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Sicherheit: Mehr als eine Frage von parallel oder seriell

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Darüber hinaus gibt es zahlreiche, vom ursprünglichen Begriff abgeleitete und auf gänzlich andere Lebensbereiche übertragene Formen von „Sicherheit“. Eine davon, im Bereich „Digitalisierung“ beheimatet, ist anscheinend gar nicht so einfach zu definieren, oder zumindest versteht nicht jeder dasselbe darunter. Das ist sogar einleuchtend, denn Sicherheit hat aus der Perspektive des Patienten garantiert eine andere Dimension als Sicherheit aus der Perspektive eines Arztes oder Zahnarztes.

Beide haben eine Schnittmenge, die zumindest in technischer Hinsicht aus dem zentralen Dreh- und Angelpunkt Arzt­praxis oder Zahnarztpraxis resultiert. Denn hier entstehen die Daten, für die sich alle Beteiligten maximale Sicherheit wünschen. Die Kernfragen lauten, was passiert mit den erhobenen Daten, wie werden sie verarbeitet, an wen werden sie übermittelt, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Individuum?

So befürchtet der eine den „gläsernen Patienten“ (gemeint ist meistens aber wohl eher der gläserne Arzt oder Zahnarzt), der andere fürchtet, für seine Krankenversicherung gleich zum „gläsernen Menschen“ zu werden. Beide haben auf jeweils ihre Weise durchaus recht. Während der Patient einerseits größten Wert darauf legt, die Hoheit über „seine“ Daten zu behalten (also keine Spahnsche Widerspruchslösung möchte, die zunächst den Zugriff auf alle Daten erlaubt), trägt er gleichzeitig eine Smart-Watch oder andere Wearables, die rund um die Uhr Daten über ihren Träger – selbstverständlich auch Basisgesundheitsdaten – sammeln. Da gibt es also eine gewaltige Diskrepanz zwischen dem, was Bundesgesundheitsminister Spahn gerne hätte, dem, was viele Zeitgenossen ohnehin tagtäglich über sich preisgeben, und dem, was sie eigentlich wollen. Es wäre sicher eine interessante Sache, all die Vorteile und Nachteile eines digitalisierten Gesundheitssystems erschöpfend zu diskutieren, von einer papierlosen Verwaltung über schnellere Diagnosen und Behandlungen bis hin zu einer schnelleren und effektiveren Forschung durch passgenaue und jederzeit verfügbare Daten.

Leider sind wir in Deutschland noch nicht soweit. Noch gilt es grundlegende Hausaufgaben zu erledigen, noch immer müssen wir uns mit der Basistechnologie zum Beispiel in Form der korrekten Konnektoreninstallation beziehungsweise der sicheren Einbindung in die Praxisinfrastruktur herumschlagen. Wir beschäftigen uns also nach wie vor mit dem Ort, an dem Gesundheitsdaten zuallererst entstehen. Hört sich irgendwie an, als wäre also noch nicht einmal der erste Schritt erfolgreich absolviert worden. Das heißt, erfolgreich schon – aber nur aus Sicht der Politik. Denn nach deren Verständnis reicht der Arm des Gesetzgebers mit allen Vorschriften, Regelungen und Sicherheitsvorkehrungen, bis ins Detail ausformuliert, genau bis zur Praxistür – ab da ist jeder Arzt/Zahnarzt selbst verantwortlich für den sicheren Betrieb seiner Telematikinfrastruktur. Wenn dann etwas schiefläuft, wenn Patientendaten ungesichert wegen einer nicht regelkonformen Einbindung auf dem Präsentier­teller liegen, haftet selbstverständlich er.

Verwunderlich ist, dass der Auftrag der mit der TI-Installation betrauten ausführenden Techniker nicht einfach erweitert wurde um einen einfachen Check der vorliegenden IT-Architektur. Dann wäre es vermutlich ein Leichtes gewesen, dem Arzt oder Zahnarzt zumindest einen Hinweis zu geben, was am Praxisnetzwerk – vom Netzwerktechniker des Vertrauens – geändert werden muss. Stattdessen wird die Verantwortung schlicht weitergereicht – mit allen möglichen Konsequenzen für den Betreiber und seine Patienten.

Schade, dass das Gelingen des gesamten Projekts Digitalisierung des Gesundheitswesens durch Umstände verhindert oder zumindest verzögert wird durch entscheidende Kleinigkeiten, die ohne größeren Aufwand vermeidbar gewesen wären.