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Nicht besser als Haushaltszucker?

Öko-Test hat 20 Kokosblütenzucker getestet.

Öko-Test hat 20 Kokosblütenzucker getestet.

Wo Kokosblütenzucker draufsteht, da sollte auch nichts anderes als reiner Kokosblütenzucker drin sein. So ist es aber nicht, wie Öko-Test in seiner Ausgabe 4/21 veröffentlicht: Von 20 Kokosblütenzuckern im Test schneiden elf zwar mit sehr gut" ab, in acht weiteren Produkten fand das beauftragte Labor jedoch Hinweise auf andere Zucker – aller Wahrscheinlichkeit nach Rohrzucker.

Das ist der Hauptgrund, weshalb vier Produkte nur mittelmäßig abschneiden und zwei sogar mit mangelhaft" durchfallen. In den meisten Produkten, die Öko-Test aufgrund des Fremdzuckeranteils kritisieret, stecken abgeschätzte Anteile von etwa 20 bis 30 Prozent. In einem Kokosblütenzucker im Test betrug der abgeschätzte Anteil sogar mehr als die Hälfte. Und doch steht hinten auf der Zutatenliste nur dieses eine Wort: Kokosblütenzucker. Wie kann das sein?

Kokosblütenzucker: Was steckt dahinter? 

Kokosblütenzucker ist ein Naturprodukt mit langer Tradition, und die Zucker, die Öko-Test getestet hat, stammen zumeist von kleinbäuerlichen Betrieben aus Indonesien oder von den Philippinen. Zur Ernte klettert der Bauer auf die Kokospalme, schneidet den Blütenstand an und fängt den heraustropfenden Nektar in einem Gefäß auf. Auf dem offenen Feuer kocht er diesen Saft anschließend so lange ein, bis er dick wird und kristallisiert. Das ist aufwendige Handarbeit.

Es folgen weitere Schritte wie Vermahlen, Sieben, Trocknen und Verpacken, bis der Zucker schließlich bei den Herstellern in Deutschland landet. Wo genau es zu der Vermischung mit dem anderen Zucker kam, ist unklar.

Ein Anbieter von Kokosblütenzucker im Test teilt mit, sein Lieferant könne trotz großer Anstrengungen in der Lieferkette eine Verunreinigung nicht zu 100 Prozent ausschließen. Die Beschaffung sei kleinteilig und es kämen immer Lieferungen von mehreren Bauern zusammen. Auch seien wirtschaftliche Anreize für die Bauern, billigeren Zucker unterzumischen, durchaus vorhanden.

Es gibt keine definierten Reinheitsanforderungen

Das alles wird den Kunden des edlen Trend-Zuckers nicht schmecken. Doch ist es ein Fall von Täuschung oder gar Lebensmittelbetrug? Das kann Öko-Test nicht klären – allein schon deshalb nicht, weil es derzeit keine definierten Reinheitsanforderungen für Kokosblütenzucker auf EU-Ebene gibt.

Nach Öko-Test-Recherchen ist es jedoch mehr als unwahrscheinlich, dass es sich bei den abgewerteten Mengen von rund 15 Prozent Fremdzucker und mehr um unabsichtliche Verunreinigungen handelt. Zwar gibt es die verbreitete Praxis, den Kokosblütensirup während des Einkochens durch Zugabe von Rohrzucker zu impfen", damit er besser kristallisiert – das führe aber nur zu sehr geringen Anteilen, bestätigen Hersteller.

Firmen wollen Qualitätskontrollen ausbauen  

Mit großer Konsequenz reagierte ein betroffener Hersteller im Test auf unsere Ergebnisse. Der Konzern hat eigenen Angaben zufolge sein Produkt umgehend vom Markt genommen und die gesamte Ware aus Handel und Lägern zurückgerufen. Zuvor hatte er die Öko-Test-Messwerte in eigenen Analysen überprüfen lassen und bestätigt. Andere Firmen kündigen an, ihre Qualitätskontrollen künftig auszubauen.

Eine Schwierigkeit scheint es zu sein, jeweils mehrere tausend Vertragsbauern zu kontrollieren. Selbst faire Löhne und langjährige Lieferantenbeziehungen, auf die viele der Hersteller im Test setzen, helfen da offenbar nicht immer. Übrigens: Einen Beitrag zu besseren Arbeitsbedingungen leisten unabhängig kontrollierte Siegel wie Naturland, Fairtrade und Control Union Fair Choice. Sie finden sich im Test auf fünf Produkten.  

Interessant ist: Öko-Test hat alle Kokosblütenzucker von Sensorikern überprüfen lassen und die gestreckten Produkte waren dort überhaupt nicht aufgefallen. Sie sahen genauso aus wie reiner Kokosblütenzucker und schmeckten auch so – nämlich nach Malz und Karamell.

Ist Kokosblütenzucker gesund? 

Diese feine Geschmacksnote kann ein guter Grund sein, warum man seinen Tee oder das Gebäck mit Kokosblütenzucker genießt. Doch was ist mit dem Verkaufsargument, dass Kokosblütenzucker eine gesunde Alternative zu Haushaltszucker ist?

Hier werden immer wieder zwei Vorteile betont: ein niedriger glykämischer Index und ein hoher Mineralstoffgehalt. Öko-Test bestätitgt: Kokosblütenzucker enthält gewisse Mengen an Kalium, Eisen, Kalzium und Vitaminen. Doch zu 80 bis 90 Prozent besteht er aus Saccharose, der Rest ist hauptsächlich Wasser.

Glukose und Fruktose in Kokosblütenzucker 

Saccharose ist ein Zweifachzucker aus den Bausteinen Glukose und Fruktose und der zu fast 100 Prozent in gewöhnlichem Haushaltszucker steckt. Damit unterscheidet sich Kokosblütenzucker rein chemisch gesehen sehr wenig von normalem Zucker.

Bernhard Watzl, Leiter des Max-Rubner- Instituts, sagt es unmissverständlich: Kokosblütenzucker ist ein Zucker und Punkt. Es spielt keine Rolle, dass er einige Begleitstoffe mehr enthält." Denn um von den Begleitstoffen nennenswert zu profitieren, müsste man große Mengen des Zuckers vertilgen. Das jedoch widerspricht allen Empfehlungen zum Zuckerkonsum. Deshalb hat Öko-Test im Test auch Noten abgezogen, wenn Hersteller etwa wertvolle Mineralstoffquelle" auf die Packung schreiben.

Niedriger glykämischer Index als Vorteil? 

Wacklig steht auch der angebliche Vorteil eines niedrigeren glykämischen Index des Kokosblütenzuckers da. Ein niedriger glykämischer Index besagt, dass der Zucker langsamer ins Blut geht und länger sättigt. Kolportiert wird hier für den Kokosblütenzucker häufig ein Wert von 35 – das wäre halb so niedrig wie bei Haushaltszucker mit 70. Diese Zahlen sind aber nicht durch verlässliche Studien belegt.

Und Bernhard Watzl findet, dass es ohnehin keinen Sinn macht, den glykämischen Index isoliert zu betrachten. Wir essen Zucker in der Regel als Teil einer Mahlzeit. Wie schnell und wie stark der Blutzuckerspiegel ansteigt – darüber entscheidet am Ende die Gesamtheit aller Nähr- und Ballaststoffe."

 

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