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„Mythos“ PZR? – differenzierte Betrachtung gefordert

DG Paro plädiert für differenzierte Betrachtung

DG Paro plädiert für differenzierte Betrachtung

„Verdacht auf Abzocke bei professioneller Zahnreinigung“ oder „Die Zahnreinigung vom Profi ist umstritten“: Am 6. Mai 2019 erschienen in verschiedenen Tageszeitungen im Stuttgarter Raum Artikel zum Thema professionelle Zahnreinigung (PZR), die bei Patienten und in der Zahnärzteschaft einige Wellen geschlagen haben. Die Artikel ziehen Schlussfolgerungen, die in dieser Form weder sachlich richtig noch für Patienten hilfreich sind. Die DG Paro plädiert für einen sorgfältigeren Umgang mit den Begrifflichkeiten und eine differenzierte Betrachtung der Patientenzielgruppen. Die aktuelle Berichterstattung suggeriert, dass die PZR verzichtbar sei und von der Durchführung lediglich die Zahnärzte finanziell profitierten.

Prof. Dr. Peter Eickholz (Direktor der Poliklinik für Parodontologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Präsident der DG PARO von 2011 bis 2016) wurde in den Artikeln zitiert und stellt klar: „Bei parodontal gesunden jungen Erwachsenen ist die PZR verzichtbar, weil eine Zahnreinigung zusätzlich zur Mundhygieneinstruktion (MHI) in dieser Personengruppe keinen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen bewirkt. Wissenschaftlich belegt ist aber, dass eine MHI die Menge bakterieller Zahnbeläge und Gingivitis gegenüber keiner Maßnahme verringert [1]. Werden die Zähne bei dieser gesunden Gruppe zusätzlich professionell gereinigt, ergibt sich daraus keine weitere Verbesserung.“
Daraus folgt, dass für die Mundgesundheit junger parodontal gesunder Personen eine MHI bedeutsamer und nützlicher ist als eine PZR. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres werden für alltagskompetente Erwachsene weder MHI noch PZR von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Lediglich für pflegebedürftige und behinderte Menschen leisten die Kassen hierfür. Die Kosten, die für MHI oder PZR anfallen, sind für den Patienten vergleichbar.
Die Annahme, dass man eine MHI nur einmal im Leben braucht, weist Eickholz zurück. Menschen für eine lebenslange effektive Mundhygiene zu schulen, sei ein mühsames Geschäft, und eine MHI alleine führe nur im absoluten Ausnahmefall zu lebenslang effektiver Mundhygiene. „Auch Patienten, die eine MHI erhalten haben, müssen bei unterschiedlichem individuellem Risiko und Putzerfolg zum Teil mehrmals pro Jahr zum Zahnarzt gehen. Hier wurden – insbesondere bei parodontal erkrankten Menschen, und das sind über 11 Millionen in Deutschland – durch die aktuelle Berichterstattung falsche Hoffnungen geweckt“, so Eickholz weiter.

Differenzierung nach Patientengruppen ist entscheidend

Das Gesagte gilt nur für junge parodontal gesunde Menschen. Betrachtet man die gesamte Bevölkerung, ist vollständige parodontale Gesundheit jedoch eher die Ausnahme. Laut Fünfter Deutscher Mundgesundheitsstudie (DMS V) leiden in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen 10 Prozent an schweren (CPI/PSI-Code 4) und weitere 48 Prozent an moderaten (CPI/PSI-Code 3) Parodontalerkrankungen [2]. In der Gruppe der jungen Senioren liegen die entsprechenden Zahlen bei 25 beziehungsweise gut 50 Prozent. Für Patienten mit CPI/PSI-Code 3 und 4 reichen aber allein MHI oder PZR nicht aus. Hier ist eine ergänzende systematische Therapie von Parodontopathien oder unterstützende Parodontitistherapie (UPT) unabdingbar, um diese stille und deshalb leicht zu übersehende Erkrankung in den Griff zu bekommen. Insofern besteht zwischen den Aussagen von Prof. Eickholz, der der PZR für junge parodontal gesunde Personen einen Nutzen zusätzlich zur MHI abspricht, und der Position der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und ihrem Vorsitzenden, Dr. Wolfgang Eßer, kein Gegensatz. Die KZBV bezeichnet die PZR als anerkannte Präventionsleistung und hat dabei nicht primär die jungen parodontal Gesunden im Auge. Der Nutzen der MHI bei der großen Gruppe parodontal erkrankter – insbesondere älterer – Menschen zeigt im Übrigen die Bedeutung, die das Gespräch mit den Patienten hat. „Sprechende Zahnmedizin“ ist ein wesentliches Element des neuen Parodontalbehandlungskonzepts, das Grundlage neuer Behandlungsrichtlinien für die systematische Therapie von Parodontopathien werden soll und nachdrücklich von der KZBV vorangetrieben wird.

Mehr Klarheit bei Begrifflichkeiten und dahinterstehenden Leistungen

Die Begriffe MHI, PZR und UPT werden häufig durcheinander geworfen und PZR wie ein Überbegriff verwendet. Das führt zu Missverständnissen. Zwar listet die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unter der Überschrift PZR mehrere Maßnahmen auf: die gründliche Untersuchung der Mundhöhle und des Zahnsystems mit Erfassung vorhandener Beläge und Blutungen des Zahnfleisches, die PZR mit Handinstrumenten, Schall- und Ultraschallscalern beziehungsweise Pulver-Wasser-Spray, Politur mit fluoridhaltiger Paste sowie Hinweise zur Optimierung der häuslichen Mundhygiene.
Aber die Position der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), nach der die PZR abgerechnet wird (GOZ 1040), umfasst nur „das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen (…)“. Für die Erfassung vorhandener Beläge und Blutungen des Zahnfleisches (GOZ 4005) sowie Hinweise zur Optimierung der häuslichen Mundhygiene (GOZ 1000 oder 1010) werden andere GOZ-Positionen berechnet. Ein Patient, der glaubt, dass PZR dies alles umfasse, dürfte sich wundern, wenn dann über die Position PZR hinaus noch einiges andere berechnet wird. Insofern kann die aktuelle Diskussion dazu beitragen, zukünftig besser zwischen den Leistungen MHI, PZR und UPT zu differenzieren.

Parodontal erkrankte Patienten brauchen systematische Nachbetreuung

Fatal wäre es, wenn Patienten, die an Parodontitis erkrankt sind, durch solche Berichterstattung glaubten, ohne MHI oder PZR auszukommen. Im Gegenteil: Sie müssen systematisch aktiv parodontal therapiert (geschlossenes/offenes Vorgehen) und anschließend kontinuierlich je nach individuellem Risiko ein- bis viermal pro Jahr nachbetreut werden. Leider ist aber die UPT bisher kein Bestandteil der GKV-Leistungen und muss von den Patienten bisher selbst bezahlt werden. Das schürt auch Skepsis gegenüber dem Nutzen dieser wichtigen Nachsorge bei an Parodontitis erkrankten Menschen. Aufgrund der Begriffsverwirrung bezeichnen viele Patienten, aber möglicherweise auch manche Zahnärzte das, was UPT ist, falsch als PZR. Die UPT für parodontal (Vor-)Geschädigte geht aber weit über die PZR hinaus, selbst über den weiten Rahmen der BZÄK-Definition.

Fazit: Die durch die aktuelle Berichterstattung angestoßene Diskussion lässt sich nutzen, sorgfältiger mit den Begrifflichkeiten MHI, PZR und UPT umzugehen und diesbezüglich mehr Klarheit zu schaffen – für Patienten und Zahnärzteschaft. Pauschale Urteile über den Nutzen bestimmter Maßnahmen für alle Patientengruppen helfen niemandem. Die DG Paro unterstützt dieses Streben nach Klarheit im Interesse der Kollegenschaft durch Publikationen, Fortbildungsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit seit Jahren.

Literatur:
[1] Hugoson A, Lundgren D, Asklöw B, Borgklint G: Effect of three different dental health
programmes on young adult individuals: a randomized, blinded, controlled evaluation of oral
hygiene behavior on plaque and gingivitis. J Clin Periodontol 2007;34:407-415.
[2] Jordan, A. R. & Micheelis, W. (2016): Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V).
Köln: Deutscher Zahnärzte Verlag DÄV.

Quelle: DG Paro