespolitische Reaktionen lesen Sie hier)

Wohl oder wehe?

„Diese Begrenzung des Honorarzuwachses ist als Beitrag der Vertragszahnärzte zur Ausgabenbegrenzung in der GKV gerechtfertigt“, heißt es im Gesetzentwurf. Diese einseitige Perspektive aus dem BMG darf dann doch etwas verwundern. Eingespart wird ja nicht in erster Linie am Honorar der Zahnärzteschaft, sondern am Wohl der Patienten. Wenn man gleichzeitig sieht, dass nach dem aktuellen Spruch der Schiedsstellen fast 400 Millionen Euro – größtenteils finanziert aus GKV-Mitteln – für den Tausch von Konnektoren mit abgelaufenen Sicherheitszertifikat ausgegeben werden, bleibt Sprachlosigkeit. Gleichzeitig legt ein Bericht des aktuellen „c’t Magazins“ nahe, dass der größte Teil der Kosten einsparbar wäre. Die Formulierung des GKV-Spitzenverbandes es gäbe „fast 400 Millionen Euro extra für ärztliche Praxen“ ist ebenso völlig irreführend. Die Praxen haben den Ärger und Aufwand und die Industrie erfreut sich an den 400 Millionen Euro.

Sparen im Gesundheitswesen bei einer alternden Bevölkerung und gleichzeitigem medizinischen Fortschritt ist eine Notwendigkeit. Aber der Gesetzgeber sollte schon etwas präziser hinschauen, wo er spart. Das Patientenwohl ist hier sicherlich der falsche Ansatz.

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